Die ältesten Diamanten im Sonnensystem: Neue Erkenntnisse zum Vorleben

Präsolares Diamant-Korn im Transmissions-Elektronen-Mikroskop. Hoch aufgelöstes Bild aufgenommen von F. Banhart (seinerzeit am Max-Planck-Institut für Metallforschung, Stuttgart). Zu sehen sind die kristallographischen [111]-Netzebenen.

Wissenschaftler des Karpov-Instituts für Physikalische Chemie (Moskau) und des Max-Planck-Instituts für Chemie (Mainz) berichten über neue Erkenntnisse zur Frühgeschichte präsolarer Diamanten, der am weitesten verbreiteten Art uns bekannter präsolarer Materie im Sonnensystem. Grundlage sind Simulationsexperimente, bei denen irdische Diamanten mit Edelgasionen beschossen wurden (Nature, 9. August 2001).

Ein herausragendes Ergebnis der modernen Meteoritenforschung ist die Erkenntnis, dass viele der primitiveren Meteorite Sternenstaub enthalten, Staubkörner präsolaren Ursprungs, die älter sind als das Sonnensystem. Geboren aus der Asche sterbender Sterne, haben diese Körner alle nachfolgenden Ereignisse im interstellaren Raum und Sonnensystem unbeschadet überstanden. Die isotopische Zusammensetzung ihrer Elemente ist Zeugnis der nuklearen Prozesse in Sternen, bei denen neue Elemente „geschmiedet“ werden (Nukleosynthese). Umgekehrt kann unser Verständnis der Nukleosynthese Hinweise auf die stellaren Quellen der jeweiligen Körner geben. Aufbauend auf früheren Analysen von „Sternenstaub-Diamanten“ durch die Max-Planck-Gruppe, haben jetzt Wissenschaftler des Karpov-Instituts für Physikalische Chemie und des Max-Planck-Instituts für Chemie Simulationsexperimente durchgeführt, bei denen terrestrische Diamanten mit Edelgasionen beschossen wurden. Die Untersuchung der so behandelten Diamanten ermöglicht Rückschlüsse auf Ereignisse in der Frühgeschichte der „Stern-Diamanten“ (Nature, 9. August 2001).

Sternenstaub, wie er bis jetzt in Meteoriten identifiziert wurde, besteht aus chemisch und thermisch höchst stabilen Mineralen wie Diamant, Graphit, Siliziumkarbid, Korund (Aluminiumoxid) und Siliziumnnitrid. Obwohl die Diamanten zuerst entdeckt wurden und weitaus am häufigsten vorkommen (ca. 0,1 Gew.% in den primitivsten Meteoriten), wissen wir von ihnen doch am wenigsten. Der Hinweis, dass sie präsolaren Ursprungs sind, beruht allein auf der isotopischen Zusammensetzung einiger in Diamanten enthaltener Spurenelemente, insbesondere Spuren von Edelgasen wie Xenon. In der Tat ist es vor allem die ungewöhnliche isotopische Zusammensetzung des Xenons, die leichtesten und schwersten Isotope sind um ca. 100% angereichert, die eine Verbindung zu Supernova-Explosionen andeutet.

Unter diesen Umständen sollte es hilfreich sein, mehr über den Prozess des Einbringens der Fremdatome in die Diamanten zu wissen. Hierzu gibt es starke, jedoch bisher nur indirekte Hinweise, dass dies durch Ionenbeschuss geschah. Um diese Hypothese zu testen, führten die Wissenschaftler der russisch-deutschen Zusammenarbeit ein Simulationsexperiment durch: irdische Nanodiamanten von ähnlicher Größe wie die präsolaren (extrem klein, nur wenige Nanometer; s. Abbildung) wurden mit einer Edelgasmischung bestehend aus Helium-, Argon-, Krypton- und Xenonionen einer Energie von 700 Elektronenvolt bestrahlt; anschließend wurde die thermische Freisetzung der implantierten Edelgase untersucht. Zum einen zeigte sich, nicht unerwartet, dass die Ionen unter den gegebenen Bedingungen tatsächlich in die Nanodiamanten implantiert wurden. Überraschend jedoch war, dass die Freisetzung bimodal verlief: für einen Teil der Edelgase erfolgte sie im Temperaturbereich 200 bis 700 °C, für einen weiteren Teil oberhalb von 1000 °C. Diese Situation, nach einer einmaligen Bestrahlung mit Ionen, ist auf den ersten Blick ähnlich der Situation bei den präsolaren Diamanten, jedoch ist hier die Lage komplizierter. Im Fall der „Stern-Diamanten“ müssen nämlich mindestens zwei Bestrahlungen stattgefunden haben, dies zeigen Unterschiede in der isotopischen Zusammensetzung der Edelgase: isotopisch „normale“ Edelgase werden bei tiefer Temperatur freigesetzt, Edelgase mit vermutlichem Supernova-Ursprung bei höherer.

Wenn in der Tat Ionenimplantation der Prozess ist, mit dessen Hilfe Spurenelemente in die präsolaren Diamanten eingebracht wurden, und wenn, wie die Simulation andeutet, die mittels Ionenimplantation eingebrachten Fremdatome Plätze verschiedener thermischer Stabilität einnehmen, scheint der folgende Ablauf wahrscheinlich:

  • Diamant-Bildung, wahrscheinlich durch Kondensation;
  • Bestrahlung der Diamanten (oder eines Teils davon) mit Supernova-Spurenelementen;
  • Verlust des thermisch weniger fest gebundenen Teils des implantierten Supernova-Materials;
  • zusätzliche Bestrahlung der Diamanten zu einem späteren Zeitpunkt (oder eines anderen Teils davon zu einer weitgehend beliebigen Zeit) mit Spurenelementen normaler Isotopenzusammensetzung, vielleicht im interstellaren Raum oder im frühen Sonnensystem;
  • keine hohen Temperaturen mehr für längere Zeit (z.B. nicht mehr als ca. 10.000 Jahre bei mehr als 100 °C).

Eine weitere wichtige Information aus dem Simulationsprozess ist, dass der fester gebundene Teil der implantierten Edelgase in seiner Isotopenzusammensetzung fraktioniert ist gegenüber der Ausgangszusammensetzung. Sollte dies, wie zu erwarten, auch im Fall der Sternenstaub-Diamanten der Fall sein, bedürfen die bisher aus den Messdaten abgeleiteten Häufigkeiten und isotopischen Zusammensetzungen der Supernova-Implantate einer entsprechenden Korrektur. Wie bedeutend die Änderungen sind und ob sie von Bedeutung sind für das Verständnis der implizierten nuklearen Prozesse, bleibt im Detail noch zu klären.

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Dr. Ulrich Ott
Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz
Tel.: +49 6131 305-366
Fax: +49 6131 305-575
E-Mail: ott@mpch-mainz.mpg.de

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Dr. Peter Merlet idw

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