Einsteins "spukhafte Fernwirkung" besteht ihren strengsten Test

Die Idee: von Einstein bis Schrödinger

Albert Einstein hat in einem im Jahr 1935 veröffentlichten Artikel Bedenken an der damals jungen Quantenmechanik wegen ihrer verrückten Vorhersagen angemeldet. Eine der Besonderheiten geht auf den österreichischen Physiker Erwin Schrödinger zurück und behauptet, dass es verschränkte Teilchenpaare gibt, deren Wechselbeziehung auch über große Distanzen stärker ist als es klassische physikalische Gesetze erlauben.

Diese quantenmechanische Verschränkung wurde seither in zahlreichen Versuchen getestet, wobei sich die Vorhersagen der Quantenphysik bisher stets bestätigt haben. Aber es blieb immer noch gewisse Lücke offen. Die Quantengruppe um Rupert Ursin und Anton Zeilinger an der Universität Wien sowie am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hat nun auf den Kanarischen Inseln La Palma und Teneriffa das bislang überzeugendste Experiment durchgeführt.

Nichtsdestotrotz gibt es anhaltende Bemühungen, Versuchsergebnisse an verschränkten Teilchen nicht quantenphysikalisch, sondern innerhalb eines klassischen (lokal realistischen) Weltbildes zu beschreiben. Dann muss man aber den Teilchen verborgene Eigenschaften zuschreiben und ferner die Hypothese aufstellen, dass es zwischen den am Experiment eingesetzten Apparaten, der Quelle der Teilchen und den Teilchen selbst eine verborgene Kommunikation gibt.

Die Umsetzung: Lichtquanten von La Palma nach Teneriffa

Die Forscher erzeugten auf La Palma quantenmechanisch verschränkte Paare von Lichtquanten. Von jedem Paar blieb ein Lichtquant in einer Glasfaser in La Palma, während das andere 144 Kilometer über den Atlantik nach Teneriffa geschickt und mit einem Teleskop der Europäischen Weltraumagentur ESA aufgefangen wurde. An beiden Orten wurden dann an den Teilchen Messungen durchgeführt, die erst im allerletzten Augenblick nach einem Zufallsprinzip festgelegt wurden.

Weil keine Information schneller als die Lichtgeschwindigkeit übertragen werden kann, gab es keine Chance, dass eine Seite wissen konnte, was an der anderen gemessen wurde. Ebenso wurde sichergestellt, dass die Quelle bei der Aussendung der Teilchen nicht wissen konnte, was an ihnen gemessen wird noch umgekehrt konnten die gewählten Messungen die Teilchen bei der Aussendung beeinflussen.

Durch den Einsatz modernster Technologien wurde es somit möglich, jeglichen potentiellen Informationsaustausch zwischen der Teilchenquelle und den Zufallsgeneratoren, die die Messgrößen auswählen, zu verhindern. „Durch eine sorgsame räumliche Anordnung aller Apparaturen und präzise zeitliche Abfolge der Teilchenpaarerzeugung, der Wahl der Messgrößen sowie der Messungen selbst konnten erstmals jedwede verborgene Kommunikation ausgeschlossen und die damit verbundenen Schlupflöcher geschlossen werden“, erklärt Johannes Kofler, Mitautor der Studie.

Die quantenmechanische Verschränkung, die von Albert Einstein als „spukhafte Fernwirkung“ angezweifelt wurde, hat somit ihren bisher strengsten Test bestanden. Alle weiteren Experimente müssen nun auf den Ideen und Konzepten dieses Experiments aufbauen. „Diese Ergebnisse untermauern auch die Sicherheit der Quantenkryptographie und ähnlicher Verschlüsselungsverfahren“, so Anton Zeilinger.

Publikation
T. Scheidl, R. Ursin, J. Kofler, S. Ramelow, X.-S. Ma, T. Herbst, L. Ratschbacher, A. Fedrizzi, N. K. Langford, T. Jennewein, A. Zeilinger: Violation of local realism with freedom of choice. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 1. November 2010. Volltext unter: http://www.pnas.org/content/early/2010/10/29/1002780107
Kontakt
Dr. Rupert Ursin
Arbeitsplatz an der ÖAW,
Institut für Quantenoptik und Quanteninformation
1090 Wien, Boltzmanngasse 3
M +43-650-9414567
rupert.ursin@univie.ac.at
Rückfragehinweis
Mag. Ursula Gerber
Quantenoptik, Quantennanophysik
und Quanteninformation
Universität Wien
1090 Wien, Boltzmanngasse 5
M +43-650-817 50 40
ursula.gerber@univie.ac.at

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