Heißes Plasmazentrum, kalter Rand – ein Meisterstück der Regelkunst

Blick in das viele Millionen Grad heiße Plasma der Fusionsanlage ASDEX Upgrade in Garching. Der Plasmarand wird auf die speziell ausgerüsteten Divertor-Platten am Boden gelenkt.<br>Foto: IPP<br>

Weltrekord für die Heizleistung – bezogen auf die Anlagengröße – hat die Fusionsanlage ASDEX Upgrade im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching erreicht: Ermöglicht hat dies eine raffinierte Steuerung.

Weltweit einmalig, stellt eine schnelle Rückkopplungsregelung sicher, dass einerseits die gewünschten, viele Millionen Grad heißen Hochleistungsplasmen erzeugt werden, andererseits die Wand des Plasmagefäßes nicht überlastet wird – ein wichtiges Ergebnis auf dem Weg zu einem Fusionskraftwerk.

Ein Fusionskraftwerk soll – ähnlich wie die Sonne – aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie gewinnen. Der Brennstoff – ein dünnes ionisiertes Wasserstoffgas, ein „Plasma“ – muss dazu nahezu berührungsfrei in einem Magnetfeldkäfig eingeschlossen werden. So lässt sich das ultradünne Gas auf Zündtemperaturen über 100 Millionen Grad aufheizen.

Eine der großen Herausforderungen ist es, eine verträgliche Wechselwirkung zwischen dem Plasmagefäß und dem darin schwebenden heißen Plasma zu erreichen. Besondere Aufmerksamkeit ist an den Stellen nötig, an denen das Plasma Wandkontakt hat: Ein spezielles Magnetfeld, das Divertorfeld, lenkt den äußeren Rand des ringförmigen Plasmas gezielt auf besonders robuste, gekühlte Platten am Boden des Gefäßes.

Auf diese Weise werden störende Verunreinigungen aus dem Plasma entfernt. Zugleich wird die Gefäßwand geschont und außerdem der heiße Innenbereich des Plasmas wirksam von der kälteren Hülle getrennt: Die vom Divertorfeld geformte Randschicht hüllt das Zentralplasma wie ein wärmender Mantel ein – die Voraussetzung für gute Wärmeisolation.

Die für ein Kraftwerk angezielte Wärmebelastung der Divertorplatten liegt bei 5 Megawatt pro Quadratmeter. Um diesen Wert nicht zu überschreiten, gilt es, den Plasmarand möglichst kalt einzustellen – und dennoch im Zentrum 150 Millionen Grad zu halten. Für die nötige Wärmeisolation sorgt vor allem das schalenfömig aufgebaute Magnetfeld, das den Transport von Teilchen aus dem heißen Plasmazentrum nach außen extrem bremst. Dem wurde an ASDEX Upgrade noch nachgeholfen. Der Plasmarand wurde aktiv gekühlt: durch Einblasen kleiner Mengen von Argon in die Hauptkammer und Stickstoff direkt vor den Divertorplatten.

Die eingeblasenen Verunreinigungsteilchen werden beim Kontakt mit dem heißen Plasma zum Leuchten angeregt. So schaffen sie die Energie auf sanfte Weise als Ultraviolett- oder Röntgenlicht aus dem Plasma. Anders als im heißen Zentrum, wo diese abkühlende Wirkung von Verunreinigungen vermieden werden muss, ist sie am Rand des Plasmas sehr nützlich: Bevor die schnellen Plasmateilchen auf den Divertorplatten aufprallen, haben sie ihre Energie bereits an die Stickstoff- und Argon-Atome verloren.

Die Methode für den Weltrekord
Die so in dem vergleichsweise kleinen Plasma deponierte Heizleistung ist Weltrekord: Bislang unerreichte 14 Megawatt pro Meter betrug die auf den Anlagenradius bezogene Heizleistung, ohne die Divertorplatten über den gewünschten Wert hinaus zu belasten.

Um in allen Phasen der zehn Sekunden langen Entladung den Wärmefluss auf die Divertorplatten exakt einzustellen, wurden Stickstoff- und Argonzufuhr unabhängig voneinander über eine ausgeklügelte – weltweit einmalige – Rückkopplungs-Regelung in Echtzeit gesteuert. Messgeräte registrieren dazu die im Hauptraum und im Divertor am Plasmarand abgestrahlte Energie, woraus der Leistungsfluss auf die Divertorplatten berechnet wird. Ist er zu hoch, wird sofort mehr Stickstoff oder Argon eingeblasen. Kommt zu wenig Leistung an, werden innerhalb von Millisekunden die Gasventile gedrosselt.

Mit diesem Regelungsmeisterstück bleibt die Divertorbelastung – trotz der hohen Heizleistung von 23 Megawatt für das Drei-Milligramm-Plasma von ASDEX Upgrade – stets im Zielbereich für ein späteres Kraftwerk. Zugleich weisen die Plasmen im Zentrum die gewünschte hohe Reinheit, hohe Temperatur und gute Wärmeisolation auf. „Wir sind zuversichtlich“, sagt Projektleiter Prof. Dr. Arne Kallenbach, „dass mit diesem Verfahren auch die viel höheren Leistungsflüsse in einem späteren Kraftwerk zu bewältigen sind“.

Media Contact

Isabella Milch Max-Planck-Institut

Weitere Informationen:

http://www.ipp.mpg.de/

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