Gigantisches Schwarzes Loch könnte Modelle der Galaxienentwicklung kippen

Aufnahme der Scheibengalaxie NGC 1277 mit dem Weltraumteleskop Hubble. Das Zentrum dieser kleinen, abgeflachten Galaxie enthält eines massereichsten Schwarzen Löcher, das jemals gefunden wurde. Mit 17 Milliarden Sonnenmassen ist das Schwarze Loch für beeindruckende 14% der Gesamtmasse der Galaxie verantwortlich.<br><br>Bild: NASA / ESA / Andrew C. Fabian / Remco C. E. van den Bosch (MPIA)<br>

Mit 17 Milliarden Sonnenmassen ist das Schwarze Loch im Vergleich zur Masse seiner Heimatgalaxie deutlich massereicher, als es diese Modelle vorhersagen. Dies könnte sogar das massereichste bislang bekannte Schwarze Loch überhaupt sein.

Nach bestem Wissen der heutigen Astronomen sollte jede Galaxie in ihrer Zentralregion ein sogenanntes supermassereiches Schwarzes Loch aufweisen: ein Schwarzes Loch mit einer Masse zwischen einigen hunderttausend und Milliarden von Sonnenmassen. Das am besten untersuchte Exemplar mit rund vier Millionen Sonnenmassen sitzt im Zentrum unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße.

Untersuchungen der Massen von Galaxien und ihrer Schwarzen Löcher haben einen interessanten Zusammenhang aufgedeckt: eine direkte Verbindung zwischen der Masse des zentralen Schwarzen Lochs einer Galaxie und der Masse ihrer Sterne. Typischerweise kommt das Schwarze Loch dabei auf einen winzigen Bruchteil der Gesamtmasse der Galaxie.

Jetzt hat freilich eine systematische Suche, die von Remco van den Bosch (MPIA) geleitet wird, ein supermassereiches Schwarzes Loch ausfindig gemacht, das die allgemein akzeptierte Beziehung zwischen Schwarzloch- und Galaxienmasse aushebeln könnte – eine Beziehung, die eine wichtige Rolle in allen derzeit gängigen Modellen der Galaxienentwicklung spielt. Der Fund gelang mit Hilfe von Beobachtungen mit dem Hobby-Eberly Telescope und archivierten Bildern des Weltraumteleskops Hubble.

Mit 17 Milliarden Sonnenmassen könnte das neuentdeckte Schwarze Loch im Zentrum der Scheibengalaxie NGC 1277 sogar das größte überhaupt bekannte Schwarze Loch sein. Die Masse des derzeitigen Rekordhalters wird auf zwischen 6 und 37 Milliarden Sonnenmassen geschätzt (McConnell et al. 2011); liegt der wahre Wert am unteren Ende, bricht NGC 1277 diesen Rekord. Wenn nicht, wäre das Schwarze Loch in NGC 1277 immerhin noch das zweitgrößte bekannte Schwarze Loch.

Die große Überraschung besteht darin, dass die Masse des zentralen Schwarzen Lochs 14% der Gesamtmasse von NGC 1277 ausmacht – im Vergleich mit üblichen Werten rund um 0,1 %. Das schlägt den bisherigen Rekord um einen Faktor von mehr als zehn. Astronomen hätten ein Schwarzes Loch dieser Größe in einer mindestens zehn Mal größeren strukturlosen (»elliptischen«) Galaxie erwartet – nicht in einer kleinen Scheibengalaxie wie NGC 1277.

Ist das überraschend massereiche Schwarze Loch eine seltene Laune der Natur – eine absolute Ausnahme? Vorläufige Analysen weiterer Daten weisen in eine andere Richtung: Bis dato hat die Suche von van den Bosch und seinen Kollegen noch fünf weitere Galaxien zu Tage gefördert, die vergleichsweise klein sind, aber dennoch ungewöhnlich massereiche zentrale Schwarze Löcher beherbergen dürften. Definitiv wird sich dies aber erst sagen lassen, wenn detaillierte Abbildungen dieser Galaxien vorliegen.

Bestätigen sich diese weiteren Fälle und gibt es in der Tat noch mehr Schwarze Löcher wie das von NGC 1277, dann müssen die Astronomen ihre Modelle der Galaxienentwicklung grundlegend überdenken. Insbesondere müssen sie dabei das frühe Universum ins Auge fassen: Die Galaxie NGC 1277 hat sich anscheinend vor mehr als 8 Milliarden Jahren gebildet und seither nicht sehr verändert. Wie immer dieses gigantische Schwarze Loch entstanden ist – es muss vor langer Zeit passiert sein.

Kontakt

Remco van den Bosch (Erstautor)
Max-Planck-Institut für Astronomie
Heidelberg
Tel.: (+49|0) 6221 – 528 381
E-Mail: bosch@mpia.de

Arjen van der Wel (Koautor)
Max-Planck-Institut für Astronomie
Heidelberg
Tel.: (+49|0) 6221 – 528 461
E-Mail: vdwel@mpia.de

Markus Pössel (Öffentlichkeitsarbeit)
Max-Planck-Institut für Astronomie
Heidelberg
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