Neue Umwandlung von Neutrinos nachgewiesen

ND280-Detektor des «T2K»-Experiments zur Vermessung des Neutrino-Strahls nahe der Strahlenquelle. Zu sehen ist das Eisenjoch des Magneten (rot), der den eigentlichen Detektor umschliesst (nicht sichtbar). Der Detektor befindet sich rund 17 Meter unter der Erdoberfläche, ist 7 Meter hoch und wiegt zirka 1'000 Tonnen.<br>Bild: M. Nirkko, Universität Bern<br>

Das Bild um die rätselhaften Neutrinos wird klarer: Wie heute beim Treffen der «European Physical Society» in Stockholm bekannt gegeben wurde, konnte beim «T2K-Experiment» in Japan nun die Umwandlung von sogenannten Myon-Neutrinos in Elektron-Neutrinos definitiv nachgewiesen werden.

Bereits 2011 berichtete die internationale T2K-Kollaboration, an der auch das «Albert Einstein Center for Fundamental Physics» (AEC) der Universität Bern beteiligt ist, dass sie Hinweise auf die Umwandlung dieser Elementarteilchen gefunden hat. Diese Hinweise wurden nun mit einer entscheidenden Signifikanz von 1 zu 16 Trillionen bestätigt, was 7.5 Sigma entspricht. Diese spezifische Einheit im Vergleich: Die Entdeckung des Higgs-Teilchens wurde mit einer niedrigeren Signifikanz von 5 Sigma nachgewiesen.

Myon-Neutrinos losgeschickt und Elektron-Neutrinos empfangen

Beim T2K-Experiment in Japan wird ein Strahl von Myon-Neutrinos am «Japan Proton Accelerator Research Complex» (J-PARC) in Tokai nördlich von Tokyo produziert, und, knapp 300 Kilometer entfernt, durch den «Super-Kamiokande-Detektor» vermessen. In diesem wird nachgewiesen, dass sich mehr Elektron-Neutrinos im Myon-Neutrinostrahl befinden als am Start – somit fand unterwegs eine Umwandlung von Myon- zu Elektron-Neutrinos statt.

Im Experiment wurde nun zum ersten Mal dieser neue Typ von Neutrino-Oszillationen mittels Myon-Neutrinostrahl beobachtet. Neutrino-Oszillationen zwischen anderen Neutrino-Sorten – Myon-Neutrinos zu Tau-Neutrinos – wurden schon vor einigen Jahren erfolgreich beobachtet, ebenfalls mit Berner Beteiligung am internationalen OPERA-Experiment.

Berner Gruppe macht Teilchen-Kontrolle am Anfang

Um eine solche Messung durchführen zu können, ist eine exakte Kenntnis der Eigenschaften des Neutrinostrahls – die Energie der Neutrinos, die Anzahl der vor dem Umwandlungsprozess bereits vorhandenen Elektron-Neutrinos und weitere Faktoren – notwendig. Hierzu befindet sich in unmittelbarer Nähe zur Strahlquelle ein Komplex aus mehreren Detektoren. Die Forschenden hatten vor Beginn der Messungen einen Magneten installiert, der die Teilchen identifiziert und den kompletten Detektor umschliesst.

Unter der Leitung von Prof. Antonio Ereditato vom AEC arbeitet die Berner Gruppe am grössten dieser Detektoren mit, sie ist ebenfalls an der Analyse der entsprechenden Daten beteiligt. Neben der Vermessung des Neutrinostrahls werden verschiedene Reaktionen von Neutrinos mit Materie im Detail untersucht. Diese sind nicht nur für die Analyse des T2K-Experiments, sondern auch für andere Experimente in der Neutrinophysik von Bedeutung.

«Die Beobachtung dieser sogenannten Neutrino-Oszillationen ist wichtig für unser Verständnis von der Entstehung des Universums», sagt Antonio Ereditato. Eines der grössten, noch ungeklärten Rätsel der Wissenschaft sei bis heute, warum beim Urknall mehr Materie als Antimaterie erzeugt wurde. Eine solche Asymmetrie wurde bereits im Bereich der Quarks nachgewiesen, jedoch reicht der Effekt nicht aus, um das Rätsel zu lösen.

Neutrino-Oszillationen könnten bald wichtige Hinweise über eine ähnliche Asymmetrie liefern und damit das Verständnis über die Entstehung des Universums verbessern. Der nun beobachtete neue Typ von Neutrino-Oszillationen vervollständigt die notwendigen Grundlagen zur Messung der Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie durch Neutrinos. Die Resultate haben auch Auswirkungen auf die allgemeine Physik: «Die Messungen der Umwandlung von Neutrinos in eine andere Neutrino-Art zeigen, dass das Standardmodell der Physik erweitert werden muss», so Ereditato.

Das T2K-Experiment in Japan

Das Neutrino-Experiment produziert an der Ostküste Japans in Tokai einen hochenergetischen Myon-Strahl und schiesst diesen rund 300 Kilometer durch die japanischen Berge, wo der «Super-Kamiokande-Detektor» die Spuren der eintreffenden Teilchen misst. «T2K» steht für «Tokai to Kamiokande». Bereits 280 Meter nach dem Start wird der Strahl von einem ersten Detektor gemessen, dem «near detector 280 (ND280). An der Installation und der Auswertung der Daten von ND280 sind die Berner Forschenden massgeblich beteiligt. Weitere grosse Neutrino-Experimente, an denen die Berner Teilchenpyhsiker mitarbeiten, sind OPERA, EXO-200 und MicroBooNE.

Media Contact

Nathalie Matter Universität Bern

Weitere Informationen:

http://www.unibe.ch

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