Heißes und sehr heißes Gas um Schwarze Löcher

Henk Spruit, Bernhard Deufel, Kees Dullemond

Abbildung 1: So etwa würde die Umgebung eines Schwarzen Lochs in einem Röntgendoppelstern nach der neuen Theorie aussehen. Die Akkretionsscheibe (braun und rot dargestellt) ist undurchsichtig und vergleichsweise kühl, mit Temperaturen bis 1 Million Grad. Näher am Loch im Zentrum gibt es ein sehr heisses, transparentes Gas (mehr als 100 Milliarden Grad, im Bild dargestellt durch den blauen `Dunst’). Im weissen Gebiet leuchtet die Scheibe auf durch die Wechselwirkung mit dem umgebenden blauen Dunst. In der Theorie spielt dieses Wechselwirkungsgebiet eine zentrale Rolle, und verursacht den grössten Teil der beobachteten Röntgenstrahlung.

Es gibt wahrscheinlich Milliarden Schwarzer Löcher in unserer Galaxis, die jedoch, weil schwarz, schwer zu entdecken sind. Sie verraten ihre Anwesenheit aber in spektakulärer Weise, wenn sie einen Begleitstern in der Nähe haben, der ihnen Masse spendiert. In diesem Fall werden Sie helle Röntgensterne: die enorm starken Schwerekräfte heizen das einfallende Gas dermassen auf, dass es in Röntgenstrahlen glüht.

Aber die Beobachtungen dieser Röntgenstrahlen geben einige schwierige Rätsel auf. Nach der gängigen Theorie erwartet man, dass das ins Loch strömende Gas eine undurchsichtige, leuchtende Scheibe bildet, eine sog. Akkretionsscheibe (Abb.1), mit einer Temperatur bis etwa 10 Millionen Grad. Die beobachteten Röntgenstrahlen zeigen, dass dies in den meisten Fällen nicht stimmt: das im Röntgenlicht strahlende Gas ist 1 Milliarde Grad heiss statt Millionen Grad, und transparent statt undurchsichtig. Es ist, als ob die inneren Teile der Akkretionsscheibe fehlen und ersetzt werden durch ein verdünntes, sehr heisses Plasma.

Die am Max-Planck-Institut für Astrophysik entwickelte neue Theorie erklärt nun, warum dies so ist. Sie beschreibt, wie die inneren Teile der kühlen Scheibe umgewandelt werden in ein heisses Plasma. Durch die Gravitationskräfte auf eine Temperatur über 100 Milliarden Grad geheizt, ist dieses Plasma in direktem Kontakt mit der kühlen Scheibe. Es heizt dessen Innenrand auf (weisse Gebiete in Abb.1), der dadurch in harten Röntgenstrahlen aufleuchtet (das Plasma selbst ist transparent und leuchtet nur schwach). Der wichtigste Teil der neuen Theorie erklärt nun, wie dieser Bereich `verdampfen’ kann, und wie das verdampfende Gas Teil des heissen Plasmas wird (in Abb.1 blau dargestellt). Schliesslich wird das Gas dann vom Schwarzen Loch geschluckt (s. auch die Skizze in Abb.2).

Abbildung 2: Skizze des Übergangs von einer kühlen Akkretionsscheibe in ein heisses `Zwei-Temperatur-Plasma’ (auch ’ion supported accretion flow’ oder ISAF). Die energetischen Ionen des ISAF heizen die kühle Scheibe (Ausschnitt rechts), und erzeugen dort harte Röntgenstrahlung. Diese geheizte Scheibe liefert auch die Masse für das Plasma im ISAF.

Das Schönste an der Theorie ist, dass sie nur Gebrauch macht von den schon lange bekannten Eigenschaften von ionisierten Plasmen, insbesondere von der Art, wie die Elektronen und Ionen eines sog. `Zwei-Temperaturen-Plasmas’ durch elektrische Kräfte Energie austauschen. Die Theorie ist eine ziemlich direkte Folge dieser Eigenschaften, aber eine, die bis jetzt übersehen wurde.

Abbildung 3: Wo ist in Bild 1 das Schwarze Loch? Es ist unsichtbar, denn weder reflektiert es Strahlung, noch strahlt es selbst. Der Ort des Lochs ist hier angedeutet durch eine gestrichelte Linie an der Stelle des sog. Horizontes. Dieser ist die letzte Fläche, von woher Strahlung aus der Umgebung des Lochs uns noch erreichen kann.

Weitere Informationen:

  • B. Deufel, C.P. Dullemond, H.C. Spruit, X-Ray spectra from accretion disks illuminated by protons, Preprint astro-ph/0108496
  • H.C. Spruit, B. Deufel, The transition from a cool disk to an ion supported flow, Preprint astro-ph/0108497

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Max-Planck-Institut für Astrophy

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