Das Beben nach dem Zusammenprall

Künstlerische Darstellung des pulsierenden Doppelsterns J0247-25 <br>Keele University <br>

Ein in unserer Galaxie sehr seltenes schwingendes Exemplar soll einem Astronomenteam1) aus Großbritannien, Deutschland und Spanien nun verraten, was bei einer Sternenkollision wirklich abläuft. „Es gibt eine Fülle an Daten, aus der wir sehr viel über das Doppelsternsystem gelernt haben“, sagte der an der Analyse beteiligte Prof. Dr. Ulrich Heber von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU).

Die Ergebnisse werden am 27.06.2013 in der Zeitung Nature publiziert2).

Eigentlich waren die Forscher auf der Suche nach extrasolaren Planeten, als ihnen der neue exotische Stern ins Netz ging. Daraufhin entschieden sich der Projektleiter Dr. Pierre Maxted und seine Kollegen, eine Hochgeschwindigkeits-Kamera der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile3) einzusetzen. Dabei wurde entdeckt, dass die Helligkeit auf einzigartige Art und Weise schwankt, was auf Schwingungen des Sterns zurückzuführen ist. Bei einem derartigen Himmelskörper ist dies zum ersten Mal nachgewiesen worden.

Damit wurde die Kollisionshypothese erhärtet, die besagt, dass es in einem Doppelsternsystem zu einem folgenreichen Zusammenstoß kommen kann, wenn einer der beiden Partner sich zu einem Roten Riesen aufbläht. Unserer Sonne steht ein ähnliches Schicksal bevor: Ihr Radius wird zu mehr als hundertfacher Größe anwachsen, wenn ihr Vorrat an Wasserstoff, dem jetzigen nuklearen Brennstoff, versiegt. Sie wurde jedoch, im Gegensatz zu vielen anderen Sternen, nicht als Zwilling geboren. Sobald eines der Geschwister in seinem Lebenszyklus die Phase des Riesensterns erreicht, kann es dazu kommen, dass der expandierte Stern mit dem kleineren Begleiter kollidiert. Das ist allerdings nicht mit dem Zusammenprall von zwei Steinen zu vergleichen: Die Umlaufbahn des Begleitssterns, nun von der aufgeblähte Hülle umgeben und abgebremst, wird immer enger, bis ein gewaltiger Energieausbruch bis zu 90 Prozent der Masse des Roten Riesen absprengt. Computersimulationen sagen vorher, dass der Reststern nicht nur sehr leicht geworden ist, sondern auch äußerst ungewöhnliche Eigenschaften hat.

Leider sind solche Sterne sehr selten, weshalb das Astronomenteam begeistert war, den Außenseiter zu entdecken. Die Aufnahmen der Hochgeschwindigkeits-Kamera ULTRACAM ergaben winzige Helligkeitsschwankungen. Sie werden von Schallwellen erzeugt werden, die sich durch das Sterninnere ausbreiten. Solche sogenannten Pulsationen, die unsere Sonne ebenso wie viele Sterne aufweist, durchlaufen regelmäßige Zyklen. Bei der Sonne wie bei dem neuen veränderlichen Stern dauert ein solcher Zyklus etwa 5 Minuten. Die Schallwellen gelangen bis tief ins Sterninnere, fast bis zum Sternzentrum. Ähnlich wie Erdbebenwellen zu nutzen sind, um das Erdinnere zu erforschen, lässt sich mit geeigneten physikalisch-numerischen Computer­modellen die innere Struktur des Sterns sondieren. Dazu sind noch genauere Messungen nötig, die das Team an der Europäischen Südsternwarte durchführen will.

„Wir haben die beiden Sterne sogar wiegen können“, berichtete Prof. Dr. Ulrich Heber. „Dabei kam heraus, dass einer der beiden viel zu leicht ist – ein eindeutiges Zeichen, dass sein Begleiter den größten Teil seiner Masse in einer Kollision fortgerissen hat. Nun können wir herauszufinden, warum Sterne solche Zusammenstöße überhaupt überleben.“
Weitere Informationen über den neuen Stern, einen Audio-Clip und eine animierte Visualisierung finden Sie auf der folgenden Webseite: http://www.astro.keele.ac.uk/~pflm/J0247/

1) Das Entdeckerteam besteht aus: Dr Pierre Maxted (Projektleiter) und Dr Barry Smalley (Keele University, UK); Dr Aldo Serenelli (CSIC-IEEC, Spanien); Andrea Miglio (Universität Birmingham, UK); Prof. Thomas Marsh und Dr Elmé Breedt (Universität Warwick, UK), Prof. Ulrich Heber und Veronika Schaffenroth (Universität Erlangen-Nürnberg), Prof. Vikram Dhillon und Dr Stuart Littlefair (Universität Sheffield, UK), Dr Chris Copperwheat (Liverpool John Moores Universität, UK)
2) doi: 10.1038/nature12192
3) Die britische Hochgeschwindigkeits-Kamera ULTRACAM am 3.6-m New Technology Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO). ULTRACAM Webseite: http://www.vikdhillon.staff.shef.ac.uk/ultracam

Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), gegründet 1743, ist mit über 35.000 Studierenden, 640 Professuren und rund 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine der größten Universitäten in Deutschland – und, wie aktuelle Erhebungen zeigen, eine der erfolgreichsten und forschungsstärksten. So liegt die FAU beispielsweise im aktuellen Förderatlas der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) auf Platz 10 und gehört damit in die Liga der deutschen Spitzenuniversitäten. Neben dem Exzellenzcluster „Engineering of Advanced Materials“ (EAM) und der im Rahmen der Exzellenzinitiative eingerichteten Graduiertenschule „School of Advanced Optical Technologies“ (SAOT) werden an der FAU derzeit über 30 koordinierte Programme von der DFG gefördert
Die Friedrich-Alexander-Universität bietet rund 170 Studiengänge an, darunter sieben Bayerische Elite-Master-Studiengänge und über 32 mit dezidiert internationaler Ausrichtung. Keine andere Universität in Deutschland kann auf ein derart breit gefächertes und interdisziplinäres Studienangebot auf allen Qualifikationsstufen verweisen. Durch über 500 Hochschulpartnerschaften in 62 Ländern steht den Studierenden der FAU schon während des Studiums die ganze Welt offen.

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Prof. Dr. Ulrich Heber
Tel: 0951 9522214
E-mail: heber@sternwarte.uni-erlangen.de

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