Ein Plasma aus Materie und Antimaterie

Abb. 1: Vergleich Experiment/Theorie für Anzahl der Elektronen (a), Positronen (b) und Positronen-Anteil (c). Blau: exp. Daten; rot: FLUKA-Simulation; grün: Modellrechnung, in (a) und (b) x 0,75. Queen's University Belfast / MPIK

Das Positron ist das Antiteilchen zum Elektron, das mit diesem alle Eigenschaften gemeinsam hat, bis auf die Ladung mit entgegengesetztem Vorzeichen. Ultrarelativistische Jets aus einem Elektron-Positron-Plasma treten in verschiedenen astrophysikalischen Szenarien unter extremen Bedingungen auf, so z. B. in den Quellen von Gamma-Blitzen.

Somit stellen sie ein einzigartiges Werkzeug zum Test von bisher unerforschten Gebieten der Physik dar und bieten zugleich tiefere Einblicke in die Eigenschaften des frühen Universums. Die Möglichkeit der Erzeugung dieses speziellen Materiezustands erlaubt die genaue Untersuchung solcher Phänomene unter kontrollierten Bedingungen.

Dieses Ziel hat nun ein Team von Experimentalphysikern um Dr. Gianluca Sarri und Prof. Matthew Zepf von der Queen’s University Belfast in intensiver Zusammenarbeit mit Antonino Di Piazza und Christoph H. Keitel aus der Abteilung für Theoretische Quantendynamik des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg erreicht.

Das Experiment wurde an der Astra Gemini Laser Facility des Rutherford Appleton Laboratory in Oxfordshire (UK) durchgeführt. Ein ultrarelativistischer Elektronenstrahl, erzeugt durch Beschleunigung im elektromagnetischen „Fahrwasser“ eines hochintensiven optischen Laserpulses, trifft auf ein festes Bleitarget.

Die eingeschossenen Elektronen wechselwirken in komplizierter Weise mit den Kernen und Elektronen der Bleiatome und erzeugen ein Paket aus ultrarelativistischen Elektronen und Positronen, das nach dem Austritt aus dem Target auf dessen Rückseite nachgewiesen werden kann. Dabei hängt der jeweilige Anteil von Elektronen und Positronen von der Dicke des Targets ab (siehe Abb. 1). Die Dichte des Plasmas erwies sich als ausreichend hoch, um kollektive Effekte zu zeigen.

„Unsere Hauptaufgabe war, die wesentlichen Mechanismen zur Produktion eines Elektron-Positron-Pakets zu identifizieren, dessen Bildung und Entwicklung innerhalb des Festkörpertargets möglichst prägnant und einfach zu beschrieben und so die zugrundeliegende Physik zu ergründen“, sagt Antonino Di Piazza.

Heraus kam ein überraschend simples Modell, das – neben allen möglichen Wechselwirkungen innerhalb des Targets – nur zwei fundamentale Prozesse der Quantenelektrodynamik beinhaltet, die beide in Gegenwart der durch die Atomhülle abgeschirmten elektromagnetischen Felder der Targetkerne auftreten:

1. Bremsstrahlung von Elektronen und Positronen und 2. Elektron-Positron-Paarerzeugung durch Photonen. Sowohl analytische als auch numerische Rechnungen stimmen sehr gut mit den experimentellen Resultaten für die relativen Anteile von Elektronen und Positronen in dem erzeugten Plasmastrahl überein (siehe insbesondere die blauen Punkte und die grüne gestrichelte Linie in Abb. 1c).

Absolute Ausbeuten an Elektronen und Positronen werden durch das Modell ebenfalls gut vorhergesagt. Um noch mehr Details der experimentellen Befunde theoretisch zu reproduzieren, hat Gianluca Sarri den verfügbaren integrierten Monte-Carlo-Simulationscode für Teilchenphysik FLUKA angewendet (rote Punkte in Abb. 1).

Dieser beinhaltet u. a. die Wechselwirkung der Elektronen und Positronen untereinander und mit den Targetatomen sowie Hochenergieprozesse wie die Erzeugung von Myon-Antimyon-Paaren (den nächst schwereren „Verwandten“ von Elektronen/Positronen unter den Elementarteilchen). Diese Mechanismen reduzieren die Ausbeute gegenüber dem einfachen analytischen Modell um ca. 25%.

Originalveröffentlichung:

Generation of neutral and high-density electron–positron pair plasmas in the laboratory
G. Sarri, K. Poder, J. Cole, W. Schumaker, A. Di Piazza, B. Reville, T. Dzelzainis, D. Doria, L.A. Gizzi, G. Grittani, S. Kar, C.H. Keitel, K. Krushelnick, S. Kuschel, S.P.D. Mangles, Z. Najmudin, N. Shukla, L.O. Silva, D. Symes, A.G.R. Thomas, M. Vargas, J. Vieira and M. Zepf
Nature Communications 6:6747 (2015); DOI: 10.1038/ncomms7747

Kontakt:

PD Dr. Antonino Di Piazza
MPI für Kernphysik Heidelberg
Tel.: +49 6221 516-161
E-Mail: dipiazza@mpi-hd.mpg.de

Dr. Gianluca Sarri
Centre for Plasma Physics
Queen’s University Belfast
Tel.: +44 28 9097 3575
E-Mail: g.sarri@qub.ac.uk

http://www.nature.com/ncomms/2015/150423/ncomms7747/full/ncomms7747.html Originalpublikation
http://www.mpi-hd.mpg.de/keitel/dipiazza Gruppe High-Energy Quantum Electrodynamics, MPIK
http://www.qub.ac.uk/research-centres/CentreforPlasmaPhysics Centre for Plasma Physics, Queen's University Belfast
https://www.stfc.ac.uk/CLF/Facilities/Astra/Astra+Gemini/12258.aspx Lasersystem Gemini, Rutherford Appleton Laboratory

Media Contact

Dr. Bernold Feuerstein Max-Planck-Institut für Kernphysik

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Bakterien für klimaneutrale Chemikalien der Zukunft

For­schen­de an der ETH Zü­rich ha­ben Bak­te­ri­en im La­bor so her­an­ge­züch­tet, dass sie Me­tha­nol ef­fi­zi­ent ver­wer­ten kön­nen. Jetzt lässt sich der Stoff­wech­sel die­ser Bak­te­ri­en an­zap­fen, um wert­vol­le Pro­duk­te her­zu­stel­len, die…

Batterien: Heute die Materialien von morgen modellieren

Welche Faktoren bestimmen, wie schnell sich eine Batterie laden lässt? Dieser und weiteren Fragen gehen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit computergestützten Simulationen nach. Mikrostrukturmodelle tragen dazu bei,…

Porosität von Sedimentgestein mit Neutronen untersucht

Forschung am FRM II zu geologischen Lagerstätten. Dauerhafte unterirdische Lagerung von CO2 Poren so klein wie Bakterien Porenmessung mit Neutronen auf den Nanometer genau Ob Sedimentgesteine fossile Kohlenwasserstoffe speichern können…

Partner & Förderer