Strukturadaptives Glättungsverfahren: Selbstversuch mit Hirn

Wer kennt sie nicht, die beeindruckenden und unglaublichen Geschichten von Wissenschaftlern, die im Dienst ihrer Forschung auch vor Selbstversuchen nicht zurückschrecken. In der Realität laufen solche Selbstversuche heute sehr viel undramatischer ab als in den bekannten Filmen. Auch bei dem Experiment, dem sich Dr. Karsten Tabelow jetzt unterzog, bestand nie die Gefahr, dass er sich in ein Wesen aus halb Mensch, halb Fliege verwandeln wird.

Karsten Tabelow arbeitet am Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik (WIAS) und ist Mitglied im DFG-Forschungszentrum MATHEON in Berlin. Im Rahmen des Projektes „Image and signal processing in medicine and biosciences“ des MATHEON entwickelt er neuartige mathematische Methoden zur Auswertung bildgebender Verfahren wie der MRT. Damit sollen die erzielten Bilder beispielsweise des menschlichen Gehirns verbessert und so die therapeutischen Möglichkeiten erweitert werden.

„Eines unserer Probleme ist, dass der Wunsch nach einer höheren Auflösung mit einer Absenkung des so genannten Signal-Rauschverhältnisses (SNR) verbunden ist. Kurz gesagt, die Bilder werden deutlich schlechter. Dies wiederum hat einen negativen Einfluss auf die medizinische Diagnostik“, sagt Tabelow. Daher ist es sein Ziel, neuartige Methoden zur Bearbeitung der Bilder zu entwickeln.

Bisher wird zur Erhöhung der SNR oft mit nichtadaptiven Glättungsverfahren gearbeitet. Damit kann zwar die Bildqualität erhöht werden, die effektive Auflösung aber wird geringer. Feine Details und Ränder gehen verloren, weil diese Methode einzelne lokale Gegebenheiten nicht berücksichtigen kann. Mit dem von ihm und seinen Kollegen entwickelten strukturadaptiven Glättungsverfahren ist Tabelow nun in der Lage, das SNR zu verbessern und gleichzeitig Form und Ausdehnung relevanter Strukturen zu erhalten. „Hierfür bestimmen wir im Vorfeld spezielle Eigenschaften der Daten, die für den Aufnahmeprozess charakteristisch sind. Danach erstellen wir ein passendes Modell, welches die lokalen Gegebenheiten berücksichtigt.“, schildert er. Damit kann Dr. Tabelow das Rauschen aus den Aufnahmen entfernen, ohne die Strukturen zu zerstören. „Unser Verfahren lässt sich beispielsweise auch für Digitalkameras bei Fotos unter schlechten Lichtverhältnissen anwenden“, sagt Karsten Tabelow.

„Aber wir haben die optimale Modellierung noch lange nicht erreicht“, begründet Tabelow seinen Selbstversuch am Weill Medical College der Cornell-Universität in New York (USA). Dabei setzte er sich über ein paar Tage im Scanner jeweils 10 Minuten einem starken visuellen Stimulus aus, der bestimmte Regionen im Hirn zu Aktivierungen anregt. Die anstrengenden Sessions dauerten teilweise bis zu zwei Stunden. Mit dem Ergebnis ist Karsten Tabelow sehr zufrieden, „auch wenn wir nicht ganz so erfolgreich waren, wie wir gehofft hatten. Aber wir haben viele neue Messdaten und Ergebnisse gewonnen, die den richtigen Ansatz unserer Methoden zum einen bestätigen und sicherlich zu großen Fortschritten in den nächsten Monaten führen werden“, so Karsten Tabelow. Sicher ist er sich aber auch, dass dieses nicht der letzte Selbstversuch war, dem er sich unterziehen wird.

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:

Dr. Karsten Tabelow, Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik (WIAS), Tel.: 030 20372-564, Email: tabelow@wias-berlin.de
oder an:
Rudolf Kellermann, DFG-Forschungszentrum MATHEON, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tel.: 030 314-29274, Email: kellermann@matheon.de

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Rudolf Kellermann idw

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