Quantencomputer zertifizieren

Teams, die Quantencomputer entwickeln, sind nicht mehr nur an Hochschulen zu finden, sondern auch bei Google, IBM, Microsoft oder etwa im Startup D-Wave. „Und die Forschung macht immer schneller Fortschritte», freut sich Nicolas Sangouard, SNF-Förderungsprofessor an der Universität Basel. «Ich rechne damit, dass Quantencomputer spätestens in einigen Jahren eine viel höhere Rechenleistung erreichen als herkömmliche Computer – wir sprechen von der Quanten-Überlegenheit.“

Der Forscher konnte mit seinem Team vor Kurzem zeigen, wie gewährleistet werden kann, dass diese Maschinen korrekt funktionieren. Denn sie sind zwar sehr leistungsfähig, aber auch sehr empfindlich – einige arbeiten bei Extremtemperaturen von 270 Grad unter null. Der Ansatz dieses Forschungsteams ermöglicht es, alle Komponenten eines Quantencomputers zu zertifizieren, von den Kurz- und Langzeitspeichern über die Konverter, die zur Verbindung des Computers mit einem gesicherten Netzwerk für Quantenkommunikation erforderlich sind, bis zu den Prozessoren, welche die Informationen umwandeln.

Das Protokoll bietet noch einen weiteren Vorteil: Es verwendet ausschliesslich Komponenten, die bereits in der Maschine vorhanden sind und benötigt somit keine zusätzlichen Geräte. Im Prinzip ist es in jeder Art von Quantencomputer anwendbar, unabhängig von der zugrunde liegenden Technologie.

Die Maschine testet sich selbst

„Gerade die ausserordentliche Leistung der Quantenrechner macht es schwierig, sie zu zertifizieren“, erklärt Nicolas Sangouard. „Selbst die schnellsten Standard-Computer sind zu langsam, um die von solchen Maschinen durchgeführten Berechnungen zu kontrollieren.“ Ein weiterer Punkt: Diese Rechner sollten schliesslich in der Lage sein, in einem spezifischen Netzwerk für Quantenkommunikation sicher miteinander zu kommunizieren. „Deshalb ist es wichtig, sicherzustellen, dass es kein schwaches Glied in der Kette gibt“, bemerkt der Physiker.

Aus diesem Grund hat das Forscherteam eine vollständig quantenmechanische Zertifizierungsmethode entwickelt, bei der die Komponenten der Maschine selber verwendet werden. „Inspiriert haben uns Bell-Tests, die ein Physiker entwickelt hat, der in den 1960er-Jahren im CERN arbeitete“, führt der Forscher weiter aus. „Normalerweise stellen diese Tests sicher, dass sich Teilchen wirklich quantenmechanisch verhalten. Wir haben sie so abgeändert, dass sich damit überprüfen lässt, ob die verschiedenen Einheiten eines Quantencomputers richtig arbeiten. Weil sich diese Tests grundsätzlich in eine solche Maschine implementieren lassen, ist unser Verfahren sehr einfach umzusetzen und erfordert keine sehr spezifischen Kompetenzen.

„Den Anstoss zum Projekt gab das Seminar eines Wissenschafters, der an der Universität Basel eingeladen war“, fährt Nicolas Sangouard fort. „Thema war eine spezifische Frage der Quantenphysik. Das Seminar hat uns aber dazu inspiriert, diese Frage so weiterzudenken, dass daraus ein für Quantencomputer nützliches Verfahren entstanden ist. Das ist für mich das beste Beispiel, dass Konferenzen nicht nur passives Lernen bieten, sondern auch grossartige Gelegenheiten, selber innovativ zu werden.“

Diese Forschungsarbeiten erfolgten an der Universität Basel im Rahmen einer SNF-Förderungsprofessur – ein Instrument, das künftig durch das Programm SNSF Eccellenza Professorial Fellowhips ersetzt wird – sowie mit einem Förderbeitrag, der einen Forschungsaufenthalt an der Universität Innsbruck ermöglichte. Nicolas Sangouard ist assoziiertes Mitglied des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) „QSIT –Quantenwissenschaften und -technologie“, ein Instrument des SNF. Er beteiligt sich auch im Projekt Quantum Internet Alliance des neuen Programms FET Flagship „Quantum Technologies“.

Der Quantencomputer

Das Anfang der 1980er-Jahre formulierte Konzept des Quantencomputers will Nutzen aus bizarren Gesetzmässigkeiten ziehen, die in der atomaren Welt gelten, um Berechnungen durchzuführen, die mit herkömmlichen Computern nicht möglich sind. Ein Quantenprozessor kann zum Beispiel Informationen gleichzeitig verarbeiten und die Tatsache nutzen, dass jedes Quanten-Bit (oder Qubit) ein Kontinuum von Zuständen kodiert und nicht nur die beiden Zustände „1“ und „0“ eines Bits der klassischen Informatik. Die industrielle Entwicklung macht Fortschritte: Im November 2017 gab IBM bekannt, dass eine Maschine mit 50 Qubits getestet wurde.

Die Schweiz und Europa engagieren sich

In der Schweiz arbeiten zahlreiche Forschungsgruppen von internationalem Ruf im Bereich der Quanten-Technologie. Die meisten von Ihnen beteiligen sich am Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) „QSIT – Quantenwissenschaften und –technologie“, dessen Ziel darin besteht, Technologien zu entwickeln, welche die Quantenphysik nutzen, namentlich Computer, Kommunikationsprotokolle oder Quantensensoren. Leiter ist Klaus Ensslin von der ETH Zürich, Co-Leiter Richard Warburton von der Universität Basel. In Europa wurden am 28. Oktober 2018 zwanzig Projekte für das mit einer Milliarde Euro ausgestattete FET Flagship Programm „Quantum Technologies“ ausgewählt. Forschende der Universitäten Basel, Genf und Neuchâtel sowie der ETH Zurich und des CSEM beteiligen sich; zwei Projekte werden von Schweizer Gruppen koordiniert.

Der Text dieser Medienmitteilung, ein Download-Bild und weitere Informationen stehen auf der Website des Schweizerischen Nationalfonds zur Verfügung:

Prof. Nicolas Sangouard
Department Physik
Universität Basel
Klingelbergstrasse 82
CH-4056 Basel
Tel.: +41 61 207 39 15
E-Mail: nicolas.sangouard@unibas.ch

P. Sekatski, J.-D. Bancal, S. Wagner and N. Sangouard: Certifying the building blocks of quantum computers from Bell's theorem. Physical Review Letters (2018) doi:10.1103/PhysRevLett.121.180505 https://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.121.180505
https://arxiv.org/pdf/1802.02170.pdf

http://www.snf.ch/de/fokusForschung/newsroom/Seiten/news-181105-medienmitteilung…

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