Gefrieren verläuft wie eine Revolution

Was in einer Flüssigkeit beim Gefrieren genau passiert, haben Physiker der Universitäten Wien und Amsterdam nun in Computersimulationen herausgefunden.

Anders als bisher vermutet, können bereits kleine Gefrierkeime von Wassermolekülen das gesamte System verändern, sobald das direkte Umfeld stimmt. „In mancher Hinsicht verläuft der Prozess analog zur Revolution in Ägypten“, so Studienleiter Christoph Dellago gegenüber pressetext.

Teilchenwolke entscheidet, nicht Kerngröße

Stellt man ein Glas Wasser in den Gefrierschrank, wird es beim Erreichen des Gefrierpunktes nicht sofort zu Eis. Noch immer flüssig, kühlt es weiter in einen unterkühlten Zustand, in dem Wassermoleküle bereits zu Eis werden „wollen“. Bei der Nukleation, wie der Prozess physikalisch heißt, schließen sich wenige Moleküle spontan zu einem Eiskristall zusammen und bilden einen Gefrierkern, der wächst und das gesamte Wasser rasch zu Eis erstarren lässt.

Bisher ging die „klassische Nukleationstheorie“ davon aus, dass sich ständig solche Gefrierkeime bilden, während das Wachsen jedoch erst ab deren bestimmter Größe erfolgt. Die aktuellen Computersimulationen zeigen jedoch, dass manchmal auch winzige Kerne wachsen und größere verschwinden können. Nicht die Größe des Keims allein, sondern dessen Struktur gibt somit den Ausschlag. Besitzt er rund um seinen kristallinen Kern eine ausreichende Wolke nicht-kristalliner Teilchen, kann er sich auch als Winzling durchsetzen. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse in den „Physical Review Letters“.

Physik erklärt soziale Prozesse

Einiges davon klingt ganz wie die Beschreibung des Beginns von Revolutionen. „So genannte metastabile Systeme würden andere Zustände bevorzugen, können jedoch noch für bestimmte Zeit weiterexistieren. Der Übergang zu diesem Ziel braucht einen Revolutionsprozess, der an einem bestimmten Ort beginnt und von anderen mitgetragen wird.“ Ähnlich wie in Teilchenwolken gesellten sich in Ägypten viele Unzufriedene zu den kleinen Protesten der Studenten, anfangs noch ohne sich entschieden zu haben, ob sie sich ihnen anschließen wollten oder nicht.

Völlig problemlos seien Analogien zur Gesellschaft allerdings nicht, betont Dellago. „Anders als in der Physik gibt es in der Gesellschaft keinen Gleichgewichts-Zustand, da sie sich stets wandelt. Zudem kennt die Physik die starke Vernetzung wie jene durch elektronische Medien und ihre Folgen nicht. Im atomaren Bereich ist alles lokal und es gibt keine Verständigung über lange Distanzen.“ Die vergleichende Physik könne soziale Bewegungen am ehesten beschreiben und daraus lernen, jedoch kaum vorhersagen. „Sonst hätte es die Finanzkrise nicht gegeben“, so das Argument des Forschers.

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Johannes Pernsteiner pressetext.redaktion

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