Ein neuer Regelknopf zur Kontrolle und Erzeugung höherer Harmonischer in Festkörpern

Regt man Kristalle wie Silizium durch einen intensiven elliptisch oder zirkular polarisierten Lichtpuls (rot) an, können zirkular polarisierte höhere Harmonische (grün & blau) erzeugt werden. Nicolas Tancogne-Dejean + Joerg M. Harms, MPSD

Die Erzeugung hoher Harmonischer in Gasen wird heutzutage routinemäßig in vielen verschiedenen Wissenschaftsdiziplinen verwendet, von der Physik über die Chemie bis zur Biologie. In diesem Starkfeldphänomen werden viele niederenergetische Photonen aus einem sehr intensiven Laserfeld in wenige Photonen höherer Energie konvertiert. Obwohl dieses Phänomen in Festkörpern zunehmend an Aufmerksamkeit gewinnt, wird der Mechanismus, der dieser Lichtkonversion in Kristallen zugrunde liegt, immer noch kontrovers diskutiert.

Wissenschaftler vom MPSD (Max Planck Institute für Struktur und Dynamik der Materie) und CFEL* (Center for Free-Electron Laser Science) in Hamburg benutzten modernste theoretische Simulationsmethoden, um das grundlegende Verständnis dieses Phänomens in Festkörpern weiterzuentwickeln. Ihre Arbeit erscheint nun in Nature Communications.

Wenn Atome und Moleküle mit intensiven Laserpulsen wechselwirken, emittieren sie hohe Harmonische des treibenden fundamentalen Laserfeldes. Die hohe Harmonische Erzeugung (HHG) in Gasen wird heutzutage routinemäßig zur Produktion isolierter Attosekundenpulse und von kohärenter Strahlung vom sichtbaren bis in den weichen Röntgen-Spektralbereich benutzt.

Aufgrund der höheren Elektronendichte stellen Festkörper eine vielversprechende Forschungsrichtung zur Realisierung von kompakten, helleren HHG-Quellen dar. Der Fortschritt wird derzeit jedoch behindert durch das Fehlen eines genauen Verständnisses des mikroskopischen Mechanismus, der HHG in Festkörpern zugrunde liegt.

Ein Forschungsteam vom MPSD und CFEL hat nun gezeigt, dass es mit elliptisch polarisierten Treiberfeldern möglich ist, das komplexe Wechselspiel zwischen den beiden mikroskopischen Mechanismen, die für die HHG in Festkörpern verantwortlich sind, zu enträtseln. Mithilfe von umfangreichen ab-initio Computersimulationen zeigt das Team, wie diese beiden Mechanismen stark und unterschiedlich von der Elliptizität des treibenden Laserfeldes beeinflusst werden.

Das komplexe Wechselspiel zwischen diesen Effekten kann dazu genutzt werden, um die Emission höherer Harmonischer gezielt zu beeinflussen und sogar zu verbessern. Insbesondere konnten die Forscher nachweisen, dass die höchste erzeugte Photonenenergie um bis zu 30% erhöht werden kann, wenn Treiberfelder mit von Null verschiedener Elliptizität verwendet werden.

Sie demonstrierten auch die Möglichkeit, zirkular polarisierte Harmonische mit alternierender Helizität durch einfarbige, zirkular polarisierte Treiberfelder zu erzeugen. Dadurch eröffnen sich neue Wege zu einem besseren Verständnis und zur Kontrolle der HHG in Festkörpern basierend auf Elliptizität, mit faszinierenden neuen Möglichkeiten im Bereich der Spektroskopie magnetischer Materialien. Ihre Arbeit zeigt somit, dass Elliptizität ein zusätzlicher Regelknopf ist, um experimentell die Erzeugung höherer Harmonischer in Festkörpern zu kontrollieren.

*CFEL ist eine wissenschaftliche Kooperation von DESY, Max-Planck-Gesellschaft und Uni Hamburg

Originalpublikation:
Ellipticity dependence of high-harmonic generation in solids: unraveling the interplay between intraband and interband dynamics
N. Tancogne-Dejean, O.D. Mücke, F.X. Kärtner, A. Rubio
Nature Communications, s41467-017-00764-5 (2017)

Weitere Informationen über Jenny Witt, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit MPSD, +49 40 8998 6593 / jenny.witt@mpsd.mpg.de

http://dx.doi.org/10.1038/s41467-017-00764-5 Originalpublikation

Media Contact

Jenny Witt Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie

Weitere Informationen:

http://www.mpsd.mpg.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer