2005 YU55 gleicht einer rasenden Geröllhalde

Das Foto des Kleinplaneten 2005 YU55 bei einer Wellenlänge von 70 Mikrometern wurde aus mehr als 3500 Einzelbildern mit dem Weltraumobservatorium Herschel rekonstruiert. © Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik <br>

So nah, so schnell und so klein war bisher noch kein Objekt, das von dem Weltraumobservatorium Herschel beobachtet wurde. Und eigentlich sind solche Beobachtungen aus technischer Sicht auch gar nicht möglich, da der Kleinplanet 2005 YU55 sich mit einer viel zu großen Geschwindigkeit am Himmel bewegt hat und Herschel nicht darauf ausgelegt ist, ihm zu folgen.

Durch einen einfachen Trick gelang Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik dennoch ein spektakulärer Blick auf diesen Kleinplaneten, kurz nachdem er die Mondbahn gekreuzt hatte. Dabei fanden die Astronomen, dass 2005 YU55 kleiner ist als bisher angenommen und wahrscheinlich nur aus einer losen Ansammlung von Geröll besteht.

Der Kleinplanet 2005 YU55 wurde im Dezember 2005 entdeckt – daher seine Bezeichnung – und kreuzte am 9. November dieses Jahres um 00:28Uhr MEZ die Umlaufbahn des Mondes. Dabei passierte er die Erde in einer Entfernung von nur 324600 Kilometern, entsprechend der 0,85-fachen Distanz zwischen unserem Planeten und seinem Trabanten. Die Beobachtungen mit Herschel fanden erst einen Tag danach aus einer Entfernung von rund 805000 Kilometer statt.

Da Herschel dem schnell bewegten Objekt nicht folgen konnte, nahmen die Forscher für eine exakt vorausberechnete kleine Region am Himmel zu einem ebenfalls genau festgelegten Zeitpunkt eine Standardbeobachtung vor. 2005 YU55 raste mitten durch diese Region. Mittels einer speziellen Datenreduktion, an der auch Experten der europäischen Raumfahrtagentur Esa mitwirkten, ließen sich dann die mehr als 3500 Einzelbilder aus zwei vierminütigen Messungen auf dem Objekt zentrieren, sodass der Asteroid als perfekt fokussierte Quelle in allen drei Frequenzkanälen erscheint.

Das war nur möglich, weil das für diese Messungen eingesetzte PACS-Instrument unter der Federführung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik entwickelt und gebaut wurde und die Max-Planck-Forscher die Möglichkeiten dieses Detektors genau kennen. Aus den ermittelten Infrarothelligkeiten bei Wellenlängen von 70, 100 und 160 Mikrometern ermittelten die Wissenschaftler mehrere Eigenschaften des Kleinplaneten.

Zwar ist 2005 YU55 das bisher kleinste Objekt, das Herschel unter die Lupe nahm, aber unter den Asteroiden mit nahen Erdbegegnungen gehört es zu den größten. Überaschenderweise zeigten die Messungen aber, dass 2005 YU55 deutlich kleiner sein muss als bisher angenommen: Je nach Drehrichtung ergeben sich Durchmesser von 310 oder 340 Meter. Auf alle Fälle kann der Kleinplanet nicht so groß sein, wie die Radarbeobachtungen der US-Raumfahrtbehörde Nasa im vergangenen Jahr ergeben hatten; damals waren rund 400 Meter gemessen worden.

Aus den Infrarotbeobachtungen konnten die Wissenschaftler auch die Albedo (das Rückstrahlvermögen) zu sechs Prozent bestimmen. 2005 YU55 ist also extrem dunkel und reflektiert nur sechs Prozent des Sonnenlichts, der Rest wird in Wärme umgewandelt und im Infraroten emittiert. Das könnte auf eine Oberfläche aus kohlenstoffhaltigem Material hindeuten – was zu früheren Messungen passt, aufgrund derer 2005 YU55 als C-Typ (sehr dunkle, kohlenstoffhaltige Oberfläche) klassifiziert wurde. Etwa 75 Prozent aller Kleinplaneten gehören diesem Typ an.

Die ebenfalls abgeleitete thermische Trägheit birgt noch eine recht große Unsicherheit, deutet aber auf eine Oberflächenbeschaffenheit ähnlich jener von Itokawa hin. Bei der japanischen Satellitenmission Hayabusa wurde der Asteroid als fliegender Schutthaufen charakterisiert, bestehend aus lose aneinanderhängenden Gesteinsbrocken. Es ist also wahrscheinlich, dass auch 2005 YU55 eine rasende Geröllhalde ist.

Dank der Herschel-Ergebnisse lassen sich auch die Bahnberechnungen für 2005 YU55 deutlich verbessern, denn darin fließen physikalische und thermische Eigenschaften des Objekts ein. Für die Erde stellt der Kleinplanet keine Gefahr dar, zumindest innerhalb des vorhersagbaren Zeitraums von einigen Jahrzehnten. 2029 wird es eine ähnlich nahe Begegnung (Abstand: 340000 Kilometer) mit Venus geben, danach sind die Vorhersagen für die Bahn schon unsicherer. Es ist aber recht unwahrscheinlich, dass 2005 YU55 noch einmal die Mondbahn kreuzen wird.

Ansprechpartner
Dr. Thomas Müller
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching
Telefon: +49 89 30000-3499
E-Mail: tmueller@mpe.mpg.de
Dr. Hannelore Hämmerle
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching
Telefon: +49 89 30000-3980
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