Higgs-Teilchen ist eher ein Leichtgewicht: Fermilab-Experimente geben neue Hinweise

Für ihre Suche nach dem mysteriösen Higgs-Teilchen haben die Physiker neue Anhaltspunkte bekommen. Demnach ist das Teilchen eher leichter, jedenfalls nicht ganz so schwer, wie es nach dem bisherigen Kenntnisstand auch hätte sein können.

Bislang war bekannt, dass die Masse des Higgs-Teilchens nicht unter einem Wert von 114 Giga-Elektronenvolt (GeV) liegen kann, das Teilchen also mehr als 114 Mal so schwer sein muss wie ein Proton. Als Obergrenze wurden 185 GeV angenommen. Forscher der Universität Mainz haben nach diesem Higgs-Teilchen mit einem Experiment am Forschungszentrum Fermilab bei Chicago gesucht. Die Ergebnisse lassen nun den Schluss zu, dass die Masse des Higgs-Bosons tatsächlich nicht weit von der 114-GeV-Grenze entfernt liegt.

„Auch wenn wir das Higgs-Teilchen noch nicht wirklich beobachten konnten, so leisten die Experimente einen wichtigen Beitrag, um es festzunageln“, sagt Univ.-Prof. Dr. Volker Büscher vom Institut für Physik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. „Damit wissen wir genauer, wo wir künftig suchen müssen“, so Univ.-Prof. Dr. Stefan Tapprogge, der als Physiker ebenso wie Büscher an dem Fermilab-Experiment beteiligt ist.

Das Higgs-Teilchen, oder auch Higgs-Boson, ist für die Physiker unerlässlich, um die Masse von Materie zu erklären. Nach dem Standardmodell der Physik setzt sich unsere materielle Welt aus zahlreichen Elementarteilchen zusammen, die mittlerweile auch alle entdeckt wurden. Was allerdings noch fehlt, ist das Higgs-Teilchen, das all den anderen erst ihre Masse verleiht und ohne das kein Elementarteilchen ein Gewicht hätte. Seit über 40 Jahren, als der britische Physiker Peter Higgs den Mechanismus vorgeschlagen hatte, suchen die Teilchenphysiker weltweit nach diesem bisher unauffindbaren Objekt, das unsere sichtbare Welt erst zu dem macht, was sie ist.

Der Tevatron-Beschleuniger am Fermilab, der noch immer leistungsfähigste Teilchenbeschleuniger weltweit, ist zurzeit der einzige Ort, an dem das Higgs-Boson produziert werden kann. Es entsteht bei Kollisionen von Protonen und Antiprotonen, die an den beiden Detektoren CDF und D0 studiert werden. Dabei suchen die Physiker nach Higgs-Bosonen mit beliebiger Masse. Ob und wie sich ein Higgs-Boson im Detektor zeigt, hängt stark von seiner Masse ab. Nun konnte erstmals gezeigt werden, dass die Masse des Higgs-Bosons nicht im Bereich von 160 bis 170 GeV liegen kann. „Higgs-Teilchen mit kleineren Massen sind am Tevatron schwieriger nachzuweisen, aber die Suche in diesen Bereichen geht nun verstärkt weiter“, erläutert Tapprogge.

Zusätzlich gab es in den letzten Tagen ein weiteres neues Ergebnis. Die Masse des W-Bosons, eines der Teilchen im Standardmodell und Träger der schwachen Wechselwirkung, wurde am D0-Experiment mit bisher unerreichter Genauigkeit neu vermessen. „Interessanterweise lässt sich aus diesem Wert indirekt darauf schließen, dass die Masse des Higgs-Bosons vergleichsweise klein ist. Beide Ergebnisse zusammen ergeben ein konsistentes Bild von einem leichten Higgs-Boson, dessen Masse nahe der bisherigen Grenze von 114 GeV liegen muss“, erklärt Büscher.

Die Suche nach dem Higgs-Boson wird nun weitergehen, aber nicht nur in Chicago. Büscher und Tapprogge sowie zahlreiche weitere Physiker der Universität Mainz arbeiten nicht nur am D0-Experiment am Tevatron, sondern auch am ATLAS-Experiment in Genf mit. Dieses ist der größte der vier Detektoren am neuen Beschleuniger LHC des Teilchenforschungszentrums CERN. Sobald der LHC seinen Betrieb aufnimmt, womit im Herbst gerechnet wird, werden auch die dort versammelten Physiker aus aller Welt mit der Jagd nach dem alles verbindenden, noch fehlenden Glied in der Teilchen-Kette beginnen. „Die Einschränkung des Massenbereichs zeigt sehr deutlich, wo wir am LHC hinschauen müssen“, sagt Büscher. „Der LHC ist in der Lage, das Higgs-Boson im gesamten Massenbereich zu finden.“ Der Mainzer Teilchenphysiker schließt nicht aus, dass sich am Tevatron in den nächsten Jahren erste Hinweise auf ein Higgs-Boson mit niedriger Masse finden lassen. „Aber der wirkliche Nachweis und die weitergehenden Untersuchungen werden erst am LHC möglich sein.“

Kontakt und Informationen:
Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Volker Büscher
Experimentelle Teilchen- und Astroteilchenphysik
Institut für Physik
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel. 06131 39-20399
Fax 06131 39-25169
E-Mail: buescher@uni-mainz.de

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Petra Giegerich idw

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