Kosmische Lupe enthüllt Sternentstehung im frühen Universum

Abb. 1: Der bislang am weitesten entfernte Quasar SDSS J1148+5251 ist in der optischen Aufnahme des Sloan Digital Sky Survey im Bildzentrum als ein schwacher Punkt zu erkennen. Alle anderen Objekte sind Vordergrund-Galaxien, die mit dem Quasar in keiner Beziehung stehen. Die Konturlinien zeigen die Intensität der Strahlung bei Millimeter-Wellenlängen, wie sie mit dem MAMBO-2 Detektor am 30 Meter-Teleskop von IRAM gemessen wurde. Deutlich erkennbar ist die starke Strahlung des Quasars. <br>Bild: Max-Planck-Institut für Radioastronomie/Frank Bertoldi

Nachweis intensiver Sternentstehung in Quasaren dank erfolgreicher Kooperation zwischen Radioastronomen aus Deutschland, Frankreich und den USA

Quasare, frühe Galaxien in der Anfangszeit des Universums, beherbergten nicht nur supermassive Schwarze Löcher, dort sind auch ungeheure Mengen an neuen Sternen entstanden, berichtet ein internationales Radioastronomen-Team in der Fachzeitschrift „Science“ (Science Express, 3. April 2003). Zudem gelang den beteiligten Wissenschaftlern vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie unter Leitung von Frank Bertoldi ein neuer Rekord: In zwei fernen Quasaren, darunter der – unter den bisher bekannten – am weitesten von der Erde entfernte Quasar SDSS J1148 (Rotverschiebung z=6,4), konnten sie große Mengen Staub, also Material nachweisen, aus dem sich neue Sterne bilden. Bei dem Quasars PSS J2322 kam ihnen der Zufall zu Hilfe: Eine bislang noch nicht identifizierte Gravitationslinse in der Sichtlinie zwischen der Erde und diesem extrem weit entfernten Objekt verstärkt und verzerrt dessen Strahlung zu einem „Einstein-Ring“ und erlaubt so, wie durch eine kosmische Lupe, einen unerwartet detaillierten Einblick in die Gasverteilung im Zentrum dieses Quasars. Beide Beobachtungen belegen, dass bereits im frühen Universum, also etwa 700 Millionen Jahre nach dem Urknall, ungeheure Mengen an Sternen entstanden sind. Die Messungen wurden am 30-Meter-Radiotelekop von IRAM (Institut de Radioastronomie Millimétrique) auf dem Pico Veleta bei Granada in Spanien mit dem am Max-Planck-Institut für Radioastronomie entwickelten hochempfindlichen Wärmesensor MAMBO (Max-Planck-Millimeter Bolometer) und am VLA (Very Large Array) in Socorro/New Mexico durchgeführt.

Quasare (Kurzform für quasistellare Objekte) sind die leuchtkräftigsten Objekte am Rand des bekannten Universums. Ihre Helligkeit kann Billiarden mal heller sein als die Sonne. Sie strahlen ungeheure Mengen an Energie ab, die dadurch entsteht, dass Materie in die supermassiven Schwarzen Löcher im Zentrum dieser frühen Galaxien fällt. Das dabei hell aufleuchtende Gas macht die Quasare zu kosmischen Leuchtfeuern, die es ermöglichen, mit Hilfe von Teleskopen tief in die Vergangenheit und damit in die Anfangszeit des Universums zurück zu blicken.

Astrophysiker interessieren sich heute jedoch besonders für die Wärmestrahlung der Quasare. „Die Wärmestrahlung ist ein starkes Indiz dafür, dass dort extrem viele Sterne entstehen. Die Messungen deuten darauf hin, dass die Sternentstehungsrate in Quasaren tausendmal höher ist als in ‚normalen’ Galaxien wie unserer Milchstrasse“ erläutert Frank Bertoldi, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, der die Beobachtung der Rekord-Quasare geleitet hat. Doch ein direkter Beweis für die Sternentstehung in den frühesten Epochen des Universums fehlte bisher.

Mit Hilfe eines „kosmischen Vergrößerungsglases“ ist es der internationalen Forschergruppe nun gelungen, einen genaueren Blick in das Innenleben des extrem weit entfernten Quasars PSS J2322 zu werfen. Eine zufällig auf der Sichtlinie von der Erde zu diesem Quasar liegende Linse bündelt durch ihre Gravitation die Wärmestrahlung des Quasars zu einem so genannten „Einstein-Ring“, ein Gravitationseffekt, der von Albert Einstein 1936 als Konsequenz seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorausgesagt, aber für sehr unwahrscheinlich gehalten wurde. Dabei verbiegt die Schwerkraft einer Galaxie das Licht eines Objekts, das sich genau hinter ihr befindet. Der Beobachter sieht dann das Objekt mehrfach, weil die Lichtstrahlen unterschiedliche Wege nehmen. Befinden sich das Objekt, die Gravitationslinse und der Beobachter sogar exakt auf einer Linie, werden die Lichtstrahlen des hinteren Objekts zu einem perfekten Ring, einem Einstein-Ring, um die Galaxis abgelenkt. Die erste Gravitationslinse entdeckte man im Jahre 1979, den ersten Einstein-Ring 1987. Mit PSS J2322 wurde der bisher am weitesten entfernte Einstein-Ring nachgewiesen.

„Solche starken Gravitationslinsen sind äußerst selten,“ meint Chris Carilli vom National Radio Astronomical Observatory, der die hochauflösenden Beobachtungen des Einstein-Rings am Very Large Array in der Wüste Neu-Mexikos durchführte. „Schon nach den ersten Bolometer-Messungen mit dem 30-Meter-Teleskop von IRAM, bei denen das Objekt ungewöhnlich hell erschien, hatten wir eine Gravitationslinse vor diesem Quasar vermutet. Dass aber die Linse direkt vor dem Quasar sitzt und dadurch die Strahlung in einen schönen Einstein-Ring auffächert, übertraf dann doch bei weitem unsere Erwartungen.“

Da der Quasar zu weit entfernt ist, kann die Verteilung des Gases nicht durch direkte Beobachtung bestimmt werden. Erst die bündelnde Gravitationskraft eines bislang noch nicht identifizierten davor liegenden Objekts erlaubte es den Forschern, im Fall des Quasars PSS J2322 die relative Position des Schwarzen Lochs und der umgebenden Gaswolken zu bestimmen. Befände sich das Gas sehr nahe am Schwarzen Loch, wäre die beobachtete Strahlung des warmen Staubs oder der Kohlenmonoxid-Moleküle ähnlich verteilt wie die optisch sichtbare Strahlung des kompakten Quasars: zwei punktförmige Objekte in einem Abstand von etwa 2 Bogensekunden, das entspricht einem Tausendstel des scheinbaren Monddurchmessers.

Tatsächlich aber verteilt sich die Wärmestrahlung durch die Ablenkung im Gravitationsfeld der Vordergrundgalaxie auf einen runden Ring. Aus der Größe und relativen Position des Rings und der optischen Abbildung des Quasars konnten die Wissenschaftler ableiten, dass Staub und Gas auf eine ausgedehnte und wahrscheinlich abgeflachte Scheibe mit einem Durchmesser von etwa 12.000 Lichtjahren verteilt sind. Hingegen konzentriert sich das Schwarze Loch mit seinem umgebenden heiß leuchtenden Gas auf eine Region von wenigen Lichttagen.

Somit sehen sich Frank Bertoldi und seine Kollegen bestätigt: „Dieser Glücksfall eines durch eine Gravitationslinse verstärkten Quasars hat unsere Vermutung untermauert, dass in den staubigen Molekülwolken der Quasare in großer Zahl neue Sterne entstehen. Denn die Strahlungsintensität der Wolken ist so groß, dass sie bei einem so großen Abstand zum Schwarzen Loch nicht mehr durch dieses selbst verursacht werden kann.“

Die Entdeckung des Einstein-Rings und der Staubemission in den entferntesten Quasaren ist die Krönung einer mehrjährigen Kooperation zwischen den Forschern aus Deutschland, Frankreich und den USA. Systematisch hat die Gruppe in den letzten vier Jahren mit der MAMBO-Kamera am 30-Meter-Teleskop von IRAM etwa 150 Quasare auf Wärmestrahlung untersucht. Viele dieser Quasare wurden vorab unter anderen von X. Fan und M. Strauss von der Princeton Universität und von G. Djorgovski vom California Institute of Technology in optischen Himmelskartierungen entdeckt.

„Dass solch gewaltige Mengen an Staub und schweren Elementen schon so früh nach dem Urknall in den ersten uns sichtbaren Galaxien existiert haben, hätte vor 10 Jahren noch niemand vermutet,“ erinnert Frank Bertoldi. „Die schweren Atome, aus denen der Staub und das Kohlenmonoxid-Gas bestehen, wurden durch Kernreaktionen im Inneren von Sternen erzeugt. In der ursprünglichen kosmischen Materie gab es nur Wasserstoff, Helium und ein wenig Lithium, aber weder Sauerstoff noch Kohlenstoff. Nun scheint es sicher, dass die ersten massereichen Sterne am Ende ihres kurzen kosmischen Lebens mit gewaltigen Explosionen oder starken Winde viele schwere Atome in das umliegende Gas gemischt haben. Somit gab es in diesen Gebieten bereits nach wenigen hundert Millionen Jahren ähnliche Anreicherungen von Kohlenmonoxid und Staub, wie wir sie heute, 13,6 Milliarden Jahre später, im interstellaren Gas benachbarter Galaxien noch immer vorfinden.“

Originalveröffentlichungen:
C.L. Carilli, G.F. Lewis, S.G. Djorgovski, A. Mahabal, P. Cox, F. Bertoldi, A. Omont,
A molecular Einstein-Ring
Science Express 3. April 2003

F. Bertoldi, C.L. Carilli, P. Cox, X. Fan, M.A. Strauss, A. Beelen, A. Omont, R. Zylka,
Dust emission in z>6 quasars
Astronomy and Astrophysics, eingereicht am 27.3.2003

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Dr. Frank Bertoldi
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn
Tel.: 0228 525 – 377 oder 0179 8567872
Fax: 0228 525 – 229
E-Mail: bertoldi@mpifr-bonn.mpg.de
Dr. Norbert Junkes
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