Dunkelfelder verraten Störenfriede

Die drei Bilder (von oben nach unten: Absorp­tionsbild, Phasenbild und Dunkelfeldbild) zeigen operativ entferntes Brustgewebe mit einem Karzinom, das im Dunkelfeld im oberen Drittel nahe der Bildmitte als diffuser heller Fleck deutlich zu erkennen ist. Die kleineren, sehr hellen und scharf umrandeten weißen Flecken sind große Kalzifikationen von ca. 1mm Durchmesser, die auch im Absorptionsbild erkennbar sind.<br>Abbildung: FAU<br>

In Gewebeproben von Brusttumoren konnten Kalkablagerungen, die mit der Entstehung von Krebs in Verbindung gebracht werden, bereits ab Durchmessern von wenigen Mikrometern nachgewiesen werden. Die Arbeitsgruppe „Radiation Physics“ (Leitung Prof. Dr. Gisela Anton) hat dazu das Dunkelfeld der neuen Methode eingesetzt. Damit werden deutlich kleinere Kalzifikationen als bisher für Diagnostiker zugänglich.

Mittels Röntgenstrahlen kann die unterschiedliche Zusammensetzung verschiedener Körpergewebe hervorgehoben werden. Es entstehen „Schattenbilder“, auf denen sich etwa Knochen deutlich von Muskeln abheben, weil diese Gewebetypen die Strahlung nicht im selben Maße schwächen. Bei der sogenannten Phasenkontrast-Röntgenbildgebung wird jedoch ein weiterer Effekt der Röntgenstrahlung genutzt: die Ablenkung an Gewebegrenzflächen.

Dieses Bildgebungsverfahren erforscht die Arbeitsgruppe am Lehrstuhl für Teilchen- und Astroteilchenphysik des Erlangen Centre for Astroparticle Physics (ECAP) seit 2009 zusammen mit Siemens Healthcare und dem Karlsruhe Institut für Technologie (KIT). Eine spezielle Anordnung von drei Gittern zwischen Röntgenröhre und Detektor sorgt dafür, dass die Strahlen einander überlagern und ein Interferenzmuster erzeugen, das sich regelmäßig wiederholt: ein periodisches Phasen- und Intensitätsmuster.

Sehr kleine Objektstrukturen können dieses Muster stören und ein sogenanntes Dunkelfeld hervorrufen. Auch wenn die Strahlung nur äußerst gering abgelenkt wird, ist am Detektor bereits lokal eine Veränderung zu messen. An feinkörnigen Objekten mit sehr vielen Grenzflächen brechen sich die Strahlen mehrfach, und dementsprechend ungleichmäßig wird das Intensitätsmuster. In werkstoffwissenschaftlichen Analysen tritt das Phänomen der Dunkelfelder beispielsweise bei Fasern oder Schäumen auf. Aber auch feine Körnchen aus Kalziumphosphat im menschlichen Gewebe bewirken eine derartige Ablenkung.

Im Rückgriff darauf konnten nun erstmals Kalkablagerungen mit Abmessungen von wenigen Mikrometern ins Bild geholt werden. Die Gegenprobe gelang über von Pathologen angefertigte Tumorgewebeschnitte. Die Physiker vermaßen Kalzifikationen, die in der Vergrößerung unter dem Mikroskop sichtbar waren, und wiesen nach, dass deren Dunkelfeldsignale, wenn sie per Simulationsrechnung ermittelt werden, den realen Messergebnissen im Dunkelfeldbild entsprechen. Durch diese wissenschaftlich stringente Nachweismethode wird die Dunkelfeldbildgebung nun zu einer quantitativen Beobachtungsmethode.

Seit Januar diesen Jahres wird die Erforschung der Röntgen-Dunkelfeldbildgebung für die Mammographie im Rahmen des Spitzencluster Medical Valley gefördert. In diesem Projekt gilt es heraufzufinden, welche diagnostische Bedeutung die Detektion von solch feinen Kalkablagerungen hat. Man weiß zwar bereits, dass zwischen Kalzifikationen und Brustkrebs Zusammenhänge bestehen können; allerdings war die Beobachtung bisher nur für Körnchen möglich, die um das Hundertfache größer sind. Zu klären ist nun etwa, ob fein verteilter Mikrokalk Hinweise auf Stadium und Typus eines Mammakarzinoms gibt. Mediziner und Physiker sind gleichermaßen gespannt, welche weiterführenden Erkenntnisse sich mit der neuen Methode ergeben.

Die Mammographie ist vielleicht nur eine von mehreren künftigen Anwendungsmöglichkeiten. Deshalb sollen die Untersuchungen auf weitere Fragen ausgedehnt werden, wie Osteoporose- und Arthrose-Erkennung, die Suche nach Fremdkörpern in Wunden oder das Feststellen von Lungenkrankheiten. Ob die neue Methode Einzug in die Radiologie finden wird, hängt neben der Lösung physikalisch-technischer Herausforderung entscheidend vom Diagnosepotenzial ab. Eine weitere intensive Zusammenarbeit von Medizinern und Physikern ist also gefragt.

Informationen für die Medien:
Prof. Dr. Gisela Anton
Tel.: 09131/85-27151
gisela.anton@physik.uni-erlangen.de

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Blandina Mangelkramer idw

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