Physiker finden Verwandte von Schrödingers Katze

Hyperwürfel-Zustände bestehen aus mehreren Quantensupositionen, die die Ecken von multidimensionalen Würfeln abbilden. Credit: EQUS

Quantenmechanische Phänomene decken sich selten mit unseren Alltagserfahrungen und scheinen oft schlicht absurd.

Bereits 1935 machte Erwin Schrödinger, einer der Väter der Quantenmechanik, dies in einem berühmten Gedankenexperiment sehr deutlich, in dem eine Katze in einer skurrilen Quantensuperposition von tot und lebendig landet.

Die Katze ist dabei weder das eine noch das andere (und auch nicht beides gleichzeitig), sondern in einem sensiblen neuartigen Quantenzustand, wenigstens solange niemand nachsieht.

Doch Schrödinger schuf mit seiner Katze nicht nur eine absurde Geschichte, sondern auch einen wichtigen Baustein für moderne Quantentechnologien von Quantencomputern bis zu extrem sensiblen Sensoren.

Forscher weltweit arbeiten daran Schrödingers Katze in Quantensystemen wie einzelnen Atomen oder Lichtteilchen nachzubilden. „Bringt man ein Quantensystem in solch eine Superposition von zwei klassischen Zuständen, so bilden sich sensible Interferenzphänomene, welche man für Quantentechnologie nutzen kann“, erklärt Martin Ringbauer vom Institut für Experimentalphysik von der Universität Innsbruck.

Man kann sich dies vorstellen wie eine Überlagerung von Wasserwellen, die entsteht, wenn man zwei Steine gleichzeitig ins Wasser wirft.

Quanten Hyperwürfel

Schrödingers Katze ist nicht die einzige ihrer Art: 2001 wurde mit dem sogenannten Kompasszustand ein erster Verwandter entdeckt. Dieser Zustand besteht aus einer Superposition von nicht zwei, sondern vier klassischen Zuständen, welche wie die Hauptrichtungen eines Kompasses angeordnet sind.

Schrödingers Katze und Kompasszustände sind jedoch nur der Anfang, berichtet nun ein internationales Team von Physikern aus Österreich, Australien und dem Vereinigten Königreich.

Sowohl Schrödingers Katze als auch der Kompass sind Teil einer unendlich großen Familie von Zuständen, die aus Superpositionen bestehen, deren klassische Bausteine die Ecken von multi-dimensonalen Hyperwürfeln darstellen.

„Wir haben diese Hyperwürfel-Zustände fast zufällig entdeckt, als wir mit winzigen Membranen experimentierten, um Zustände für neuartige Quantensensoren zu entwickeln“, erzählt Ringbauer.

Von Hyperwürfeln zu Quantensensoren

„Die Auflösung eines Sensors ist zu einem großen Teil durch dessen Skala bestimmt. Will man einen sehr genauen Maßstab erreichen, müssen die Abstände zwischen den Markierungen sehr klein sein. Versucht man jedoch diese Abstände kleiner und kleiner zu machen, stößt man früher oder später an eine quantenmechanische Grenze – das Heisenbergsche Unschärfeprinzip“, erläutert Ringbauer.

Quanten Hyperwürfel Zustände können diese Grenze umgehen, in dem sie sich Quanteninterferenz zu Nutze machen. „Am Beispiel der Steine im Wasser sieht man, dass selbst große Steine in der Überlagerung der Wellen zu feinen Mustern führen. Diese können durchaus deutlich kleiner sein als die Steine, die sie auslösen.

Ähnlich ist es bei Quantenzuständen: Selbst wenn die Zustände an den Ecken der Hyperwürfel eine Mindestgröße haben, so ergeben sich dennoch immer feinere Interferenzmuster, je höher die Dimension des Hyperwürfels wird“, sagt Ringbauer.

Dies macht Hyperwürfel-Zustände zu vielversprechenden Kandidaten für die Konstruktion neuartiger Quantensensoren, in denen die feinen Interferenzmuster die Rolle der Markierungen des Maßstabes übernehmen.

Die Arbeit ist im Fachmagazin Physical Review Letters erschienen und wurde unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und der Europäischen Union finanziell unterstützt.

Dr. Martin Ringbauer
Institut für Experimentalphysik
Universität Innsbruck
Tel.: +43 512 507 52458
E-Mail: martin.ringbauer@uibk.ac.at

Quantum Hypercube States. L. A. Howard, T. J. Weinhold, F. Shahandeh, J. Combes, M. R. Vanner, A. G. White, and M. Ringbauer. Phys. Rev. Lett. 123, 020402
https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.123.020402

Media Contact

Dr. Christian Flatz Universität Innsbruck

Weitere Informationen:

http://www.uibk.ac.at

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