Nobelpreis für Quark-Kraft – Wie die Welt im Innersten zusammenhält

Für ihre wegweisenden Entdeckungen aus der Welt der Quarks erhalten die drei US-Forscher David Gross, David Politzer und Frank Wilczek den Physik-Nobelpreis 2004. Durch ihre Forschungen wurde klar, wie die kleinsten Bausteine der Natur zusammengehalten werden.

Das Herzstück der Materie heißt Quark. Die „Quarks“ sind die fundamentalen Bausteine aller Atomkerne, benannt nach schemenhaften Wesen aus dem Roman „Finnegans Wake“ von James Joyce. Sie werden durch eine der vier Naturkräfte in Gruppen zusammengehalten. Lange war den Physikern nicht klar, wie diese so genannte Starke Kraft die Quarks so stark binden kann, dass sie immer mindestens zu zweit auftreten. Für die Erklärung, wie die Welt im Innersten zusammenhält, bekommen die US-Forscher David Gross, David Politzer und Frank Wilczek den mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro dotierten Physik-Nobelpreis 2004.

Die Starke Kraft verhält sich demnach wie eine Art Gummiband: Werden Quarks auseinander gezogen, wächst die Kraft zwischen ihnen rasant an. Sind sich die Quarks dagegen sehr nahe, ignorieren sie sich nahezu. Wird das „Gummiband“ zwischen den Quarks zu stark gedehnt und reißt, bilden sich an den Rissenden allein aus der frei werdenden Energie sofort neue Quarks, die mit den ursprünglichen neue Paare formen. Diese „asymptotische Freiheit“ erklärt, warum die Elementarteilchen nie einzeln beobachtet werden konnten.

Die drei Physiker stellten fest, dass die Starke Kraft bei schrumpfenden Abständen kleiner und kleiner wird. „Damit war es möglich, bewährte Rechenmethoden einzusetzen und präzise Vorhersagen für Experimente zu machen“, betont Robert Klanner, Forschungsdirektor am Hamburger Teilchenforschungszentrum DESY, wo wesentliche Teile dieser Theorie überprüft wurden. „Das war eine fundamentale Erkenntnis. Die Welt wäre ohne diese Eigenschaft der Natur so grundsätzlich anders, dass es uns gar nicht geben würde.“

Mit der erfolgreichen Beschreibung dieser Wechselwirkung zwischen den Quarks vervollständigten die Forscher nach dem Urteil des Nobelkomitees das Standardmodell der Physik. „Unser Verständnis der Welt um uns herum ist durch die jetzt belohnten Arbeiten wesentlich vertieft worden“, sagt der Komiteevorsitzende Sune Sandberg. Darüber hinaus gelten die Erkenntnisse als wichtiger Schritt zu einer einheitlichen Theorie der Naturkräfte, einer „Weltformel“.

Im Juni 1973 hatten Gross und Wilczek sowie Politzer in zwei unabhängigen Artikeln im Fachblatt ’Physical Review Letters’ ihre Ergebnisse veröffentlicht. Wilczek und Politzer waren damals noch Doktoranden. Heute arbeitet Gross an der Universität von Kalifornien in Santa Barbara, Politzer am California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena und Wilczek am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge.

Vorreiter war der 1983 gestorbenen Hamburger Physiker Kurt Symanzik, wie der zuständige Fachsprecher des Nobelkomitees, Lars Brink, hervorhebt: „Symanzik hat die richtigen Fragen gestellt. Leider war aber nicht er es, der die richtige Theorie dazu gefunden hat.“ Gross, Politzer und Wilczek hätten bei ihren Berechnungen „in sehr unorthodoxer Weise unnötigen Ballast abgeworfen, der andere bei ihren Lösungsversuchen scheitern ließ.“ Brink erklärt weiter: „Das Resultat sah dann auch ganz anders aus, als alle erwartet hatten.“

Heute ist die Theorie der Quark-Wechselwirkungen, die Quantenchromodynamik (QCD), und ihre Vorhersagen in zahlreichen Experimenten an den großen Teilchenforschungslaboren der Welt exzellent überprüft, wie Klanner betont. Schon 1979 wurde am DESY der Klebstoff der Starken Kraft entdeckt, das „Gluon“ (von englisch „glue“, Kleber).

Im Alltag merken wir die Starke Kraft, die Grundlage aller Materie, nicht. Hier sind wir mit nur zwei der vier Naturkräfte direkt konfrontiert: Die Schwerkraft hält uns auf dem Boden, und die elektromagnetische Kraft sorgt unter anderem über die Reibung dafür, dass unser Fuß dort beim Laufen sicheren Halt findet. Die Starke Kraft wirkt nur über Entfernungen, die rund einem Hunderttausendstel eines Atomkerndurchmessers entsprechen. Was jenseits liegt, interessiert sie nicht.

DAVID GROSS: Die Quarks, die kleinsten Teilchen der Materie, sind die besondere Leidenschaft von David Gross. Für Antworten auf Alltagsfragen wie «Warum ist der Himmel blau?» geht der US-Physiker ins Detail. Letztendlich sind die Quarks auch für die Himmelsfärbung bedeutsam, sagt er. Die Nachricht vom Nobelpreis erreichte Gross um 3.00 Uhr morgens in den USA. Er sei bewegt, sagte er. Gross wurde 1941 in Washington D.C. geboren, er studierte Physik und promovierte 1966 an der University of California in Berkeley. Danach forschte er an den renommierten US-Universitäten Harvard und Princeton. Heute leitet der 63-Jährige das Kavli-Institut für Theoretische Physik an der University of California in Santa Barbara.

FRANK WILCZEK: Der Amerikaner Frank Wilczek gilt trotz seines vergleichsweise jungen Alters von 53 Jahren als einer der größten Denker der Welt auf dem Gebiet der Teilchenphysik. Als faszinierende Persönlichkeit, die geradezu «sprüht vor Ideen», beschreibt der Forschungsdirektor des Hamburger Teilchenforschungszentrums DESY, Robert Klanner, den frisch gebackenen Nobelpreisträger für Physik. Er werde den Rest des Tages wie auf Wolken schweben, «etwa sechs Fuß (drei Meter) über dem Boden», sagte er nach der Benachrichtigung durch das Nobelpreiskomitee. Wilczek studierte bei David Gross. Schon mit 21 Jahren machte er Anfang der 70er Jahre seine nun ausgezeichnete bahnbrechende Entdeckung. Er erhielt bereits mehrere renommierte Physikpreise. Kollegen heben jedoch vor allem sein Talent hervor, mit beiden Füßen auf dem Boden zu stehen und die kniffligsten Theorien für jedermann verständlich erläutern zu können.

DAVID POLITZER: Der amerikanische Physiker David Politzer meidet das Rampenlicht. Nicht einmal dem Nobelpreiskomitee in Stockholm gelang es, sein Geburtsdatum herauszufinden. Die Nachricht aus Stockholm erreichte ihn in der Nacht kurz nach 2.00 Uhr Ortszeit. Allem Anschein nach unberührt, zog es Politzer vor, sich anschließend wieder aufs Ohr zu legen. Politzer promovierte 1973 noch an der Harvard-Universität in Cambridge bei Boston, als er unabhängig von Wilczek und Gross seine nun prämierte Entdeckung machte. Bald nach der Veröffentlichung wurde Politzer als Professor ans California Institute of Technology in Pasadena gerufen. Dort lehrt er noch heute, tritt aber nur noch selten mit neuen Forschungserkenntnissen hervor. Caltech datiert seine letzte Veröffentlichung acht Jahre zurück auf August 1996.

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Weitere Informationen:

http://kworkquark.net/

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