Mit dem optischen Frequenzkamm im Takt des Lichts – Nobelpreis für Physik 2005 an Theodor W. Hänsch

Vor genau 100 Jahren begründete Albert Einstein die Quantenoptik. Jetzt wurde drei Wissenschaftlern von der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften der Nobelpreis für Physik verliehen, die die Quantenoptik revolutioniert haben. Ihre Forschung ermöglicht den Weg zu neuen und verbesserten Anwendungen von optischen Uhren bis zur Satellitennavigation. Theodor Hänsch, Professor für Physik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching, ist einer der Preisträger. Er erhält die Auszeichnung für die Entwicklung des Frequenzkamms, mit dessen Hilfe Lichtfrequenzen extrem genau gemessen werden können. Hänsch teilt sich eine Hälfte des Preises mit John L. Hall von der University of Colorado. Die zweite Hälfte des Preises geht an Roy Glauber, Harvard University, dessen Arbeit die theoretische Grundlage für die Forschung von Hall und Hänsch lieferte.

Als Wissenschaftler hat sich Theodor Hänsch ultrapräzisen Messungen verschrieben. Trotzdem geht die von ihm entwickelte optische Atomuhr nicht ganz genau. Um immerhin fünf Minuten hätte sie sich jetzt schon verstellt – wäre sie denn vor etwa zehn Milliarden Jahren zeitgleich mit der Erde entstanden. Dabei ist eine neue Standarduhr nur eine der möglichen Anwendungen, die sich aus Hänschs Forschung ergeben. Die Farbe des Lichts möchte der Physiker so genau wie möglich messen können und hat es dabei sehr viel weiter geschafft als jeder andere. Licht besteht aus elektromagnetischen Wellen, die durch ihre Frequenz und Wellenlänge charakterisiert sind. Die verschiedenen Wellenlängen werden als Farben wahrgenommen. Liegen sie im Bereich zwischen 400 und 800 Nanometer – also Millionstel Millimeter – gehören sie zum sichtbaren Spektrum des Lichts. Die längsten sichtbaren Wellenlängen erscheinen rot, jenseits davon fallen sie in den infraroten Bereich. Die kürzesten sichtbaren Wellenlängen erscheinen blau, noch kürzere gehören in den ultravioletten Bereich.

Die höchsten elektronischen Frequenzen, die technisch verwendet werden, liegen bei etwa einem bis zehn Gigaherz. Sie werden beispielsweise für das Satellitenfernsehen oder modernere PCs eingesetzt. Die Frequenzen des sichtbaren Lichts sind aber sehr viel größer und können elektronisch nicht gemessen werden. In der Vergangenheit wurden deshalb nicht die optischen Frequenzen, sondern die Wellenlänge des Lichts gemessen. Die so genannte Spektroskopie ist die Bestimmung der Wellenlängen des Lichts, das von Atomen ausgesandt wird. Diesen Informationen ist ein Großteil des Wissens über die Physik der Atome zu verdanken. Daraus entwickelte Theorien, etwa die Quantenmechanik, können aber nur getestet werden, wenn sehr viel genauere Messungen vorliegen. Denn diese Theorien erlauben auch sehr genaue Berechnungen. In der Tat hat man in der Quantenmechanik noch keine signifikante Abweichung vom Experiment feststellen können – obwohl sich die Messgenauigkeit in den letzten Jahrzehnten drastisch gesteigert hat.

Extrem genau lässt sich bislang aber nur die Zeit messen. Alle anderen physikalischen Größen können nur sehr viel weniger präzise bestimmt werden. Höchste Genauigkeit lässt sich also nur erreichen, wenn Zeit der zu bestimmende Faktor ist. Das wiederum gelingt mit einer Frequenzmessung, also der Bestimmung der Anzahl von Schwingungen pro Sekunde. Im Idealfall entspricht eine Frequenzmessung einer Uhr, die anzeigt, wann die Sekunde vorüber ist. Dazu allerdings darf die Anzahl der Schwingungen nicht zu groß sein. Mit einem Frequenzkamm, für dessen Entwicklung Hänsch den Nobelpreis erhält, lässt sich diese Messung auf einfachste Weise realisieren: Der Frequenzkamm entspricht dem Zählwerk einer „normalen“ Uhr.

Ob Sonnenuhr, Sanduhr, Pendeluhr, Quarzuhr oder Cäsium-Atomuhr: Eine Uhr besteht immer aus zwei Komponenten, dem möglichst gleichmäßig schwingenden Oszillator, und einem Zähler, der diese Schwingungen mitzählt und nach einer gewissen Anzahl Schwingungen etwa den Sekundenzeiger um eine Einheit weiterbewegt. Bei Uhren mit sehr langsamen Oszillatoren, etwa der Sonnenuhr mit einer Schwingung pro Tag, kann der Mensch mitzählen. Bei Pendeluhren ist ein Zählwerk nötig, um eine praktisch verwendbare Uhr zu haben. Bei einer Quarzuhr oder einer Cäsium-Atomuhr braucht man sogar ein elektronisches Zählwerk: Die 9.192.631.779 Schwingungen der Cäsiumatome pro Sekunde sind sogar die offizielle Definition der Länge dieser Zeiteinheit.

Je schneller das Pendel schwingt, desto genauer geht die jeweilige Uhr. Eine noch sehr viel präzisere Uhr könnte also mit Hilfe eines „optischen“ Pendels gebaut werden. Dafür kommt ein Atom in Frage, das eine genau definierte optische Welle, also Licht, aussendet. Ein derartiges Pendel zu entwickeln, war eine vergleichsweise geringe technische Herausforderung. Probleme bereitete dagegen das Uhrwerk, das schließlich derart schnelle Schwingungen messen können muss. Der Frequenzkamm, dessen theoretische Grundlagen Hänsch in den späten 1970er Jahren entwickelte, war die Lösung. Diese Technik erfordert einen Laser, der ultrakurze Lichtpulse auf gleichbleibender Wellenlänge aussendet.

Im Labor von Hänsch wird für den optischen Frequenzkamm ein Titan:Saphir-Pulslaser verwendet, dessen kurze Lichtpulse zwischen Umlenkspiegeln zirkulieren. Energieverluste aufgrund der nicht ganz perfekten Reflexion können durch einen optischen Verstärker ausgeglichen werden. Dieser Aufbau erlaubt, denselben Lichtpuls auch tagelang in der Spiegelanordnung umlaufen zu lassen. Am Ausgang des Lasers erhält man eine Kopie des Lichtpulses nach jedem Umlauf, einmal pro Nanosekunde. Mit Hilfe eines von Hänsch und seinen Mitarbeitern entwickelten Tricks lässt sich die Pulsrate so einstellen, dass auf genau eine Million Zyklen eines sehr schnell oszillierenden Einfarbenlasers genau ein Puls fällt. Um die Frequenz des Einfarbenlasers zu messen, müssen die Wissenschaftler dann nur die Pulsrate bestimmen, was sehr leicht ist, weil sie bei etwa einem Gigaherz liegt. Das Ergebnis wird dann nur noch mit einer Million multipliziert. Die Bezeichnung „Frequenzkamm“ stammt von der Ähnlichkeit des Spektrums eines Pulslasers mit einem gewöhnlichen Kamm.

Ein Bereich der Anwendung ergibt sich etwa bei Konstanten der Natur, deren Stabilität im Verlauf der Zeit untersucht werden kann. Auch die Unterschiede zwischen Materie und Antimaterie können dank der Methode bestimmt werden. Aber auch sehr viele alltagstaugliche Umsetzungen gibt es. Derart genaue Atomuhren werden etwa bei der Synchronisation von Datennetzen gebraucht. Wenn man zum Beispiel ein Fax versendet, kommt unter Umständen eine Atomuhr zum Einsatz. Eine weitere Anwendung aus dem Alltag ist die Satellitennavigation im Auto oder im Flugzeug. Mit den genaueren optischen Uhren werden sich möglicherweise aber auch neue Anwendungen ergeben. Ein Beispiel ist das Aufspüren von Erzlagerstätten. Deren Gravitation verursacht eine winzige Änderung des Verlaufs der Zeit, den Hänsch und sein Team nachweisen können. Ursprünglich haben sie diese Technik an ihrem Institut aber für die Grundlagenforschung entwickelt. Auf diesem Weg ist es dann gelungen, die präzisen Voraussagen der Quantenmechanik anhand des Wasserstoffatoms auf insgesamt 14 Dezimalstellen zu überprüfen.

Professor Theodor W. Hänsch ist am 30. Oktober 1941 in Heidelberg geboren. An der Universität Heidelberg studierte er von 1963 bis 1970 Physik und promovierte dort auch. Die nachfolgenden sechzehn Jahre verbrachte er als Postdoc, Associate Professor und Full Professor an der US-amerikanischen Stanford University in Kalifornien. 1986 kehrte Hänsch nach Deutschland zurück und übernahm den Lehrstuhl für Experimentalphysik und Laserspektroskopie an der LMU. Er ist außerdem Direktor des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching. Hänsch wurde mit zahlreichen hohen staatlichen und wissenschaftlichen Auszeichnungen gewürdigt. Er erhielt unter anderem den Philip Morris-Forschungspreis und mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft die höchste wissenschaftliche Auszeichnung in Deutschland. In diesem Jahr wurde Hänsch die höchste Auszeichnung der „Optical Society of America (OSA)“, die Frederic Ives Medal, verliehen. Den Preisträgern wird damit die höchste Ebene wissenschaftlicher Leistung auf ihrem Gebiet bestätigt. Hänsch erhielt auch den Otto Hahn-Preis für Chemie und Physik der Gesellschaft Deutscher Chemiker, der Deutschen Physikalischen Gesellschaft und der Stadt Frankfurt am Main. Er ist damit der erste Preisträger des nunmehr aus den beiden Otto-Hahn-Preisen fusionierten Preises für wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der Physik oder Chemie. Der Preis ist mit 50.000 Euro dotiert und wird am 29. November 2005 in der Frankfurter Paulskirche verliehen. Professor Hänsch ist Träger des Verdienstkreuzes 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und des Bayerischen Maximiliansordens für Wissenschaft und Kunst.

Media Contact

Luise Dirscherl idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-muenchen.de/

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