Erfolgreiches Experiment zur Struktur der Marangoni-Konvektion unter Schwerelosigkeit

Prof. Dr. Dietrich Schwabe vom I. Physikalischen Institut derJustus-Liebig-Universität Gießen führte Experiment durch – „Gute Möglichkeitenzur Überprüfung und Verbesserung existierender Theorien“

Sehr erfolgreich verlief ein 14-minütiges Experiment zur Struktur der Marangoni-Konvektion unter Schwerelosigkeit, das am 28. April 2001 auf der Höhenforschungsrakete MAXUS 4 auf ESRANGE bei Kiruna (Nordschweden) von Prof. Dr. Dietrich Schwabe vom I. Physikalischen Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen durchgeführt wurde. Finanziert wurde das Experiment von der European Space Agency ESA und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Der erste Blick in die Daten verspricht, so Prof. Schwabe, interessante Ergebnisse.

Thermokapillare Konvektion wird in freien Schmelzenoberflächen durch dort herrschende Temperaturdifferenzen angetrieben, wie sie beispielsweise bei der Kristallzüchtung typisch sind. Thermokapillare Konvektion ist für den Stoff- und Wärmetransport wichtig, und bei der Kristallzüchtung sorgt ihre räumliche Struktur für Inhomogenitäten von Dotierstoff im Kristall und ihre zeitliche Struktur (Strömungsoszillationen) für Dotierstoffbänder (striations). Homogene Dotierung ist das Ziel – die Vermeidung konvektiver Strukturbildung in der Schmelze der Weg- und Kristallzüchtung bei kleinen Temperaturdifferenzen (unterhalb der Strukturbildungsschwelle) eine Möglichkeit. Dazu muss man die Mechanismen und die Schwelle der Strukturbildungsmechanismen verstehen bzw. kennen.

Der thermokapillare Antrieb und seine Einsatzschwelle für Oszillationen wirkt unabhängig von der Erdschwere (der Gravitation) und lässt sich daher in reiner Form unter Schwerelosigkeit studieren. Die Flüssigkeitszone – verwandt mit der „floating zone“ aus der Siliziumeinkristalle für die Hochleistungsbauelemente der Halbleiterindustrie gezüchtet werden – ist dazu besonders geeignet. Sie ist ein Flüssigkeitszylinder mit freier Zylindermantelfläche, die an beiden Enden von z. B. Metallzylindern gleichen Durchmessers gehalten wird. Die beiden Metallzylinder werden auf verschiedene Temperatur gebracht und thermokapillare Konvektion mit einer Stärke angefacht, die der Temperaturdifferenz zwischen den Metallzylindern entspricht.

Prof. Schwabe und Norbert Kurmann vom 1. Physikalischen Institut der JLU untersuchen unter Schwerelosigkeit eine Flüssigkeitsbrücke an der Rayleigh-Grenze, d. h. mit einer Länge, die fünfmal größer ist als der Zonenradius. Ein solches Gebilde wird durch Oberflächenspannung stabil gehalten, aber nur unter Schwerelosigkeit ist eine so große Zonenlänge möglich. Stabile Zonen auf der Erde haben ein bedeutend kleineres Verhältnis von Länge zu Radius und sind darüber hinaus immer durch hydrostatischen Druck verformt.

Die lange Zone an der Rayleigh-Grenze hat den Vorteil, dass sich in ihr die wellenförmigen Störungen der thermokapillaren Konvektion auch in Achsenrichtung ausbreiten können, die bei kurzen Zonen auf der Erde durch die Endzylinder aus Metall unterdrückt werden. Die Gießener Wissenschaftler erwarten daher in der Zone an der Rayleigh-Grenze eine deutlich kleinere Temperaturdifferenz für den Oszillationseinsatz und hoffen, den Winkel der Wellenfronten zur Zonenachse messen zu können. Außerdem erwarten sie, neben der wellenförmigen Struktur, die Ausbildung von zwei bis drei Konvektionsrollen, die axial angeordnet sind, während auf der Erde die Zonen immer so kurz sind, dass nur eine thermokapillare Konvektionsrolle ausgebildet werden kann.

Die Beobachtungen und Messungen werden zu einer Überprüfung und der Verbesserung existierender Theorien führen, erklärt Prof. Schwabe nach dem erfolgreichen Verlauf des Experiments. Zum Beispiel berücksichtige die Theorie bisher nicht die mehrfachen axial angeordneten Konvektionsrollen, die alle den gleichen Drehsinn haben.

Kontakt:
Prof. Dr. Dietrich Schwabe
1. Physikalisches Institut der JLU Gießen
Heinrich-Buff-Ring 16
35392 Gießen
Tel.: 0641/99-33150
Fax: 0641/99-33119
E-Mail: Dietrich.Schwabe@physik.uni-giessen.de

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Charlotte Brückner-Ihl idw

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