Unter die Lupe genommen: Der Toby-Jug-Nebel

Aufnahme des Toby-Jug-Nebels vom Very Large Telescope der ESO<br>Bild: ESO <br>

Diese Ansicht zeigt die charakteristische Bogenstruktur des Nebels, der tatsächlich einem Krug mit einem Henkel ähnelt. Die primär im angelsächsischen Kulturkreis anzutreffenden Toby-Jugs oder Toby-Krüge in Gestalt einer Person dienten früher dem Ausschank von Bier und sind heute beliebte Sammelobjekte.

Der Toby-Jug-Nebel, der offiziell als IC 2220 bekannt ist, befindet sich etwa 1200 Lichtjahre von der Erde entfernt im südlichen Sternbild Carina (der Schiffskiel) und ist ein schönes Beispiel für einen Reflexionsnebel. Dabei handelt es sich um eine Wolke aus Gas und Staub, die von innen heraus durch einen Stern beleuchtet wird. Im Falle von IC 2220 ist das der Stern HD 65750. Er gehört zum Typ der Roten Riesen und besitzt die fünffache Masse unserer Sonne. Obwohl er mit seinen 50 Millionen Jahren vergleichsweise jung ist, befindet er sich in einem deutlich fortgeschrittenem Stadium seines Lebens [1].

Der Nebel selber wurde von dem Stern geschaffen, da er kontinuierlich einen Teil seiner Masse an die Umgebung verliert. Dabei entsteht eine Wolke aus Gas und Staub, sobald das Material sich abkühlt. Der Staub besteht aus Elementen wie Kohlenstoff und einfachen, hitzeresistenten Bestandteilen wie Titandioxid und Kalziumoxid (Kalk). In diesem Fall haben detaillierte Untersuchungen des Objekts im Infrarotlicht gezeigt, dass Siliziumdioxid (Quarz) wohl der Bestandteil ist, der am wahrscheinlichsten für die Reflexion des Sternlichts verantwortlich ist.

IC 2220 ist nur sichtbar, weil das Licht des Sterns von den Staubkörnern reflektiert wird. Der kosmische Schmetterling ist nahezu symmetrisch und hat einen Durchmesser von etwa einem Lichtjahr. Diese Phase im Leben eines Sterns ist kurz, daher sind Objekte dieser Art selten.

Rote Riesen entstehen aus alternden Sternen, die sich der letzten Stufe ihrer Entwicklung nähern. Sie haben ihren Vorrat an Wasserstoff, der die Kernreaktionen befeuert, die die meiste Zeit ihres Lebens im Inneren des Sterns ablaufen, fast verbraucht. Dies führt zu einer enormen Ausdehnung der Sternatmosphäre. Sterne wie HD 65750 besitzen über einem Kohlenstoff-Sauerstoff-Kern eine Schale, in der sie Helium fusionieren. Manchmal besitzen sie zusätzlich auch eine Schale näher an der Sternoberfläche, in noch Wasserstoffbrennen stattfindet.

In einigen Milliarden Jahren wird sich auch unserer Sonne zu einem solchen Roten Riesen aufblähen. Man erwartet, dass die Sonnenatmosphäre sich dann deutlich über die heutige Umlaufbahn der Erde hinaus aufbläht und so alle inneren Planeten verschlingt. Zu diesem Zeitpunkt wird sich die Erde schon im einem ziemlich schlechten Zustand befinden. Die ungeheure Zunahme an Strahlung und die starken Sonnenwinde, die das Aufblähen der Sonne begleiten werden, werden alles Leben auf der Erde zerstören und das Wasser in den Ozeanen verdampfen, bevor der gesamte Planet schließlich geschmolzen wird.

Die britischen Astronomen Paul Murdin, David Allen und David Malin gaben IC 2220 wegen seiner Ähnlichkeit zu einem alten englischen Trinkgefäß, das typischerweise als Toby-Krug (engl. Toby Jug) bezeichnet wird und den sie aus ihrer Jugend kannten, den Spitznamen Toby-Jug-Nebel.

Dieses Bild wurde im Rahmen des Cosmic Gems-Programm der ESO erstellt [2].

Endnoten

[1] Sterne mit einer höheren Masse durchlaufen ihr Leben viel schneller als massearme Sterne wie unsere Sonne, deren Lebensdauer in Milliarden anstatt in Millionen Jahren gemessen wird.

[2] Dieses Bild stammt aus dem Cosmic Gems-Programm (wörtlich „kosmische Edelsteine“), einer ESO-Initiative zur Erstellung von astronomischen Aufnahmen für Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Das Programm nutzt hauptsächlich Zeiten, während derer die Beobachtungsbedingungen nicht den strengen Ansprüchen wissenschaftlicher Beobachtungsarbeit genügt, um Bilder von interessanten, faszinierenden oder von Himmelsobjekten anzufertigen, die einfach schön anzusehen sind. Die Bilddaten sind anschließend im wissenschaftlichen Archiv der ESO für jedermann zugänglich. Auch professionelle Astronomen können sie für ihre Zwecke nutzen.

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