European XFEL nimmt zweite Röntgenlichtquelle in Betrieb

Die Lichtquellen des European XFEL Der European XFEL stellt Lichtquellen für Röntgenblitze mit verschiedenen Eigenschaften zur Verfügung. Copyright European XFEL

SASE3 wird zwei weitere Experimentierstationen versorgen, die derzeit aufgebaut werden und Ende des Jahres den Nutzerbetrieb aufnehmen sollen. Seit der Inbetriebnahme und der Aufnahme des Forschungsbetriebs im September 2017 haben bereits 340 Wissenschaftler aus aller Welt die Anlage für ihre Forschungsvorhaben genutzt. Die erfolgreiche Inbetriebnahme der neuen Röntgenlichtquelle ist eine Voraussetzung dafür, die Zahl der Nutzer im kommenden Jahr stark zu steigern.

European XFEL-Geschäftsführer Prof. Robert Feidenhans’l sagte: „Aufbau und Inbetriebnahme der neuen Lichtquelle sind komplexe Prozesse, an denen wir und unsere Kollegen von DESY in den vergangenen Wochen und Monaten intensiv gearbeitet haben. Wir freuen uns sehr, dass es uns nun auch an der zweiten Lichtquelle SASE3 reibungslos gelungen ist und dass beide Quellen SASE1 und SASE3 gleichzeitig Licht erzeugen.

Dafür möchte ich allen Beteiligten und insbesondere auch dem Beschleunigerteam von DESY meinen großen Dank aussprechen. Wir sind weiter auf einem guten Weg, die vier im Aufbau befindlichen weiteren Experimentierstationen in Betrieb zu nehmen; zunächst zwei im November, die beiden anderen Anfang 2019. Dadurch wird sich die Kapazität Mitte 2019 von bislang zwei Stationen auf dann sechs verdreifachen.“

Die neue Röntgenlichtquelle SASE3 nutzt Elektronen, die durch die Lichtquelle SASE1 geflogen sind und dort bereits Röntgenlaserlicht erzeugt haben. SASE3 erzeugt Laserlicht für die noch im Aufbau befindlichen Experimentierstationen SQS (Small Quantum Systems) und SCS (Spectroscopy and Coherent Scattering).

SQS ist auf die Erforschung fundamentaler Prozesse wie den Bruch von chemischen Bindungen in Molekülen oder die Vorgänge auf atomarer Ebene bei der gleichzeitigen Absorption von mehreren Photonen spezialisiert, SCS auf die Untersuchung von schnellen Änderungen von Materialeigenschaften, beispielsweise bei magnetischen Materialien, Hochtemperatur-Supraleitern oder auch biologischen Proben. Die Forschung an den Stationen ist Grundlagenforschung, hat jedoch auch Bedeutung beispielsweise für die Entwicklung neuer Materialien für die IT, Medizin, Energieforschung oder Katalyse.

Dr. Winni Decking, bei DESY zuständig für den Betrieb des European XFEL-Beschleunigers, erklärte: „Das erste Röntgenlaserlicht an SASE3 ist ein besonderer Moment für die Techniker, Ingenieure und Wissenschaftler, die über viele Jahre mit Akribie und Sorgfalt die Anlage aufgebaut haben. Dass wir diesen Meilenstein so kurz nach der ersten Nutzerzeit erreicht haben, zeigt auch, wie hervorragend das Inbetriebnahme-Team von DESY und European XFEL eingespielt ist.“

Das Röntgenlaserlicht des European XFEL ist extrem intensiv und milliardenfach heller als das von herkömmlichen Synchrotron-Lichtquellen. Der European XFEL ist der einzige Röntgenlaser weltweit, der bis zu 27 000 Lichtblitze pro Sekunde erzeugen kann. Voraussetzung dafür ist die bei DESY entwickelte supraleitende Beschleunigertechnologie, die beim European XFEL eingesetzt wird.

Die Röntgenlichtblitze werden in Tunneln von stark beschleunigten und sehr energiereichen Elektronenpaketen erzeugt, die in extrem kurzen Abständen aufeinander folgen. Bis zu 200 Meter lange Magnetstrukturen, sogenannte Undulatorsysteme, bringen die beschleunigten Elektronen auf einen engen Slalomkurs. Bei jeder Richtungsänderung geben die Elektronenpakete Röntgenlichtblitze ab, die sich auf der Slalomstrecke lawinenartig verstärken.

SASE3 ist eins von derzeit drei Undulatorsystemen am European XFEL. SASE1 hatte im Mai 2017 das erste Röntgenlicht am European XFEL erzeugt, jetzt folgte plangemäß SASE3. Das „first lasing“ von SASE2 ist für Mitte des Jahres geplant. SASE1 und SASE2 sind 200 Meter lang, weitgehend baugleich und erzeugen extrem kurzwelliges Röntgenlicht. Das hinter SASE1 installierte System SASE3 ist mit 120 Metern etwas kürzer und liefert langwelligeres Licht.

Die erreichbare Wellenlänge von SASE1 und SASE 2 entspricht in etwa der Größe von Atomen. Man kann daher mit atomarer Auflösung Bilder und Filme im Nanokosmos aufnehmen – beispielsweise von Biomolekülen, die für die Entstehung von Krankheiten oder die Entwicklung von Therapien von Bedeutung sind.

Beim „first lasing“ lieferte SASE3 Röntgenlicht mit einer Wellenlänge von 1,4 Nanometer (900 eV) – das ist etwa 600 mal kürzer als die Wellenlänge von sichtbarem Licht. Die Inbetriebnahme erfolgte mit 20 Pulsen pro Sekunde, später werden es bis zu 27 000 sein. Eine Besonderheit ist, dass die beschleunigten Elektronen zunächst für die Laserlichterzeugung in SASE1 und anschließend zur Lichterzeugung in der mehrere hundert Meter dahinter liegenden Röntgenlichtquelle SASE3 genutzt wurden, so dass beide Lichtquellen gleichzeitig Röntgenstrahlung lieferten. Der geplante gleichzeige Betrieb mehrerer, teilweise hintereinander geschalteter, Röntgenlichtquellen und der an sie angeschlossenen Experimentierstationen ist ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des European XFEL, das wegen der hohen internationalen Nachfrage nach Experimentierzeit von großer Bedeutung ist.

Pressekontakt: Dr. Bernd Ebeling, +49 (0)40 8998 6921; bernd.ebeling@xfel.eu
Hintergrundinformationen und Bilder: www.xfel.eu/de

Über European XFEL
Der Röntgenlaser European XFEL in der Metropolregion Hamburg ist eine Großforschungsanlage der Superlative: 27 000 Röntgenlaserblitze pro Sekunde und eine Leuchtstärke, die milliardenfach höher ist als die besten Röntgenstrahlungsquellen herkömmlicher Art, eröffnen neue Forschungsmöglichkeiten. Forschergruppen aus aller Welt können an dem europäischen Röntgenlaser atomare Details von Viren und Zellen entschlüsseln, dreidimensionale Aufnahmen im Nanokosmos machen, chemische Reaktionen filmen und Vorgänge wie die im Inneren von Planeten untersuchen. European XFEL ist eine gemeinnützige Forschungsorganisation, die eng mit dem Hauptgesellschafter DESY und weiteren internationalen Institutionen zusammenarbeitet. Sie beschäftigt mehr als 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, im September 2017 hat die Anlage den Nutzerbetrieb aufgenommen. Mit Kosten von 1,22 Milliarden Euro (Preisniveau 2005) für Bau und Inbetriebnahme und einer Länge von 3,4 Kilometern ist European XFEL eine der größten und ambitioniertesten neuen europäischen Forschungsanlagen. Derzeit beteiligen sich elf Länder: Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Russland, Schweden, die Schweiz, die Slowakei, Spanien und Ungarn; Großbritannien wird in Kürze beitreten. Deutschland (Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein) trägt 58 Prozent der Kosten für die neue Einrichtung, Russland 27 Prozent. Die anderen Partnerländer sind mit ein bis drei Prozent beteiligt.

http://media.xfel.eu/XFELmediabank/?l=de&c=12587 Bilder zur Presseinformation
http://www.xfel.eu/de Informationen zu European XFEL

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Dr. Bernd Ebeling idw - Informationsdienst Wissenschaft

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