Rätselhafte Eisenfabrik im Universum

Wissenschaftler finden mit dem Röntgensatelliten XMM-Newton in einem Quasar ungewöhnlich große Mengen dieses Elements

Wie kommt das Eisen in die Welt? Den Theorien der Astrophysiker zufolge wird es im Inneren von massereichen Sternen erbrütet und – wenn diese als Supernovae explodieren – ins All geschleudert. Dort vermischt es sich mit Materie, aus der wiederum neue Sterne entstehen. Auch unsere Sonne enthält als Stern einer späteren Generation einen gewissen Eisenanteil. Prof. Günther Hasinger und Dr. Stefanie Komossa vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching sowie Dr. Norbert Schartel von der Europäischen Raumfahrtagentur ESA ist jetzt eine erstaunliche Entdeckung gelungen: Spektralbeobachtungen mit dem Röntgenobservatorium XMM-Newton ergaben, dass der Quasar APM 08279+5255 etwa drei Mal mehr Eisen birgt als heute im Sonnensystem vorhanden ist. Den Quasar sehen wir zu einer Zeit, da das Universum erst rund 1,5 Milliarden Jahre alt war; die Sonne dagegen entstand etwa neun Milliarden Jahre nach dem Urknall. Das heißt: In dem jungen Quasar existierte bereits mehr Eisen als in unserem viel älteren Sonnensystem. Entweder gibt es eine bisher unbekannte, jedoch effizientere Art der Eisenproduktion, oder das Universum war zu dem Zeitpunkt, als der Quasar sein Licht aussandte, wesentlich älter als bisher angenommen (ApJ Letters Vol. 573, L77, 10. Juli 2002).Einleitung

Der Quasar APM 08279+5255 ist eines der leuchtkräftigsten Objekte im gesamten Universum. Er strahlt über eine Billiarde (1015) Mal mehr Energie ab als unsere Sonne. Nur deshalb können wir trotz seiner großen Entfernung noch intensive Strahlung von ihm auffangen. Diese Leuchtkraft speist sich hauptsächlich aus dem „Absturz“ von Materie in ein gigantisches Schwarzes Loch im Quasarzentrum. Das gasförmige Material heizt sich stark auf und sendet Röntgenstrahlen aus – quasi als „letzten Hilfeschrei“, bevor es in dem Schwarzen Loch verschwindet. Ein Teil der eingefangenen Materie wird jedoch durch den starken Lichtdruck des Zentralobjekts wieder nach außen transportiert (Abbildung 1). Bei APM 08279+5255 sehen wir das Schwarze Loch zufällig durch den Schleier der ausströmenden Materie. Zusätzlich verstärkt eine so genannte Gravitationslinse das Licht des Quasars.

„Abb. 1: Die künstlerische Abbildung zeigt, dass nach neuesten „Vereinheitlichten Modellen“ für die verschiedenen Formen von Quasaraktivität bei einem gut gefütterten Schwarzen Loch ein großer Teil der in das Zentrum strömenden Materie das Schwarze Loch selbst nie erreicht, sondern letztendlich von dem starken Lichtdruck des Zentralobjekts in einer bipolaren, kegelförmigen Struktur wieder nach außen „geblasen“ wird. Bei APM 08279+5255 sehen wir zufällig entlang der ausströmenden Gasmassen, die deshalb durch die zentrale Lichtquelle „geröngt“ werden. “
„Grafik: Max-Planck-Institut für Astrophysik / Spruit“

Diese Eigenschaften machen APM 08279+5255 zu einem hervorragenden Laboratorium, um mittels Röntgenstrahlen die Bedingungen im frühen Universum und in unmittelbarer Nähe supermassereicher Schwarzer Löcher zu untersuchen.

Bei der Analyse des mit dem europäischen Satelliten XMM-Newton aufgefangenen Röntgenlichts fanden Günther Hasinger, Stefanie Komossa und Norbert Schartel heraus, dass die aus dem Zentrum des Quasars strömende Materie große Mengen Eisen enthält. Aus der „Delle“ im Quasarspektrum (Abbildung 2) konnten die Forscher schließlich den Anteil dieses Elements im Quasarzentrum – und damit im frühen Universum – messen. Das Eisen scheint weit gehend „alleine auf weiter Flur“ zu sein, das heißt: Andere chemische Elemente, wie zum Beispiel Sauerstoff, machen sich kaum bemerkbar. So ist das Eisen/Sauerstoff-Verhältnis etwa drei- bis fünfmal so hoch wie in unserem Sonnensystem.

„Abb. 2: Die „Delle“ im Spektrum des Quasars APM 08279+5255 (XMM-Newton-Foto links) stammt von dem Element Eisen. Ähnlich wie Mediziner mittels Röntgenstrahlen unsere Knochen darstellen können, weil sie für Röntgenstrahlung undurchlässig sind und daher dunkel erscheinen, sind die ausströmenden Eisenwolken von APM 08279+5255 undurchlässig für die Röntgenstrahlen, die im Zentrum des Quasars entstehen: Bei der für Eisen charakteristischen „Absorptionsenergie’’ (Pfeil) fehlt ein Teil des Röntgenlichtes. “
„Foto und Grafik: ESA / Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik „

Jedes schwere Element, aus dem Planeten wie unsere Erde und auch wir selbst bestehen, wurde in früheren Jahrmilliarden in Sternen erzeugt. Dies gilt auch für das Eisen, das besonders in einem speziellen Typ von Supernova („Typ I“) produziert wird: Supernovae sind massereiche Sonnen, die am Ende ihres Lebens in gigantischen Explosionen die in ihrem Inneren erzeugten Elemente in den interstellaren Raum blasen. Ein Teil dieses „Sternenstaubs“ wird zur Bildung neuer Sterne verbraucht, ein anderer von den Schwarzen Löchern in den Zentren der Galaxien aufgesogen. Da aber Sterne, die als Typ I-Supernova enden, sehr lange leben (ungefähr eine Milliarde Jahre), sind große Mengen an Eisen im frühen Universum äußerst bemerkenswert.

Die Eisenhäufigkeit ist deshalb so wichtig, weil sie eine Art „kosmische Uhr“ darstellt: Seit dem Urknall vor rund 15 Milliarden Jahren werden sämtliche chemischen Elemente – außer den leichtesten wie Wasserstoff und Helium – im oben beschriebenen Prozess produziert. Beim Eisen dauert das eine geraume Zeit: Mindestens eine Milliarde Jahre mussten vergehen, um zum Beispiel die bei unserer Sonne gefundenen Verhältnisse zu „erbrüten“. Um so erstaunlicher, dass ein so junges Objekt wie APM 08279+5255 bereits einen deutlich höheren Eisengehalt aufweist als unser wesentlich älteres Sonnensystem. Entweder gibt es eine effizientere Art, Eisen zu erzeugen – quasi eine Art kosmische „Eisenfabrik“ -, oder das Universum ist bei einer Rotverschiebung von z = 4, wie sie der Quasar besitzt, bereits viel älter als bisher angenommen.

Was bedeutet dieses „z“? Das Licht, das die Astronomen von weit entfernten Objekten empfangen, war lange Zeit unterwegs. Daher ist ein Blick in große Entfernungen auch immer ein Blick in die Vergangenheit des Universums – Teleskope ähneln Zeitmaschinen. Der Vorstoß in die größten Distanzen ermöglicht einzigartige Einblicke in die Frühphase des Weltalls. Während der Zeit, in der das Licht einer fernen Galaxie den weiten Weg zur Erde durchläuft, expandiert der gesamte Raum – und damit wächst auch der Abstand zwischen Wellentälern und -bergen des Lichts. Diese „Dehnung“ führt zu größeren Wellenlängen, also zu einer Rotverschiebung (z) des Lichts, und gilt als Maß für die Entfernung einer Galaxie oder eines Quasars und damit für deren Alter: Je höher der „z“-Wert eines Objekts, desto größer sein Abstand und desto geringer sein Alter. In der Entfernung des Quasars APM 08279+5255 (z = 3,91) hatte das Weltall gerade einmal etwa ein Zehntel seines jetzigen Alters von rund 15 Milliarden Jahren; das Quasarlicht stammt also aus der Kinderstube des Kosmos.

Die neuen Beobachtungen zeichnen ein extremes Bild für den Innenbereich von APM 08279+5255: Es muss ein wahres „Feuerwerk“ an Supernovae im Zentrum des Quasars gegeben haben, um so viel Eisen zu erzeugen. Nicht nur das: Um die hohe Leuchtkraft von APM 08279+5255 und den hohen Materieausfluss aus dem Quasarzentrum aufrechtzuerhalten, müssen jährlich sehr viele Sonnenmassen an Sternenstaub verschluckt und zum Teil wieder hinausgeblasen werden (Abbildung 1).

Doch selbst eine besonders hohe Rate an Supernovae kann – wegen der langen Lebensdauer der Sterne, die als Supernova enden – nur schwer erklären, warum so früh in der Entwicklung des Universums so viel Eisen erzeugt wurde. Wahrscheinlich benötigen wir außerdem mehr Zeit, also ein größeres Alter des frühen Universums, und können auf diese Weise unabhängige Hinweise auf die Existenz der kürzlich entdeckten Kosmologischen Konstanten ableiten – einer mysteriösen „Dunklen Energie“, die das Universum heute noch auseinander zu treiben scheint.

Die mithilfe von XMM-Newton an APM 08279+5255 gemachten Beobachtungen liefern wichtige neue Informationen für das Verständnis der Elementsynthese und die chemische Entwicklung des frühen Universums, für die neuen vereinheitlichten Modelle der Geometrie der bei verschiedenen Aktivitätsformen von Quasaren ausströmenden Materie und schließlich für die Messung von Parametern wie der Kosmologischen Konstante. Während heute mit XMM-Newton nur ganz wenige, besonders helle Einzelobjekte wie APM 08279+5255 studiert werden können, hoffen die Wissenschaftler mit XEUS, dem künftigen großen Röntgenobservatorium der ESA, routinemäßige „Röntgen-Reihen-Untersuchungen“ an vielen schwächeren Objekten vorzunehmen und damit die hier aufgeworfenen Fragen zu beantworten.

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Prof. Dr. Günther Hasinger
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
Giessenbachstraße
85748 Garching
Tel.: +49-89-30000-3402
Fax: +49-89-30000-3569
E-Mail: skomossa@mpe.mpg.de

Dr. Stefanie Komossa
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
Giessenbachstraße
85748 Garching
Tel.: +49-89-30000-3577
Fax: +49-89-30000-3569
E-Mail: skomossa@mpe.mpg.de

Dr. Norbert Schartel
Europäische Raumfahrtagentur
Tel.: +34-91-8131-184
Fax: +34-91-8131-139
E-Mail: nscharte@xmm.vilspa.esa.es

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Dr. Bernd Wirsing Presseinformation

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