Kosmische Gammastrahlen-Ausbrüche ohne dazugehörige Supernova?

Zwei junge Astrophysiker am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) haben mitgewirkt an der Entdeckung zweier kosmischer Gammastrahlen-Ausbrüche (Gamma-ray Bursts, GRBs), die entgegen der Erwartung nicht begleitet wurden von einer Supernova-Explosion. Diese Beobachtung stellt eine Herausforderung dar für das klassische Modell dieser hochenergetischen Phänomene, deren Strahlung von weit entfernten Galaxien zu uns kommt.

Es gibt zwei Sorten dieser nur kurze Zeit dauernden Gammastrahlen-Ausbrüche (Millisekunden bis zu wenigen Minuten): die „kurzen“ werden mit dem Verschmelzen zweier kompakter Objekte mit Massen ähnlich der der Sonne erklärt (Dauer: unter 2 Sekunden); die „langen“ dagegen (Dauer über 2 Sekunden) sollten dann entstehen, wenn ein Stern mit der vielfachen Masse der Sonne am Ende seines Lebens in Form einer Supernova explodiert. Diese neue Entdeckung – lange Gammastrahlen-Ausbrüche ohne Supernova – führt zu der Erkenntnis, dass der Anteil der GRBs ohne gleichzeitige Supernova-Explosion viel größer sein muss, als bisher vermutet.

Gammastrahlen-Ausbrüche (GRBs) sind Phänomene sehr hoher Energie, die in Zusammenhang stehen mit der Explosion eines massereichen Sternes am Ende seines Lebenszyklus oder mit dem Verschmelzen zweier kleinerer Sterne. Die in den letzten Jahren gesammelten Daten legten den Schluss nahe, dass die kurzen GRBs beim Zusammenstoß und anschließenden Verschmelzen zweier Himmelskörper mit sonnen-ähnlichen Massen auftreten, während die langen GRBs auf einen sehr massereichen Vorgängerstern hindeuten, der in Form einer Supernova explodierte (dieses Modell wird auch „Kollapsar“ genannt).

Bis jetzt wurde diese Theorie in allen Fällen eines langen Gammastrahlen-Ausbruchs durch den Nachweis einer entsprechenden Supernova bestätigt, während bei den kurzen GRBs bisher keine Hinweise auf eine Supernova-Explosion gefunden wurden.

Aber dieses einfache Modell scheint nun durch zwei neue Beobachtungen herausgefordert zu werden. An diesem Donnerstag berichtet ein von Johan Fynbo geleitetes Team, dem auch zwei Astrophysiker vom Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) angehören (Postdoc Arnaud Cassan und Doktorandin Marta Zub), die Entdeckung zweier Gammastrahlen-Ausbrüche langer Dauer, für die keine gleichzeitige Supernova-Explosion ermittelt werden konnte, trotz sehr vieler und lange belichteter Aufnahmen, die auch schwache Supernova-Signaturen hätten finden müssen.

Die zwei Ereignisse, die die Namen GRB060505 und GRB060614 tragen (nach den Daten, an denen sie gemessen wurden), wurden mit dem Satelliten-Teleskop Swift entdeckt; ihre jeweilige Dauer betrug 4 Sekunden bzw. 102 Sekunden. Sehr kurz danach erfolgte Messungen mit optischen Teleskopen in Chile und Hawaii wiesen nach, dass sich die Objekte in relativ nahen Galaxien befinden. Bei allen bisherigen solchen langen Gammastrahlen-Ausbrüchen hatte man in den darauffolgenden Tagen eine Supernova-Explosion identifizieren können. Dieser Nachweis gelang in diesen beiden Fällen nicht.

Zwei einfache Hypothesen könnten das Fehlen einer Supernova-Explosion erklären. Zum einen könnten diese beiden GRBs Extremfälle von kurzen Gammastrahlen-Ausbrüchen darstellen. Allerdings sind sie deutlich länger als irgendein vorher beobachteter kurzer GRB, und ihre Positionen am Himmel in Sternentstehungsregionen naher Galaxien argumentieren stark zugunsten von massereichen Vorgänger-Sternen. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, dass die Entfernungen dieser beiden GRBs viel größer sind, als man denkt, und ihre Himmelsposition nur zufällig mit den beiden Vordergrundgalaxien übereinstimmt. Es ist allerdings extrem unwahrscheinlich, dass diese Interpretation gleich in beiden Fällen zutreffen sollte. Diese zwei neuen Beobachtungen führen in jedem Fall dazu, die klare Trennung zwischen kurzen und langen Gammaray-Bursts aufzugeben, und damit auch die eindeutigen Beziehungen zu den Massen der Vorgängersterne. Dies würde auch bedeuten, dass das Fehlen einer Supernova nicht notwendigerweise einen massereichen Vorfahren ausschließt.

Da mit diesen beiden nun gleich zwei solche Kandidaten unter den sechs nächstgelegenen Gamma-ray Bursts sind, kann man erwarten, dass der Anteil der langen Gammastrahlen-Ausbrüche ohne Supernova viel höher ist, als bisher angenommen. Damit bedeutet diese Messung eine große Herausforderung für unser gegenwärtiges Verständnis der physikalischen Mechanismen von Gammastrahlen-Ausbrüchen. Offensichtlich sind sehr viel mehr Beobachtungen solcher Ereignisse notwendig, um mögliche Modelle zu bestätigen oder besser abzustimmen.

Die Arbeit erscheint am 21. Dezember 2006 in der Zeitschrift NATURE unter dem Titel: 'No supernovae associated with two long-duration gamma-ray bursts'.

Rückfragen bitte an:
Prof. Dr. Joachim Wambsganss
Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH)
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Pressesprecher der Universität Heidelberg
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