Elektron-Loch-Paaren: Der richtige Abstand für eine ideale Beziehung

Künstlerische Darstellung von Elektron-Loch-Paaren in Schichtstrukturen eines Übergangsmetall-Dichalkogenids. Abbildung: Fabian Mooshammer

Moderne Informationstechnologie basiert auf immer leistungsfähigeren und kompakteren Schaltkreisen. Das ultimative Limit ist dabei die atomare Längenskala.

Neuartige Schichtkristalle, sogenannte Übergangsmetall-Dichalkogenide, lassen sich auf eine Dicke von nur wenigen Atomdurchmessern ausdünnen und wecken daher große Hoffnungen.

Diese Schichten bieten gegenüber konventionellen Halbleitern zudem einen weiteren Freiheitsgrad: Die relative Ausrichtung benach-barter Lagen, auch Stapelwinkel genannt. Durch präzises Ausrichten zweier aufeinandergestapelter Kristallschichten können ganz neue Funktionalitäten erzeugt werden.

So kann eine Doppellage unter einem bestimmten Stapelwinkel in einen supraleitenden Zustand übergehen – der elektrische Widerstand verschwindet komplett – unter anderen Winkeln wird das Material hingegen streng isolierend.

Um derart paradoxes Verhalten zu verstehen, muss man aufklären, wie die geladenen Teilchen innerhalb eines Festkörpers miteinander interagieren. Regt man beispielsweise ein Elektron durch Absorption von Licht in einem Übergangsmetall-Dichalkogenid an, so lässt es auf seinem ursprünglichen Platz eine Fehlstelle, ein sogenanntes Loch, zurück.

Elektron und Loch können ein gebundenes Paar, ein Exziton, bilden. Dabei umkreist das negativ geladene Elektron das positiv geladene Loch, ähnlich wie ein Elektron im Wasserstoffatom den Kern umkreist. Wie stark Elektron und Loch jedoch hierbei gebunden sind, könnte eine maßgebliche Rolle für Übergänge zu supraleitenden oder anderen, noch unentdeckten Phasen spielen.

Regensburger Physiker um Rupert Huber und John Lupton konnten nun in einer Zusammenarbeit mit den Gruppen von Ermin Malic an der Chalmers University in Schweden, sowie von Janina Maultzsch an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, erstmals die Bindungsstärke von Exzitonen in atomar dünnen Schichtstrukturen bestimmen und diese mittels des Stapelwinkels sogar präzise kontrollieren.

Hierzu regten sie in Doppellagen von Übergangsmetall-Dichalkogeniden Elektronen durch ultrakurze Lichtblitze an, wodurch Elektron-Loch-Paare entstehen. Während das Loch bevorzugt in seiner ursprünglichen Lage verbleibt, kann das Elektron zwischen den Lagen hin und her wandern.

Mittels des Stapelwinkels kann die Bewegungsfreiheit des Elektrons eingeschränkt beziehungsweise erweitert werden. Dies erlaubt, die Ausdehnung der Elektron-Loch-Paare und damit die Stärke deren Bindung zu variieren. Die Forscher fanden weiterhin heraus, dass sich auch die Lebensdauer der Exzitonen sowie deren Wechselwirkung untereinander mit Hilfe des Stapelwinkels über einen großen Bereich hin maßschneidern lassen.

Die neuen Erkenntnisse eröffnen einen qualitativ neuen Weg zur Feinabstimmung elektronischer und optischer Eigenschaften schichtartiger Kristalle. Dies könnte langfristig maßgeschneiderte elektronische Phasenübergänge und eine neue Generation ultimativ kompakter Optoelektronik ermöglichen.

Prof. Dr. Rupert Huber
Lehrstuhl für Experimentelle und Angewandte Physik
Universität Regensburg
Tel.: 0941 943-2071
E-Mail: rupert.huber@ur.de

P. Merkl, F. Mooshammer, S. Brem, A. Girnghuber, K.-Q. Lin, L. Weigl, M. Liebich,
C.-K. Yong, R. Gillen, J. Maultzsch, J. M. Lupton, E. Malic and R. Huber, “Twist-tailoring Coulomb correlations in van der Waals homobilayers”, Nature Communications (2020).
DOI 10.1038/s41467-020-16069-z
https://www.nature.com/articles/s41467-020-16069-z

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Christina Glaser idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.uni-regensburg.de/

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