Cern: Freude über den Zusammenstoß

An der Auswertung der Daten sind auch Physiker der Universität Würzburg beteiligt.

Der Zusammenprall war gewaltig: Mit einer Gesamtenergie von sieben Teraelektronenvolt sind am Dienstag, 30. März, im europäischen Teilchenbeschleuniger LHC – dem Large Hadron Collider – zwei Protonenstrahlen zusammengestoßen. Noch nie zuvor waren bei ähnlichen Experimenten solch hohe Energien erreicht worden. Aus den Daten, die nach der Kollision gewonnen wurden, hoffen Wissenschaftler neue Erkenntnisse über den Aufbau von Elementarteilchen und die Physik kurz nach dem Urknall gewinnen zu können.

Suche nach dem Unerwarteten

Der LHC ist der größte und leistungsfähigste Teilchenbeschleuniger der Welt. In seiner 27 Kilometer langen, kreisförmigen Tunnelröhre unter dem Grenzgebiet zwischen Frankreich und der Schweiz beschleunigen Physiker zwei gegenläufige Protonenstrahlen und lassen sie dann – beobachtet von gigantischen Detektoren – aufeinander prallen. In dem scheinbaren Chaos der Kollision suchen die Wissenschaftler nach Hinweisen auf neue Teilchen – oder nach dem „Unerwarteten“, wie Professor Thomas Trefzger sagt.

Trefzger ist Inhaber des Lehrstuhls für Physik und ihre Didaktik an der Universität Würzburg. Gemeinsam mit Raimund Ströhmer, Professor für experimentelle Hochenergiephysik an seinem Lehrstuhl, ist er für den Würzburger Beitrag an dem gewaltigen Experiment verantwortlich. Trefzger und sein Team sind am Atlas-Experiment beteiligt, einem von insgesamt vier Experimenten, die an dem Teilchenbeschleuniger laufen. Atlas ist ein Teilchendetektor, mit dem die Forscher die Eigenschaften von Quarks und Leptonen ergründen sowie ein Teilchen namens Higgs-Boson nachweisen wollen.

Langwierige Auswertung

„Wir haben jetzt Zugriff auf die Daten und werden sie in den kommenden Monaten analysieren“, schildert Trefzger seine Arbeit. Dank der Zusammenarbeit mit weiteren 14 Universitäten in Deutschland verfügen die Physiker über ein leistungsstarkes Rechner-Netzwerk, das sie mit ihren Daten aus der Tunnelröhre füttern. „Wir starten eine Analyse auf dem Computer, gerechnet wird, wo gerade Kapazitäten frei sind, und dann kommen die Ergebnisse“, erklärt Trefzger. Bis eine definitive Aussage über die Existenz neuer Teilchen getroffen werden kann, können allerdings gut und gerne ein bis zwei Jahre vergehen. Und dann beginnt die Interpretation.

Neue Elementarteilchen, das Higgs-Teilchen, Super-Symmetrie: Für all dies hoffen die Wissenschaftler Hinweise in den Teilchenspuren zu entdecken. Festgelegt sind sie in ihrer Suche allerdings nicht: „Wir können auch das Unerwartete entdecken“, sagt Trefzger – indem man eine Besonderheit in den Daten beobachtet, die Rückschluss auf unbekannte Phänomene erlaubt.

Regelmäßige Aufenthalte im Kontrollraum

Seit 14 Jahren ist Thomas Trefzger am Aufbau des Teilchenbeschleunigers im europäischen Forschungszentrum CERN in Genf beteiligt. Mehr als drei Milliarden Euro sind inzwischen in dieses Projekt geflossen. Ursprünglich war geplant, die ersten Protonen bereits 2001 aufeinander prallen zu lassen, doch der Start sollte sich bis 2008 verzögern. Als nach dem ersten Hochfahren dann einige der lastwagengroßen, mit Helium gekühlten Magnete im Inneren des Ringtunnels explodierten, waren erneut umfangreiche Arbeiten nötig, um den Schaden zu beheben.

Jetzt ist Trefzger froh, dass der Beschleuniger bewiesen hat, dass er tatsächlich funktioniert. Regelmäßig werden er und seine Mitarbeiter nach Genf reisen, eine Schicht im Kontrollraum übernehmen, die Messungen begleiten und sich mit anderen Wissenschaftlern austauschen.

Und auf 2012 warten: Wenn der Teilchenbeschleuniger bis dahin bewiesen hat, dass er funktioniert, wollen die Physiker noch einmal an der Leistungsschraube drehen. Dann sollen die Protonen mit dem Doppelten der jetzigen Energie zusammenstoßen.

Kontakt

Prof. Dr. Thomas Trefzger, T: (0931) 31-85787, E-Mail: trefzger@physik.uni-wuerzburg.de

Media Contact

Robert Emmerich idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-wuerzburg.de

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