Neue Hinweise auf exotisches Teilchen: Quarks im Sechserpack

Der Wirkungsquerschnitt  (normierte Häufigkeit der Ereignisse) der Fusionsreaktion Neutron + Proton → Deuteron + 2 Pionen zeigt ein resonanzartiges Verhalten bei Änderung der Energie s, d.h. eine Reso-nanzkurve, wie man sie auch aus elementaren Schülerversuchen zu erzwungenen Schwingungen einer Feder oder eines elektrischen Schwingkreises kennt. Universität Tübingen, Physikalisches Institut<br>

Ein 50 Jahre altes Rätsel hat Teilchenphysiker unter der Leitung von Professor Heinz Clement von der Universität Tübingen eventuell auf die Fährte eines exotischen Teilchens im Reich der Bausteine der Materie geführt. Normale Materie, aus der wir, aber auch Planeten und Sterne bestehen, setzt sich aus Atomen zusammen, die in ihrer Mitte einen winzig kleinen Kern, den Atomkern beherbergen. Dieser besteht seinerseits aus den Kernbausteinen Proton und Neutron, die sich wiederum aus Quarks zusammensetzen, den nach heutigem Wissensstand elementaren Bausteinen der Materie. Bisher kennt man nur Zustände, bei denen die Quarks im Dreierpack vorkommen.

Gemäß der grundlegenden Theorie der Starken Kraft, können Quarksysteme innerhalb der Reichweite der Starken Kraft von einem billionstel Millimeter (10-15 m) nur in Vielfachen von drei vorkommen – also auch z.B. im Sechser-pack. Obwohl seit mehr als 30 Jahren derartige Sechserpacks theoretisch vorhergesagt werden, konnten bisher experimentell nur Quark-systeme im Dreierpack gefunden werden.

Bei dem Versuch, ein völlig anderes seit 50 Jahren ungelöstes Rätsel um den ominösen ABC-Effekt, der 1960 von Abashian, Booth und Crowe in einer bestimmten Art von Kernfusionen gefunden wurde, aufzuklären, hat die Tübinger Arbeitsgruppe um Heinz Clement am Physikalischen Institut Erstaunliches festgestellt, nämlich dass diese Art von Fusionsreaktion eine Resonanzstruktur aufweist. Dies gilt insbesondere für die fundamentalste Fusionsreaktion dieser Art, bei der die Kernbausteine Proton und Neutron zu einem Deuteron verschmelzen (unter Aussendung zweier weiterer Teilchen). Eine Resonanz bedeutet in der Physik immer das Vorhandensein eines dem System innewohnenden Zustands („Eigenzustand“), in der Teilchenphysik insbesondere die Existenz eines Teilchens. Im vorliegenden Fall ist das Auftreten einer Resonanz insofern ungewöhnlich, als bisher trotz intensiver Suche in den Zwei-Nukleon-Systemen Proton-Neutron, Proton-Proton und Neutron-Neutron keinerlei Resonanzen gefunden wurden. Zudem deuten die gemessenen Eigenschaften dieser Resonanzstruktur auf einen Zustand höchster innerer Symmetrie.

Die Experimente dazu wurden im Rahmen der internationalen WASA-at-COSY-Kollabo-ration (120 Wissenschaftler aus 6 Ländern) am Teilchenbeschleuniger COSY im Forschungszentrum Jülich unter Tübinger Leitung durchgeführt. Die Ergebnisse sind jüngst in der renommierten Fachzeitschrift Physical Review Letters (Phys. Rev. Lett. 106, 242302 (2011)) erschienen und dies sogar auf der Titelseite dieser Ausgabe.

Bisher sind alle konventionellen Erklärungsversuche der beobachteten Resonanzstruktur fehl-geschlagen. Ob es sich allerdings bei diesem Teilchen tatsächlich um einen exotischen Quark-zustand im Sechserpack oder um einen eher konventionellen molekülartigen Zustand handelt, muss durch weitere Experimente überprüft werden. Weitere Messungen dazu stehen am Jülicher Teilchenbeschleuniger bereits an.

Ansprechpartner:
Prof. Heinz Clement, Sprecher des Experiments
Universität Tübingen
Physikalisches Institut
Telefon +49 7071 29-76352
clement@pit.physik.uni-tuebingen.de
Universität Tübingen
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