Erstes Licht für das GRAVITY-Instrument am VLTI zur künftigen Beobachtung Schwarzer Löcher

GRAVITY entdeckt, dass einer der Sterne im Orion-Trapez ein Doppelstern ist Bild: ESO/GRAVITY consortium/NASA/ESA/M. McCaughrean

Am Very Large Telescope der ESO in Chile wurde ein neues Instrument in Betrieb genommen, dessen Hauptaufgabe es sein wird, Schwarze Löcher zu untersuchen. Entworfen und gebaut wurde GRAVITY von einem großen Team aus europäischen Astronomen und Ingenieuren, zu dem auch Wissenschaftler aus Heidelberg, Köln und Garching gehören.

Geleitet wird das Projekt vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching. GRAVITYs Leistungsfähigkeit sorgt durchweg für große Begeisterung im Team. Während der ersten Beobachtungen gelang es GRAVITY bereits, das Sternlicht von allen vier VLT-Hilfsteleskopen zu bündeln. Während der ersten Tests konnte das Instrument bereits mehrere Premieren feiern. GRAVITY ist das leistungsstärkste Instrument für das VLT-Interferometer, das bisher montiert wurde.

Um ein virtuelles Teleskop mit bis zu 200 Metern Durchmesser zu bilden, kombiniert das GRAVITY-Instrument über Interferometrie das Licht von mehreren Teleskopen. Diese Technik ermöglicht es Astronomen, viel feinere Details in astronomischen Objekten zu erkennen als es mit einem einzigen Teleskop möglich wäre.

Seit dem Sommer 2015 hat ein internationales Team aus Astronomen und Ingenieuren unter der Leitung von Frank Eisenhauer (MPE, Garching) das Instrument in speziell angepassten Tunneln unter dem Very Large Telescope der ESO am Paranal-Observatorium im Norden Chiles montiert [1]. Dies stellt die erste Phase der Inbetriebnahme von GRAVITY im Rahmen des Very Large Telescope Interferometer (VLTI) dar. Ein entscheidender Meilenstein wurde jetzt erreicht: Zum ersten Mal hat  das Instrument erfolgreich das Sternlicht von den vier VLT-Hilfsteleskopen vereint [2].

Bereits bei den ersten Beobachtungen, und zum allerersten Mal in der Geschichte der optischen Interferometrie, konnte GRAVITY Aufnahmen mit mehreren Minuten Belichtungszeit machen, also mehr als hundert Mal länger als es vorher möglich war“, erläutert Frank Eisenhauer. „GRAVITY wird zukünftig die Beobachtung von deutlich lichtschwächeren Objekten erlauben, und verschiebt die Grenzen der Empfindlichkeit und Genauigkeit der hochauflösenden Astronomie weit über das hinaus, was derzeit möglich ist.“

Im Rahmen der ersten Beobachtungen nahm das Team die hellen, jungen Sterne unter die Lupe, die als Trapez bekannt sind und sich im Herzen der Sternentstehungsregion Orion befinden. Bereits in den ersten Daten der Inbetriebnahme machte GRAVITY eine kleine Entdeckung: Eine der Komponenten des Sternhaufens stellte sich als Doppelstern heraus [3].

Der Schlüssel zu diesem Erfolg bestand darin, mit dem Licht eines Vergleichssterns das virtuelle Teleskop lange genug zu stabilisieren, so dass eine tiefe Aufnahme eines zweiten, deutlich lichtschwächeren Objekts möglich wird. Desweiteren gelang es den Astronomen auch, das Licht der vier Teleskope zeitgleich zu stabilisieren – ein Kunststück, das so bisher noch nie gelungen ist [3].

GRAVITY kann sowohl die Positionen astronomischer Objekte auf das Genauste vermessen als auch interferometrische Bildgebung und Spektroskopie durchführen [4]. Befänden sich Gebäude auf dem Mond, würde GRAVITY sie erkennen. Solch extrem hochauflösende Bildgebung besitzt viele Anwendungsmöglichkeiten, aber der Hauptfokus wird in der Zukunft in der Untersuchung der Umgebung Schwarzer Löcher liegen.

Insbesondere wird GRAVITY untersuchen, was in dem extrem starken Gravitationsfeld nahe des Ereignishorizonts des massereichen Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße passiert – was den Namen des Instruments erklärt. In dieser Region wird das physikalische Verhalten von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie beherrscht.

Außerdem soll es Details des Massenzuwachses und Jets erkennen – Prozesse, die beide in der Nähe neugeborener Sterne (junger stellare Objekte) und in Regionen um massereiche Schwarze Löcher in den Zentren anderer Galaxien auftreten. Überragen wird es alles je dagewesene auch bei der Untersuchung der Bewegungen von Doppelsternen, Exoplaneten und jungen stellaren Scheiben, sowie bei Aufnahmen von Sternoberflächen.

Bislang ist GRAVITY mit den vier 1,8-Meter-Hilfsteleskopen getestet worden. Die ersten Beobachtungen mit GRAVITY mit den vier 8-Meter-Hauptteleskopen des VLT sind im Verlauf des Jahres 2016 geplant.

Die GRAVITY-Arbeitsgemeinschaft steht unter der Führung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching. Die anderen Partner-Institute sind:

  • LESIA, Observatoire de Paris, PSL Research University, CNRS, Sorbonne Universités, UPMC Univ. Paris 06, Univ. Paris Diderot, Sorbonne Paris Cité, Meudon, Frankreich
  • Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg
  • I. Physikalisches Institut der Universität Köln
  • IPAG, Université Grenoble Alpes/CNRS, Frankreich
  • Centro Multidisciplinar de Astrofísica, CENTRA (SIM), Lissabon und Porto, Portugal
  • ESO Garching

[1] An den VLTI-Tunneln und Strahlvereinigungsräumen wurden kürzlich einschneidende Baumaßnahmen durchgeführt, um sowohl Platz für GRAVITY zu schaffen als auch die Anlage auf zukünftige Instrumente vorzubereiten.

[2] Eigentlich wäre es genauer, diesen Schritt als “erstes Interferenzmuster“ zu bezeichnen, da der Meilenstein darin bestand, das Licht der verschiedenen Teleskope erfolgreich zu vereinen, so dass die Lichtstrahlen interferieren und die sich daraus bildenden Interferenzmuster aufgezeichnet werden können.

[3] Bei dem neu entdeckten Doppelstern handelt es sich um Theta1 Orionis F, wobei der nahgelegene hellere Stern Theta1 Orionis C bei den Beobachtungen als Referenz genutzt wurde.

[4] Das Ziel von GRAVITIY ist es, die Position von Objekten im Bereich von zehn Mikrobogensekunden zu messen und Bilder mit einer Auflösung von vier Millibogensekunden aufzunehmen.

Die Europäische Südsternwarte (engl. European Southern Observatory, kurz ESO) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch 16 Länder: Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO verfügt über drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Chile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist einer der Hauptpartner bei ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Auf dem Cerro Armazones unweit des Paranal errichtet die ESO zur Zeit das European Extremely Large Telescope (E-ELT) mit 39 Metern Durchmesser, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird.

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.

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Dies ist eine Übersetzung der ESO-Pressemitteilung eso1601.

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