Diamant erlaubt Quantencomputer bei Raumtemperatur

Forscher des 3. Physikalischen Instituts der Universität Stuttgart haben gezeigt, dass sie verschränkte Quantenbits (Qubits) in einem mit Stickstoff versetzten Diamant gezielt adressieren können. Das Material stellt Quantencomputer in Aussicht, die bei Raumtemperatur arbeiten, so die Wissenschaftler.

Um für praktische Aufgaben geeignete Quantencomputer zu ermöglichen, muss allerdings die Zahl der verschränkten Qubits von derzeit zwei oder drei deutlich gesteigert werden. „Wir sehen im Moment keinen physikalischen Grund, warum das bei unserem Ansatz nicht funktionieren sollte“, gibt sich Institutsleiter Jörg Wrachtrup gegenüber pressetext vorsichtig optimistisch.

Die Wissenschaftler verwenden hochwertige Diamanten, die möglichst rein aus Kohlenstoff ohne Fremdsubstanzen bestehen. Durch den Einschuss von Stickstoff-Atomen werden beabsichtigte Verunreinigungen erzeugt, die Farbe des Diamanten ändert sich zu pink. Für die Forscher entscheidend sind allerdings die Defektknoten in der Gitterstruktur des Diamanten, die bei den Einschüssen entstehen. Kohlenstoffatome des Isotops C13, das rund ein Prozent des natürlichen Kohlenstoffs ausmacht, haben ein magnetisches Moment und wechselwirken mit dem Stickstoffatom. Das erlaubt den Forschern, die C13-Atome gezielt in jene verschränkten Quantenzustände bringen, die Quantencomputer möglich machen. Für Systeme aus zwei oder drei Qubits konnten die Forscher im Experiment selbst bei Raumtemperatur Kohärenzzeiten im Millisekundenbereich erreichen. Dies ist, so die Forscher, für aufwendige Quantenoperationen ausreichend.

Für einen Quantencomputer, der wirklich komplexe Aufgaben bewältigen soll, müssen allerdings wesentlich größere Zahlen an Qubits miteinander verschränkt werden. Die Forscher sind hoffnungsvoll, ihren Ansatz auf größere Systeme skalieren zu können. „Wir glauben, fünf bis sechs Qubits pro Defektknoten verschränken zu können“, gibt Wrachtrup gegenüber pressetext an. Weiters werde angestrebt, gezielt mehrere Defektstellen im Diamantgitter in Abständen von 50 bis 100 Nanometern zu erzeugen. Mehrere dieser Defektknoten sollen dann miteinander verschränkt werden, um die Gesamtzahl der Qubits zu steigern, so Wrachtrup. Theoretische Hindernisse sieht er dafür derzeit nicht, betont jedoch, dass sich praktische Herausforderungen beispielsweise in der Materialphysik offenbaren könnten. Bis Quantencomputer bei Raumtemperatur für den praktischen Einsatz verwirklicht werden, könnte es also noch dauern.

Die Ergebnisse des Wissenschaftlerteams, das neben den Stuttgartern auch Forscher aus Japan und den USA umfasst, wurden gestern, Freitag, im Magazin Science veröffentlicht.

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Thomas Pichler pressetext.deutschland

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