Ein Teleskop an der Leine – Tübinger Astrophysiker eröffenen Außenstelle in Südfrankreich

Dicke Wolken, trüber Himmel – was für den Normalbürger allenfalls ärgerlich ist, bringt die Astronomen hierzulande mitunter in echte Existenznöte. Geduld und Ausdauer waren bislang oberste Tugend mitteleuropäischer Sternengucker. Astrophysiker der Universität Tübingen wollen dem nun Know-How entgegensetzen. Vor kurzem eröffneten sie eine eigene Beo-bachtungsstation in der südfranzösischen Haute-Provence, um dem Wettergott ein Schnippchen zu schlagen. Der Clou: Ihr Teleskop soll via Internet von Tübingen aus ferngesteuert werden.

Seit 1943 finden französische Astronomen am Observatoire de l’Haute Provence (OHP) in
St. Michel, hundert Kilometer nördlich von Marseille, ideale Beobachtungsverhältnisse vor. Über rund dreihundert sternenklare Nächte pro Jahr freuen sich künftig auch die Tübinger Astrophysiker rund um Prof. Hanns Ruder. Und mehr noch: Licht aus Wohnungen oder Straßenlaternen sei Gift für die Astronomen, erklärt Ruder. Lichtsmog heißt das in der Fachsprache und ist in Deutschland allgegenwärtig. Ganz anders in der beinahe menschenleeren Gegend rund um das OHP, wo nachts fast völlige Dunkelheit herrscht. Beste Bedingungen also für die astronomische Forschung. Der Großteil der Teleskope am OHP jedoch ist bereits recht betagt. Umso größer die Freude von Jean-Pierre Sivan, dem Direktor des Observatoriums, mit dem 60-Zentimeter-Spiegelteleskop der Tübinger nach 32 Jahren wieder ein neues Gerät begrüßen zu dürfen: „Ein neues Teleskop ist für uns Astronomen fast wie ein neues Kind“, so Sivan zur Einweihung der Tübinger Außenstelle.

Der wichtigste Teil, der Spiegel, wird zwar erst im Oktober geliefert, doch bereits jetzt sind die Arbeiten an Aufhängung und Steuerung in vollem Gange. Denn das Teleskop soll nicht nur vor Ort betrieben werden. Mit Hilfe des Internets soll es künftig auch möglich sein, das Gerät von Tübingen aus zu steuern. Ein Digitalkamera nimmt die Bilder auf und überspielt sie weltweit auf die Computer interessierter Forscher. Die nötigen Programme und Elektronikbausteine werden zur Zeit von den Astrophysikern der Uni Tübingen entwickelt. Erste Beobachtungen, so hoffen sie, werden Ende des Jahres möglich sein. In einem internationalen Verbund mit anderen Observatorien rund um den Erdball soll das Teleskop dann schnelle Helligkeitsänderungen Weißer Zwergsterne untersuchen. Darüber hinaus steht vor allem die astronomische Ausbildung von Studenten im Vordergrund. Hier erhofft sich auch der Tübinger Uni-Rektor Prof. Eberhard Schaich neue Impulse für die Partnerschaft mit der Université de Provence in Aix und Marseille, die bislang auf Geschichte und Sprachwissenschaften beschränkt war. Schaich, der eigens in die Haute Provence gereist war, um das Observatorium einzuweihen, sprach von einer neuen Dimension der Internationalität für die Universität Tübingen. Ausdrücklich lobte Schaich nicht nur die durch das Projekt geförderte Kooperation zwischen verschiedenen Ländern, sondern dessen generationenübergreifende Qualität: Teile der Arbeiten werden in Zusammenarbeit mit erfahrenen Amateurastronomen, andere hauptsächlich von Studenten durchgeführt. Allerdings mahnte der Rektor zur Einweihung, die technische Perfektion der Fernsteuerung nicht zu übertreiben. Schließlich müsse der Charme der Haute Provence auch in Zukunft eine Reise wert sein. Umgekehrt haben die Tübinger Astrophysiker bereits ein wenig Lokalkolorit nach Südfrankreich gebracht: Ihr Internet-Computer am OHP wurde mit dem Namen Wurmlingen bedacht.

Nähere Informationen:

Prof. Dr. Hanns Ruder, Theoretische Astrophysik, Tel.: 0 70 71 / 29-7 24 87

Unter www.uni-tuebingen.de/uni/qvo/pm/pm.html sind zwei Fotos von der Einweihung zu sehen

Weitere Informationen finden Sie im WWW:

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Michael Seifert

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