Bonner Physiker stellen „Super-Photon“ her

Bis vor kurzem hatten Experten das noch für unmöglich gehalten. Die Methode eignet sich unter Umständen zur Konstruktion neuartiger laserähnlicher Lichtquellen, die im Röntgenbereich leuchten.

Eventuell ließen sich damit unter anderem leistungsfähigere Computerchips bauen. Die Wissenschaftler berichten in der kommenden Ausgabe der Zeitschrift „Nature“ über ihre Entdeckung (doi: 10.1038/nature09567).

Wenn man Rubidiumatome sehr stark abkühlt und genügend von ihnen auf kleinem Raum konzentriert, werden sie plötzlich ununterscheidbar: Sie verhalten sich wie ein einziges riesiges „Superteilchen“. Physiker sprechen von einem Bose-Einstein-Kondensat.

Für „Lichtpartikel“, die Photonen, müsste das eigentlich auch gehen. Leider scheitert diese Idee aber an einem fundamentalen Problem: Wenn man Photonen „abkühlt“, verschwinden sie. Licht zu kühlen und gleichzeitig zu konzentrieren, schien daher bis vor einigen Monaten unmöglich. Den Bonner Physikern Jan Klärs, Julian Schmitt, Dr. Frank Vewinger und Professor Dr. Martin Weitz ist das nun dennoch gelungen – eine kleine Sensation.

Wie warm ist Licht?

Wenn man den Wolfram-Wendel einer Glühbirne erhitzt, beginnt er zu glühen – zunächst rot, dann gelb und schließlich bläulich. Man kann auf diese Weise jeder Lichtfarbe eine „Entstehungstemperatur“ zuweisen: Blaues Licht ist wärmer als rotes. Wolfram glüht aber anders als beispielsweise Eisen. Physiker eichen die Farbtemperatur daher anhand eines erdachten Modellobjekts, eines so genannten schwarzen Körpers. Wenn man diesen Körper auf 5.500 Grad erhitzen würde, hätte er etwa dieselbe Farbe wie Sonnenlicht zur Mittagszeit. Anders gesagt: Mittagslicht hat 5.500 Grad Celsius oder knapp 5.800 Kelvin (die Kelvin-Temperaturskala kennt keine negativen Werte, sondern beginnt beim absoluten Temperaturnullpunkt von -273 Grad; daher sind Kelvin-Werte immer 273 Grad höher als die entsprechenden Celsius-Werte).

Wenn man einen schwarzen Körper abkühlt, leuchtet er irgendwann gar nicht mehr im sichtbaren Bereich, sondern gibt nur noch unsichtbare infrarote Photonen ab. Gleichzeitig nimmt seine Strahlungsintensität ab: Die Menge der Photonen wird mit sinkender Temperatur immer niedriger. Das macht es so schwierig, auf die für eine Bose-Einstein-Kondensation nötige Menge kühler Photonen zu kommen.

Die Bonner Forscher haben das dennoch geschafft. Sie nutzten dazu zwei hochreflektive Spiegel, zwischen denen sie einen Lichtstrahl ständig hin- und her warfen. Zwischen den Reflexionsflächen befanden sich gelöste Farbstoff-Moleküle, mit denen die Photonen regelmäßig kollidierten. Bei diesen Kollisionen verschluckten die Moleküle die Photonen und spuckten sie danach wieder aus. „Dabei nahmen die Photonen die Temperatur der Farbstoff-Flüssigkeit an“, erklärt Professor Weitz. „Sie kühlten sich also auf Raumtemperatur ab, und zwar ohne gleichzeitig verloren zu gehen.“

Ein Kondensat aus Licht

Die Bonner Physiker erhöhten nun die Menge der Photonen zwischen den Spiegeln, indem sie die Farbstofflösung mit einem Laser anregten. So konnten sie die abgekühlten Lichtteilchen so stark konzentrieren, dass sie zu einem „Super-Photon“ kondensierten.

Dieses photonische Bose-Einstein-Kondensat ist eine völlig neue Lichtquelle mit laserähnlichen Eigenschaften. Sie bietet aber gegenüber Lasern einen entscheidenden Vorteil: „Wir können heute keine Laser herstellen, die sehr kurzwelliges Licht erzeugen – also etwa UV- oder Röntgen-Licht“, erläutert Jan Klärs. „Mit einem photonischen Bose-Einstein-Kondensat sollte das dagegen gehen.“

Diese Aussicht dürfte vor allem Chip-Designer freuen: Sie nutzen Laserlicht, um logische Schaltkreise in ihre Halbleitermaterialien zu gravieren. Wie fein diese Strukturen sein können, wird unter anderem durch die Lichtwellenlänge begrenzt: Langwellige Laser eignen sich für Feinarbeiten weniger gut als kurzwellige – das ist, als wollte man einen Brief mit einem Malerpinsel unterschreiben.

Röntgenstrahlung ist viel kurzwelliger als sichtbares Licht. Mit Röntgenlasern sollten sich daher im Prinzip auf derselben Siliziumfläche erheblich komplexere Schaltkreise unterbringen lassen. Das würde eine neue Generation von Hochleistungschips ermöglichen – und damit leistungsfähigere Computer für den Endanwender. Auch bei anderen Anwendungen wie zum Beispiel der Spektroskopie oder der Photovoltaik könnte das Verfahren nützlich sein.

Kontakt:
Prof. Dr. Martin Weitz
Institut für Angewandte Physik der Universität Bonn
Telefon: 0228/73-4837 oder -4836, E-Mail: Martin.Weitz@uni-bonn.de
Jan Klärs
Telefon: 0228/73-3453, E-Mail: klaers@iap.uni-bonn.de

Media Contact

Frank Luerweg Uni Bonn

Weitere Informationen:

http://www.uni-bonn.de

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