Fusionsanlage WENDELSTEIN 7-AS – Bilanz einer Erfolgsgeschichte

Die Fusionsanlage WENDELSTEIN 7-AS

Stellarator in Garching stillgelegt / Nachfolger entsteht im IPP-Teilinstitut Greifswald

Am 31. Juli 2002, abends um 18.25 Uhr, lief in der Fusionsanlage WENDELSTEIN 7-AS im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching das letzte Experiment. Nach 14 Jahren überaus ertragreicher Forschungszeit wird die Anlage nun stillgelegt, um Ressourcen und Personal für den Aufbau des größeren Nachfolgers WENDELSTEIN 7-X im Greifswalder Teilinstitut des IPP freizumachen. Als erste Anlage der neuen Generation der „Advanced Stellarators“ war WENDELSTEIN 7-AS über alle Erwartungen hinaus erfolgreich. In Garching konzentriert sich die experimentelle Arbeit nun auf den Tokamak ASDEX Upgrade, die größte deutsche Fusionsanlage.

Aufgabe der rund 1000 IPP-Mitarbeiter in Garching und Greifswald ist es, die Grundlagen für ein Fusionskraftwerk zu erforschen, das – ähnlich wie die Sonne – Energie aus der Verschmelzung von Atomkernen erzeugt. Dazu muss es gelingen, den Fusionsbrennstoff – ein dünnes Wasserstoff-Plasma – in ringförmigen Magnetfeldern wärmeisolierend einzuschließen und auf Temperaturen über 100 Millionen Grad aufzuheizen.

WENDELSTEIN 7-AS war ein Fusionsexperiment vom weniger verbreiteten Typ „Stellarator“: Hier wird der magnetische Käfig für das Plasma ausschließlich durch äußere Magnetspulen  erzeugt. Dies macht den Dauerbetrieb der Anlagen möglich, erfordert jedoch wesentlich komplexer geformte Magnetspulen als bei Anlagen vom Typ „Tokamak“, der zur Zeit führenden Experimentlinie: In Tokamaks wird auch das Magnetfeld eines im Plasma fließenden elektrischen Stroms zum Einschluss des Plasmas gebraucht. Ohne Zusatzmaßnahmen können Tokamaks daher nur pulsweise arbeiten. Weltweit als einziges Institut untersucht das IPP beide Typen parallel zueinander: In Garching arbeitet der Tokamak ASDEX Upgrade – die größte Fusionsanlage in Deutschland. Mit dem Betriebsende von WENDELSTEIN 7-AS ist die Verlagerung der Stellarator-Arbeiten in das Greifswalder Teilinstitut abgeschlossen, wo gegenwärtig der größere Nachfolger WENDELSTEIN 7-X entsteht.

Als erste Anlage der neuen Generation der „Advanced Stellarators“ war WENDELSTEIN 7-AS seit 1988 in Betrieb. Von bisherigen Stellaratoren, wie sie seit Ende der 50er Jahre untersucht werden, unterschied sie sich durch ein verbessertes Magnetfeld, das ein Plasmagleichgewicht bei höherem Druck und eine höhere Dichtigkeit des magnetischen Käfigs besitzt. Ihre 45 bizarr geformten Spulen erprobten erstmals auch den technisch neuartigen Aufbau des Magnetsystems aus Einzelspulen.

Ausgangspunkt für diese „Stellarator-Optimierung“ war die Einsicht, dass die bisherigen „klassischen“ Stellaratoren den Tokamaks weit unterlegen waren. Die unbefriedigende Qualität ihres Magnetfeldkäfigs und dessen umständliche Realisierung durch spiralförmig um das Plasmagefaess gewickelte Magnetspulen machte diese Anlagen zu zweifelhaften Kandidaten für ein Fusionskraftwerk. Die Stellaratorforschung im IPP ging deshalb gänzlich neue Wege: Man begann mit der systematischen Suche nach dem optimalen Magnetfeld. Unter den zahllosen möglichen Stellarator-Konfigurationen wurden mit erheblichem Theorie- und Rechenaufwand die besten, d.h. für das Plasma stabilsten und wärmeisolierendsten Felder aussortiert, für die dann eine geeignete Form der Magnetspulen berechnet wurde: „Advanced Stellarators“.

Ergebnisse

Mit WENDELSTEIN 7-AS wurden diese Rechnungen einem ersten experimentellen Test unterworfen: In seinen rund 60.000 Entladungen konnte WENDELSTEIN 7-AS die erwarteten Vorzüge zeigen: Das berechnete Magnetfeld ließ sich von den neuartigen Spulen mit der nötigen Genauigkeit erzeugen. Der Betrieb ohne Nettostrom im Plasma wurde demonstriert – entsprechend ausgelegt sind Stellaratoren für den Dauerbetrieb geeignet. Die zugrunde gelegten Optimierungsprinzipien hat WENDELSTEIN 7-AS bestätigt und alle Stellarator-Rekorde in seiner Größenklasse gebrochen. 1992 war es sogar gelungen, das bei den Tokamaks so erfolgreiche H-Regime, einen Plasmazustand mit besonders guten Einschlusseigenschaften, zu beobachten  – erstmals in einem Stellarator.

Herausragend aus den Forschungsarbeiten dieses Jahres waren die Divertorexperimente an WENDELSTEIN 7-AS: Während alle modernen Tokamaks mit Divertor ausgerüstet sind, wurde 2001 erstmals auch ein WENDELSTEIN-Stellarator mit Divertor ausgestattet. Energie und Teilchen aus dem Plasmarand werden dabei durch sogenannte „magnetische Inseln“ auf begrenzte Flächen der Gefäßwand gelenkt. Werden sie durch spezielle Prallplatten geschützt, dann können die hier auftreffenden Teilchen zusammen mit Verunreinigungen aus dem Plasma entfernt werden. So wird die unerwünschte Ansammlung von Verunreinigungen im Plasma unterbunden. Mit der neuen Komponente konnte WENDELSTEIN 7-AS Plasmen mit guten Einschluss-Eigenschaften und bisher unerreichbar hoher Dichte erzeugen – noch über den Kraftwerkszielwert hinaus. Die Dichte überstieg deutlich die Werte, die in vergleichbaren Tokamaks erzielbar sind, wo Strominstabilitäten einschränkend wirken.

Mit diesen Ergebnissen hat WENDELSTEIN 7-AS im Wettstreit der Anlagentypen erheblich zum international gestiegenen Ansehen der Stellaratoren beigetragen. Professor Dr. Friedrich Wagner, der Leiter des IPP-Bereichs „Experimentelle Plasmaphysik 3“, in dem die Anlage betrieben wurde: „Noch vor zehn Jahren verließen auf Konferenzen zur Fusionsforschung die meisten Zuhörer – allesamt Tokamak-Spezialisten – das Auditorium, sobald die Stellarator-Präsentationen begannen. Heute ist das anders!“

Ausblick

Mit der Stillegung der Anlage sind die Arbeiten an WENDELSTEIN 7-AS noch nicht beendet. Ein Teil der Wissenschaftler des WENDELSTEIN-Teams wird noch etwa ein Jahr lang mit der Auswertung der gewonnenen Messdaten beschäftigt sein. Ein anderer Teil wird zur Entwicklung von Messverfahren und -apparaturen für WENDELSTEIN 7-X nach Greifswald umziehen. Bis Ende des Jahres werden damit die letzten der insgesamt rund 35 „Garchinger“ nach Greifswald gewechselt haben, die als Erfahrungsträger für den erfolgreichen Aufbau und Betrieb des Nachfolgers nötig sind. Erfahrung mit einer WENDELSTEIN-Anlage haben inzwischen ebenso 80 der in Greifswald neu eingestellten Wissenschaftler und Ingenieure erworben, die nach Garching abgeordnet und dort im WENDELSTEIN-Team ausgebildet wurden. Insgesamt sind 220 der im Endausbau vorgesehenen 300 Stellen des Greifswalder Teilinstituts besetzt.

Nachdem WENDELSTEIN 7-AS das theoretische Konzept des optimierten Stellarators experimentell untermauern konnte, soll die vollständig optimierte und größere Anlage WENDELSTEIN 7-X nun die Kraftwerkstauglichkeit der neuen Stellaratoren demonstrieren. Die Qualität von Plasmagleichgewicht und -einschluss sollte der eines Tokamak ebenbürtig sein. Um die wesentliche Stellaratoreigenschaft zu zeigen, den Dauerbetrieb, wird WENDELSTEIN 7-X mit supraleitenden Magnetspulen ausgerüstet sein. So werden Pulsdauern von 30 Minuten möglich – im Unterschied zu maximal 1,5 Sekunden, die der noch mit normalleitenden Kupferspulen ausgestattete Vorgänger erreichen konnte. Damit sollte WENDELSTEIN 7-X in der Lage sein, die Stellaratoren als attraktive Alternative neben die bislang favorisierten Tokamaks zu stellen.

Nicht angestrebt wird allerdings, mit WENDELSTEIN 7-X ein bereits Energie lieferndes Plasma herzustellen. Da sich die Erkenntnisse über ein brennendes Plasma vom Tokamak zum großen Teil auf Stellaratoren übertragen lassen, bleibt dies dem in internationaler Zusammenarbeit geplanten Tokamak ITER überlassen. Auf ITER soll dann eine Demonstrationsanlage folgen, die alle Funktionen eines Kraftwerks erfüllt. „Wenn aber“, so Prof. Wagner, „WENDELSTEIN 7-X seine berechneten guten Eigenschaften experimentell bestätigen kann, dann könnte dieses Demonstrationskraftwerk auch ein Stellarator sein“.

Media Contact

Isabella Milch idw

Weitere Informationen:

http://www.ipp.mpg.de

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