Quantenverschränkung erstmals mit Licht von Quasaren bestätigt

Mit dem William Herschel Telescope auf La Palma fingen die Quantenphysiker das Licht von Quasaren ein. Foto: Max Alexander, Photo courtesy of the Isaac Newton Group of Telescopes, La Palma

Zu seltsam, um wahr zu sein: So bewerteten der berühmte Physiker Albert Einstein und seine Kollegen Boris Podolsky und Nathan Rosen in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift „Physical Review“ im Jahr 1935 die Quantenmechanik. Besonders das quantenphysikalische Phänomen der Verschränkung betrachteten sie mit Skepsis.

Wird ein Quantenobjekt – etwa ein Lichtteilchen – gemessen, das mit einem anderen verschränkt ist, dann, so sagt die Quantenmechanik, ist der Zustand des einen Teilchens von der Messung, die an dem anderen durchgeführt wird, abhängig. Das gilt auch auch dann, wenn die beiden weit voneinander entfernt sind und obwohl keinerlei Information zwischen ihnen ausgetauscht wird.

Das lässt sich mit der klassischen Physik nicht vereinbaren. Einstein vermutete daher, dass die Quantenmechanik ein solches Experiment nicht vollständig beschreibt und es noch unbekannte Einflüsse gebe, durch die das Messergebnis bereits vor der Messung festgestanden hat.

Schlupfloch mit Milliarden Jahre altem Licht geschlossen

Doch grau ist alle Theorie. Es dauerte beinahe drei Jahrzehnte nach Einsteins Aufsatz bis es im Jahr 1964 dem nordirischen Physiker John Stuart Bell (1928–1990) gelang, einen Vorschlag zu formulieren, wie sich die Quantenverschränkung experimentell überprüfen lässt. Und tatsächlich: Seitdem konnten zahlreiche solcher „Bell Tests“ nachweisen, dass die Voraussagen der Quantenmechanik stimmen.

Doch ein Schönheitsfehler blieb stets: Alle diese Experimente enthielten sogenannte „Schlupflöcher“, die es ermöglichen, gemessene Korrelationen auch ohne die Quantenmechanik zu erklären. Eines der hartnäckigsten Schlupflöcher ist jenes der „freien Wahl“ (freedom-of-choice loophole): Teilchen und Messeinrichtung könnten theoretisch schon vor dem Experiment kausal beeinflusst worden sein. Das Messergebnis wäre dann nicht zufällig zustande gekommen und Einsteins klassische Physik gerettet.

Neue Experimente zeigen nun allerdings, dass es schlecht aussieht für Einstein, wie ein internationales Team um Anton Zeilinger von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Universität Wien in der aktuellen Ausgabe der „Physical Review Letters“ berichtet.

Die Wiener Forscher führten einen sogenannten „Cosmic Bell Test“ mit Licht durch, das von zwei weit entfernten Quasaren kurz nach dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren ausgestrahlt wurde. Dadurch konnten sie erstmals nachweisen, dass sich ein unbekannter Einfluss auf die Messergebnisse verschränkter Teilchen aus 96 Prozent des Universums seit dem Big Bang ausschließen lässt.

Leuchtende Kerne von Galaxien als kosmische Zufallsgeneratoren eingesetzt

Für ihr Experiment nutzten die Wissenschaftler/innen zwei der größten Weltraumteleskope Europas: das William Herschel Telescope und das Telescopio Nazionale Galileo, die sich auf der Kanareninsel La Palma befinden. Mit diesen beiden Teleskopen fingen sie das Licht von zwei in entgegengesetzten Richtungen im Universum liegenden Quasaren ein, die jeweils rund 8 und 12 Milliarden Jahre von der Erde entfernt sind.

Quasare sind hochenergetische Kerne von Galaxien, die über eine extreme Leuchtkraft verfügen. Die Farbe der einzelnen Lichtteilchen – Physiker sprechen präziser von Photonen –, die bei der Entstehung der Quasare festgelegt wurde und zwischen rot und blau variiert, steuerte die Wahl der Messeinstellung von zuvor in einem mobilen Labor vor Ort erzeugten verschränkten Teilchen.

„Wir mussten bei unserem Experiment sicherstellen, dass die Entscheidung wie die verschränkten Teilchen gemessen werden völlig unabhängig von uns und unserer Umgebung getroffen wird“, erklärt Erstautor Dominik Rauch, der am Wiener Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der ÖAW und an der Universität Wien forscht. „Das von Menschen, der Erde und fast unserer gesamten Vergangenheit völlig unabhängige Licht aus dem All ist dafür ideal geeignet, und so konnten wir die weit entfernten Quasare als kosmische Zufallsgeneratoren einsetzen.“

Pionierleistung der Wiener Quantenphysik

Die Quantenphysiker von ÖAW und Universität Wien sind Pioniere dieser Methode zur Messung der Quantenverschränkung. Bereits im Februar 2017 war ihnen bei einem Pilotversuch in Wien die erfolgreiche Demonstration eines „Cosmic Bell Test“ mit Sternenlicht aus der Milchstraße gelungen. Bei ihrem neuen Experiment konnten sie nun erstmals kosmisches Licht verwenden, das beinahe vom Rand des bekannten Universums zu uns gereist ist.

„Es ist das erste Mal, dass Milliarden Jahre altes Licht aus unserem Universum zum Nachweis der Quantenverschränkung genutzt wurde. Die Wahrscheinlichkeit, dass es verborgene Einflüsse gibt, die eine zur Quantenmechanik alternative Erklärung der Verschränkung liefern, liegt damit bei nahezu Null.

Die Wahl der Messeinstellung hätte für unsere Versuchsanordnung lange vor der Entstehung der Erde erfolgen müssen“, sagt Quantenphysiker Anton Zeilinger, der auch die Wichtigkeit des Experiments für quantenphysikalische Anwendungen betont: „Die Widerlegung von Schlupflöchern ist von großer Bedeutung für die Quantenkryptografie. Für den sicheren Austausch quantenverschlüsselter Informationen müssen unbekannte Einflüsse vollständig ausgeschlossen sein.“

Neben der ÖAW und der Universität Wien waren an dem erfolgreichen Experiment auch Wissenschaftler/innen des MIT – Massachusetts Institute of Technology, des kalifornischen Harvey Mudd Colleges und der University of California, San Diego, der chinesischen School of Computer sowie der spanisch-britisch-niederländischen Isaac Newton Group und der italienischen Fundación Galileo Galilei beteiligt.

Dominik Rauch
Institut für Quantenoptik und Quanteninformation Wien
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Boltzmanngasse 3, 1090 Wien
T +43 1 4277-29577
dominik.rauch@oeaw.ac.at

„Cosmic Bell test using random measurement settings from high-redshift quasars”, Dominik Rauch, Johannes Handsteiner, Armin Hochrainer, Jason Gallicchio, Andrew S. Friedman, Calvin Leung, Bo Liu, Lukas Bulla, Sebastian Ecker, Fabian Steinlechner, Rupert Ursin, Beili Hu, David Leon, Chris Benn, Adriano Ghedina, Massimo Cecconi, Alan H. Guth, David I. Kaiser, Thomas Scheidl, and Anton Zeilinger, Physical Review Letters, 2018.
DOI: https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.121.080403

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