Galaxienherz durch die Staubbrille betrachtet

Dass sie existieren, beweist die extrem starke Strahlung, die sie aussenden. So tief ins Innere hineinschauen konnten Astronomen jedoch bisher nicht in aktive Galaxien. Denn sie verbergen sich in einem Meer aus Staubwolken. Im Inneren vermutete man Schwarze Löcher, die Gas und Sterne aus ihrer Umgebung einsaugen.

Die eingesammelte Materie kreist dann in der so genannten Akkretionsscheibe um den Kern und sendet den größten Anteil der Strahlung der Galaxie aus. Bis vor kurzem nur in der Theorie belegt, konnte eine solche Scheibe erstmals direkt beobachtet werden. Dazu hat ein internationales Team von Astronomen unter der Leitung von Makoto Kishimoto vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie nun eine geschickte Methode gefunden. Mit einem Polarisationsfilter haben die Forscher die störende Strahlung der Staubwolken ausgeblendet und das vorausgesagte Spektrum der Akkretionsscheibe experimentell bestätigt. (Nature, 24. Juli 2008)

Will man ein Foto mit kräftigen Farben schießen oder sich beim Autofahren nicht von spiegelnden Fensterscheiben blenden lassen, greift man vielleicht zu einem Polarisationsfilter. Man setzt ihn vor das Kamera-Objektiv oder als Brille auf die Nase. Nur zur Beobachtung von aktiven Galaxien hat sie bis jetzt noch niemand eingesetzt. Genau diese Idee hatte das internationale Forscherteam um Makoto Kishimoto vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie.

Mit diesem Trick ist es den Physikern gelungen, Quasare, die stark leuchtenden Kernbereiche von weit entfernten Galaxien, unverfälscht zu beobachten. Die massereichen Schwarzen Löcher in ihrem Zentrum strahlen mit einer Energie, die diejenige der Sonne um ein Billionenfaches übertrifft. Die mächtigen Kraftquellen werden dabei angetrieben durch interstellares Gas, das in Form sogenannter Akkretionsscheiben aus der Umgebung direkt in das Schwarze Loch eingesogen wird.

Bislang war es nicht möglich, diese Umgebung direkt zu untersuchen, denn sie befindet sich in dichten Staubwolken. Die starke Strahlung dieser Wolken verfälscht das gesuchte Spektrum der Akkretionsscheibe. Daher war es bisher nicht möglich, auch nur die Existenz der Scheibe experimentell zu bestätigen. Das gemessene Lichtspektrum der Strahlung aus dem Kern stimmte auch nicht mit den vorausberechneten Werten überein.

„Die Astronomen wurden vor allem dadurch irritiert, dass die am besten untersuchten Modelle für die Strahlung der Akkretionsscheiben nicht zu den Beobachtungen passten. Dabei fiel auf, dass die Scheiben nicht annähernd so blau waren, wie sie theoretisch hätten sein sollen“, erklärt Makoto Kishimoto. Um diesen Gegensatz zu klären, hat Kishimoto zusammen mit weiteren Astronomen aus aller Welt den Anteil der Störstrahlung aus den Staubwolken unterdrückt. Sie verwendeten dafür eine besondere Eigenschaft des Lichts: die Polarisation.

Denn die Strahlung aus der Akkretionsscheibe wird in der direkten Umgebung der Scheibe gestreut und erscheint daher polarisiert, das heißt, die Lichtwellen schwingen nur in einer Ebene. Die Strahlung aus den Staubwolken weiter weg ist hingegen unpolarisiert, die Lichtwellen schwingen kreuz und quer. Mit dem Polarisationsfilter lassen sich beide Strahlungstypen voneinander trennen und die Astronomen können die wahre spektrale Verteilung der Kernquelle bestimmen.

Für diese Beobachtungen kamen Polarisationsfilter an einigen der größten Teleskope weltweit zum Einsatz – an einem der VLT-Teleskope der Europäischen Südsternwarte auf dem Paranal in Chile und am United Kingdom Infrared Telescope (UKIRT) auf dem Mauna Kea in Hawaii. Dadurch wurde es möglich, den Beitrag der heißen Staubwolken von außerhalb der Akkretionsscheibe zu unterdrücken und zu zeigen, dass die spektrale Verteilung der Strahlung aus der Akkretionsscheibe selbst tatsächlich so blau ist wie von der Theorie gefordert.

Robert Antonucci von der University of California at Santa Barbara ist ebenfalls an dem Forschungsprojekt beteiligt: „Unser Verständnis der physikalischen Prozesse in der Akkretionsscheibe ist noch sehr unvollkommen“, sagt er. „Aber zumindest haben wir jetzt eine zuverlässige Idee des Gesamtbilds.“ Die Beobachtungsdaten weisen darauf hin, dass die gemessene Strahlung aus den äußeren Bereichen der Akkretionsscheibe stammt. Wichtige Fragen bleiben offen, etwa: Wie und wo endet das Gebiet der Akkretionsscheibe und wie wird Material dorthin nachgeliefert? „Unsere neue Methode sollte es bereits in naher Zukunft erstmals ermöglichen, darauf Antworten zu finden „, sagt Makoto Kishimoto.

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Dr. Makoto Kishimoto
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn
Tel.: +49-228-525-186, Fax: +49-228-525-229
E-Mail: mk (at) mpifr-bonn.mpg.de
Dr. Norbert Junkes, Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn
Tel.: +49-228-525-399, Fax: +49-228-525-438
E-Mail: njunkes (at) mpifr-bonn.mpg.de

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