Das bewegte Leben der Sternoberflächen

Schematische Darstellung des Sternaufbaus der Sonne (links) und eines Delta-Scuti-Sterns<br>(Illustration: Victoria Antoci)<br>

Derartig angeregte sonnenähnliche Pulsationen wurden nun von einem Forschungsteam um Victoria Antoci, Astronomin an der Universität Wien, mithilfe des Kepler-Weltraumteleskops in einem deutlich heißeren Stern als die Sonne, genannt HD 187547, entdeckt. Die WissenschafterInnen publizieren dazu in der aktuellen Ausgabe von „Nature“.

Neben der Entdeckung erdähnlicher Planeten befasst sich die Astronomie unter anderem mit der Erforschung von Sternschwingungen. Diese führen zu periodischen Helligkeitsschwankungen mancher Sterne. Die Asteroseismologie funktioniert dabei ähnlich wie die seismische Erforschung des Erdinneren: Die Frequenzen seismischer Wellen sind von Masse und Aufbau eines Körpers abhängig und erlauben dadurch dessen innere Struktur tomografisch zu reproduzieren.

Was bringt Sterne zum Schwingen?

Mehrere Mechanismen halten periodische Schwingungen in Sternen aufrecht. In der Sonne ist es das „Brodeln“ (die Konvektion) in den äußeren Sternschichten, vergleichbar mit kochendem Wasser und dem dadurch hörbaren Geräusch des Kochtopfes. In Sternen mit der 1,5-fachen Sonnenmasse und mehr ist es der sogenannte Kappa-Mechanismus, der periodische Pulsationen anregt. „Dieser Prozess funktioniert ähnlich wie eine Wärmekraftmaschine oder ein Dieselmotor“, erklärt Victoria Antoci vom Institut für Astronomie der Universität Wien.

Aufbau eines Sterns

Durch jahrzehntelange Erforschung von Sonnenoszillationen ist bekannt, dass die Energie in den äußeren 30 Prozent des Sonnenradius durch Konvektion und in den darunterliegenden Schichten durch Strahlung transportiert wird. Besitzt ein Stern doppelt so viel Masse, ist nur noch etwa ein Prozent der Hülle konvektiv. Die im Kern entstehende Energie wird auch in diesem Fall bis zur äußeren Schale durch Strahlung transportiert. Sterne noch größerer Masse sollten gar keine konvektive Hülle mehr besitzen. Ab wann diese genau verschwindet, ist aufgrund der extremen physikalischen Verhältnisse bislang unbekannt.

Eine Möglichkeit, dies zu erforschen, ist die Asteroseismologie von sogenannten Delta-Scuti-Sternen. Diese Sterne liegen in jenem Massebereich, in dem die konvektive Hülle verschwindet. Sie zeigen periodische Lichtveränderungen, die auf die durch den Kappa-Mechanismus angetriebenen Pulsationen zurückzuführen sind. „Seit mehr als zehn Jahren sagen WissenschafterInnen vorher, dass trotz der geringen Tiefe (ein Prozent) der konvektiven Hülle in Delta-Scuti-Sternen die Konvektion energetisch genug vonstattengeht, um auch sonnenähnliche Pulsationen anzuregen. Jetzt ist uns der Beweis gelungen“, freut sich Victoria Antoci.

„Kepler“ bestätigt die Theorie

Im Rahmen ihrer Doktorarbeit untersuchte die Forscherin Hunderte vom Kepler-Weltraumteleskop der NASA beobachtete Sterne nach Spuren von sonnenähnlichen Oszillationen und wurde fündig: Der Delta-Scuti-Stern mit dem Namen HD 187547 ist der erste Vertreter dieser Gruppe, der beide Arten von Oszillationen zeigt. „Mit HD 187547 haben wir ein ideales Objekt gefunden, um unterschiedlichste Prozesse und deren Wechselwirkungen unter extremen physikalischen Bedingungen zu untersuchen“, sagt Gerald Handler vom Nikolaus Kopernikus Center in Warschau, der die Doktorarbeit von Victoria Antoci betreut.

Aussagen über die tatsächliche Tiefe der äußeren Konvektionsschicht sind durch die in „Nature“ publizierte Arbeit erstmals möglich, ebenso wie eine Kalibration der Konvektionsmodelle in diesem Temperaturbereich. Zudem lässt sich durch das Vorhandensein zweier verschiedener Arten von Sternschwingungen der innere Aufbau von HD 187547 mit bisher unerreichter Genauigkeit modellieren. Die ForscherInnen stellten auch fest, dass HD 187547 abnorme Häufigkeiten bestimmter chemischer Elemente an seiner Oberfläche aufweist, was höchstwahrscheinlich mit einer langsamen Rotation des Sterns in Zusammenhang steht. Dabei sinken schwerere Elemente in die Tiefe, wo sie nicht mehr beobachtbar sind (man kann nur die Sternoberfläche direkt messen) und resultieren in einer Unterhäufigkeit im Sternspektrum. Leichte Elemente dagegen werden nach oben getrieben und zeigen eine Überhäufigkeit. Dieser physikalische Prozess ist als Diffusion bekannt und in Sternen wie HD 187547 noch nicht zur Gänze verstanden.

Publikation
The excitation of solar-like oscillations in a Sct star by efficient envelope convection. V. Antoci, G. Handler, T. L. Campante, A. O. Thygesen, A. Moya, T., Kallinger, D. Stello, A. Grigahcene, H. Kjeldsen, T. R. Bedding, T. Lüftinger, J. Christensen-Dalsgaard, G. Catanzaro, A. Frasca, P. De Cat, K. Uytterhoeven, H. Bruntt, G. Houdek, D. W. Kurtz, P. Lenz, A. Kaiser, J. Van Cleve, C. Allen & B. D. Clarke. In: Nature, September 14, 2011.
DOI:10.1038/nature10389.
Abstract: http://www.nature.com/nature/journal/vaop/ncurrent/abs/nature10389.html
Wissenschaftlicher Kontakt
Mag.a Victoria Antoci
Institut für Astronomie
Universität Wien
1180 Wien, Türkenschanzstraße 17
T +43-1-4277-518 22
victoria.antoci@univie.ac.at
Rückfragehinweis
Mag. Alexander Dworzak
Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien
1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1
T +43-1-4277-175 31
M +43-664-602 77-175 31
alexander.dworzak@univie.ac.at

Media Contact

Alexander Dworzak idw

Weitere Informationen:

http://www.univie.ac.at

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Bakterien für klimaneutrale Chemikalien der Zukunft

For­schen­de an der ETH Zü­rich ha­ben Bak­te­ri­en im La­bor so her­an­ge­züch­tet, dass sie Me­tha­nol ef­fi­zi­ent ver­wer­ten kön­nen. Jetzt lässt sich der Stoff­wech­sel die­ser Bak­te­ri­en an­zap­fen, um wert­vol­le Pro­duk­te her­zu­stel­len, die…

Batterien: Heute die Materialien von morgen modellieren

Welche Faktoren bestimmen, wie schnell sich eine Batterie laden lässt? Dieser und weiteren Fragen gehen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit computergestützten Simulationen nach. Mikrostrukturmodelle tragen dazu bei,…

Porosität von Sedimentgestein mit Neutronen untersucht

Forschung am FRM II zu geologischen Lagerstätten. Dauerhafte unterirdische Lagerung von CO2 Poren so klein wie Bakterien Porenmessung mit Neutronen auf den Nanometer genau Ob Sedimentgesteine fossile Kohlenwasserstoffe speichern können…

Partner & Förderer