Licht- und Schattenseiten eines Sternentstehungsgebietes

Die H II-Region Gum 19 <br>Bild: ESO<br>

Auf der hellen Seite des Nebels wird heißes Wasserstoffgas von einem blauen Überriesenstern namens V391 Velorum angestrahlt. Inmitten des Bandes von dunklem und aufgehelltem Nebelmaterial – im Bild links von V391 Velorum – entstehen weitere Sterne.

In vielen tausend Jahren, wenn diese jungen Sterne „erwachsen“ geworden sind, dürften sie – und der Umstand, dass der Stern V391 sein Dasein bis dahin in einer Supernovaexplosion beendet haben dürfte – das janusköpfige Aussehen von Gum 19 völlig verändern.

Gum 19 befindet sich in einer Entfernung von ungefähr 22.000 Lichtjahren im Sternbild Vela („Segel des Schiffs“). Der Name des Nebels beruht auf dem ersten bedeutenden Verzeichnis so genannter H II-Regionen (sprich: H-zwei) am Südhimmel, veröffentlicht im Jahre 1955 von dem australischen Astrophysiker Colin S. Gum.5. . „H II“ bezeichnet dabei ionisierten Wasserstoff, also Wasserstoffgas, das so stark angeregt wurde, dass die Atome ihre Elektronen verloren haben. Solche Nebelgebiete senden Licht bei ganz bestimmten Wellenlängen aus, die jeweils einer ganz bestimmten Farbe entsprechen.

Auf diese Weise ergibt sich das charakteristische Leuchten solcher kosmischen Wolken. in einiger Hinsicht ähneln H II-Regionen den uns vertrauten Wolken am Himmel: Im Laufe der Zeit verändern sich ihre Formen und Strukturen – allerdings äußerst langsam, so dass sich während vieler menschlicher Generationen keinerlei Änderungen feststellen lassen. Zur Zeit erinnert das Aussehen von Gum 19 an einen „Riss in der Raumzeit“ nach Art von Science-Fiction-Filmen: Ein schmaler und fast gerader heller Bereich zieht sich durch den gesamten Nebel. Alternativ erinnert der Nebel an einen einen Pfeil mit einer dunklen Spitze.

Dieses neue Bild von Gum 19 wurde mit dem Infrarotinstrument SOFI am New Technology Telescope (NTT) der ESO aufgenommen, das sich auf dem La Silla-Observatorium in Chile befindet. SOFI steht für Son of ISAAC (wörtlich „Sohn von ISAAC“). Die Kombination aus Infrarotkamera und Spektrograf ist nach dem „Vater“-Instrument ISAAC benannt, das am zweiten Observatorium der ESO eingesetzt wird , dem Very Large Telescope auf dem Berg Paranal, der etwa 500 km nördlich von La Silla liegt. Die Beobachtung des Nebels im Infrarotlicht ermöglicht es den Astronomen, zumindest durch einen Teil des Staubes hindurchzusehen, aus dem der Nebel besteht.

Verantwortlich für das Leuchten von Gum 19 ist der extrem heiße Stern V391 Velorum. Er hat eine enorme Oberflächentemperatur von gut 30.000°C und strahlt am intensivsten im blauen Bereich des sichtbaren Lichtes. V391 Velorum ist ein massereicher und in gewisser Weise auch launenhafter – im Sprachgebrauch der Astronomen: ein veränderlicher – Stern: Seine Helligkeit ist in unregelmäßigen Abständen merklichen Schwankungen unterworfen. Durch wiederholtes Abstoßen seiner Außenhülle fügt der Stern außerdem Material zu Gum 19 hinzu und regt den Nebel zum Leuchten an.

Helle Sterne wie V391 Velorum . explodieren nach einer relativ kurzen Lebensdauer von etwa zehn Millionen Jahren als Supernovae. Solch eine Explosion kann für kurze Zeit heller als eine ganze Galaxie sein; in ihrem Verlauf stößt der Stern große Mengen aufgeheizten Materials in die Umgebung ab. Ein solches Ereignis wird Farbe und Form des umliegenden Nebels vollkommen verändern. Gum 19 dürfte nach dem Todeskampf von V391 Velorum nicht mehr wiederzuerkennen sein.

In der unmittelbaren Nachbarschaft des unbeständigen Überriesen V391 Velorum wachsen neue Sterne heran. In der Tat kennzeichnen H II-Regionen Gebiete, in denen große Mengen Gas und Staub begonnen haben unter ihrer eigenen Schwerkraft zusammenfallen. In einigen Millionen Jahren – in kosmischem Maßstab nur ein Wimpernschlag – werden die Zentren dieser langsam schrumpfenden Verklumpungen schließlich eine genügend hohe Dichte erreicht haben, dass Kernfusionsreaktionen zünden: Ein Stern ist entstanden. Die Energie und die Teilchenströme, die diese neugeborenen Sterne abgeben, werden in der Gaslandschaft von Gum 19 Spuren ganz eigener Art hinterlassen.

Hintergrundinformationen:

Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 14 Mitgliedsländer: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts, sowie VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt. Die ESO ist der europäische Partner für den Aufbau des Antennenfelds ALMA, das größte astronomische Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO das European Extremely Large Telescope (E-ELT) für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, mit 42 Metern Spiegeldurchmesser ein Großteleskop der Extraklasse.

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsstaaten (und einigen weiteren Ländern) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg.

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