Plasma-Stabilität nach Maß

Einbau von Regelspulen in das Plasmagefäß der Fusionsanlage ASDEX Upgrade (Foto: IPP, Volker Rohde)<br>

Nach knapp einjähriger Umbauzeit waren jetzt bereits die ersten Experimente erfolgreich: Mit acht magnetischen Regelspulen an der Wand des Plasmagefäßes der Fusionsanlage ASDEX Upgrade ist es gelungen, störende Instabilitäten des Plasmas, so genannte ELMs, auf das gewünschte Maß zu stutzen.

Werden diese Ausbrüche des Randplasmas zu heftig, können sie das Plasmagefäß in Anlagen der ITER-Klasse ernsthaft schädigen. Mit den jetzt erzielten Ergebnissen ist man der Lösung dieses wichtigen ITER-Problems ein großes Stück näher gekommen.

Forschungsziel des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) in Garching ist die Entwicklung eines Kraftwerks, das – ähnlich wie die Sonne – aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie gewinnt. Die Machbarkeit soll mit 500 Megawatt Fusionsleistung der internationale Experimentalreaktor ITER (lat.: der Weg) zeigen, der zurzeit in weltweiter Zusammenarbeit in Cadarache in Südfrankreich entsteht. Dazu muss es gelingen, den Brennstoff – ein dünnes ionisiertes Wasserstoffgas, ein “Plasma“ – berührungsfrei in einem Magnetfeldkäfig einzuschließen und auf Zündtemperaturen über 100 Millionen Grad aufzuheizen.

Die komplexe Wechselwirkung zwischen den geladenen Plasmateilchen und dem einschließenden Magnetfeld macht unterschiedlichste Störungen des Plasmaeinschlusses möglich. Für ITER zurzeit heftig diskutiert sind Edge Localized Modes, kurz ELMs: Dabei verliert das Randplasma kurzzeitig seinen Einschluss und wirft periodisch Plasmateilchen und -energien gebündelt und schlagartig nach außen auf die Gefäßwand. Bis zu einem Zehntel des gesamten Energieinhalts werden so ausgeschleudert. Während die jetzige Generation mittelgroßer Fusionsanlagen dies leicht verkraftet, könnte in Großanlagen wie ITER insbesondere der “Divertor“ – speziell ausgerüstete Prallplatten am Boden des Gefäßes, auf welche die Plasma-Randschicht magnetisch hingelenkt wird – überlastet werden. Ein Dauerbetrieb wäre so undenkbar.

Gänzlich unwillkommen ist diese ELM-Instabilität jedoch nicht, weil sie unerwünschte Verunreinigungen aus dem Plasma herauswirft. Statt der üblichen starken ELM-Einschläge ist deshalb das Ziel: schwächere und dafür häufigere ELMs. Die eigentlich im letzten Jahr fällig gewesene 300 Millionen Euro-Entscheidung darüber, wie dieses Maßschneidern bei ITER erreicht werden könnte, hatte das ITER-Team vertagt, um den Einbau der Regelspulen an ASDEX Upgrade abzuwarten. Denn andere Fusionsanlagen waren mit ähnlichen Spulen zu widersprüchlichen Resultaten gekommen.

Hier ebnen die Experimente an ASDEX Upgrade den Weg zur Klarheit: Kurz nachdem der Strom in den neuen Kontrollspulen eingeschaltet wird, schwächen sich die ELM-Einschläge auf harmlose Stärke ab. Sie werden jedoch häufig genug, um die Ansammlung von Verunreinigungen im Plasma zu verhindern. Auch der gute Einschluss des Hauptplasmas bleibt erhalten. Ihre ursprüngliche Schlagkraft gewinnen die ELMs erst bei abgeschaltetem Spulenfeld wieder zurück. Mit diesem experimentellen Ergebnis ist die Frage, wie die im ITER-Plasma erzeugte Energie auf verträgliche Weise ausgekoppelt werden kann, ihrer Antwort ein großes Stück näher gekommen.

Allerdings ist das Ziel noch nicht ganz erreicht: Komplett lässt sich der Plasmarand von ITER in kleineren Anlagen wie ASDEX Upgrade nämlich nicht simulieren. Umso wichtiger ist es, die der ELM-Unterdrückung zugrunde liegenden Vorgänge genau zu verstehen – was ausgefeilte Messgeräte zum Beobachten und eine leistungsfähige Theorie-Abteilung für die Erklärung voraussetzt. Die bislang im IPP erarbeitete physikalische Theorie passt zwar zu den jetzigen Ergebnissen, muss jedoch noch geprüft und erweitert werden. Bis zur 2012 anstehenden Entscheidung bei ITER hat man Zeit, das Problem für den Testreaktor – und für ein künftiges Fusionskraftwerk – zu lösen.

Die Möglichkeiten der Kontrollspulen an ASDEX Upgrade sind dann jedoch noch lange nicht ausgereizt: Acht weitere Spulen sollen ab 2012 eine Vielzahl neuer Untersuchungen möglich machen.

Max-Planck-Institut fuer Plasmaphysik (IPP)
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Isabella Milch Max-Planck-Institut

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