Wovon TV-Stationen schwärmen sollen

Lokale Fernsehstationen und Hobbyfilmer können davon ein Klagelied
singen: Von Tag zu Tag wächst die Menge des Filmmaterials um unzählige Mega- und Gigabytes. Damit wird auch der Ruf nach praktikablen Archivierungs- und Suchlösungen immer lauter.

Medieninformatiker der Technischen Universität Chemnitz entwickelten im Rahmen der Initiative sachsMedia eine Technologie, die beliebiges Videomaterial automatisch analysiert und indexiert, also mit textlichen Beschreibungen – so genannten Annotationen – versieht. „Angesichts knapper Personal- und Zeitressourcen in fast allen kleinen und mittelständischen TV-Stationen dürfte diese Lösung auf große Nachfrage stoßen“, meint Jens Kürsten, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur Medieninformatik der Technischen Universität Chemnitz. Ihre neuesten Forschungsergebnisse zeigen die Medieninformatiker vom 3. bis 8. September 2010 auf der IFA in Berlin in der Halle 8.1 (Stand 17).

Fischschwärme als Ideengeber

Das Herz der in den vergangenen Jahren entwickelten Software ist eine flexibel konfigurierbare Suchmaschine. Gefüttert wird sie mit Analyseergebnissen – unter anderem aus der Text- und Spracherkennung. Darüber hinaus erweitern die Medieninformatiker der TU momentan ein Modul zur Gesichtsdetektion mittels der so genannten Schwarmintelligenz, das von Andreas Lang vom Johannes-Kepler- Gymnasium Chemnitz entwickelt wurde und beim diesjährigen Bundesfinale von „Jugend forscht“ mit Siegeslorbeeren überhäuft wurde.

„In Zukunft sollen Filmbeiträge auch automatisch nach Personen durchsucht werden können“, sagt Kürsten.

Das Phänomen der Schwarmintelligenz ist übrigens bei Vogel- oder Fischschwärmen zu beobachten. Sie ändern blitzschnell ihre Richtungen, ohne dabei zusammenzustoßen. Lang benutzte diese Schwarmintelligenz und entwickelte gemeinsam mit Medieninformatikern der TU Chemnitz eine Software, mit deren Hilfe sich Gesichter auf einem Video auch dann verfolgen lassen, wenn sie sich drehen, wenden oder entfernen. Der Rechner definiert dabei bestimmte Regionen im Gesicht als einen virtuellen Schwarm, dessen Verhalten er dann zuverlässig verfolgen kann. Beim Verfahren der Partikelschwarmoptimierung werden alle Individuen des Schwarms zufällig über einem Bild, das ein Gesicht enthält, verteilt und bewegen sich ebenso. Findet ein solches Partikel eine hautfarbenähnliche Region, meldet es diesen Fund an seine Nachbarn weiter. Nach einigen Iterationszyklen häuft sich der Großteil der Partikel an der Stelle mit der größten Hautpartie. Der Ton der Hautfarbe ist dabei in mathematischer Form so definiert, dass mit diesem Verfahren auch Menschen unterschiedlicher Hautfarbe aufgefunden werden können.

Live-Sprünge zwischen Hörsälen

Die Chemnitzer haben noch eine weitere Lösung im Gepäck, die bereits bei den Chemnitzer Linux-Tagen 2010 ihre „Feuerprobe“ bestanden hat und sowohl bei den Gästen an der TU aber auch in der weiten Welt des Internets für Aufsehen sorgte. Damals wurden alle Vortragsräume des Hörsaalgebäudes zu Fernsehstudios, die über das Internet auch mit der Außenwelt verbunden waren. Bis zu 200 Zuschauer konnten zeitgleich aus der Ferne live an dem Geschehen in den Hörsälen teilnehmen.

Dabei war es über eine spezielle Website auch möglich, zwischen den gleichzeitig stattfindenden Vorträgen umzuschalten und so in jedes Thema hineinzuhören. Wer in Uni-Nähe die ausgesendeten DVB-T- Signale empfing, konnte auch am Fernseher zwischen den Hörsälen hin- und herspringen. „Die Echtzeit-Verteilung der Medieninhalte und die Überwachung der Übertragung war eine große Herausforderung für uns“, erinnert sich Kürsten. Und genau für derartige Einsatzszenarien konzipieren und entwickeln die Mitarbeiter der Nachwuchsforschergruppe sachsMedia derzeit interaktive, lokalisierte und personalisierte Dienste, die sich sowohl in moderne Fernseher aber auch in Smartphones integrieren lassen. „Hier wollen wir die Plattform der IFA 2010 nutzen, um unsere Konzepte für neuartige TV-Dienste sowie einen Prototypen zur mobilen Live-Produktion mit direkter Übertragung über digitale Rundfunktechnologien und Streaming ins Internet vorzustellen“, sagt Kürsten und ergänzt: „Wir erhoffen uns natürlich auch, auf der weltweit größten Messe für Haushaltselektronik in Berlin Kooperationspartner zu finden, mit denen wir künftig nah an der Praxis Projekte realisieren können.“

Die Forschungsergebnisse entstanden im Projekt „sachsMedia – Cooperative Producing, Storage and Broadcasting for Local Television Stations“. Dieses Projekt ist eine Initiative der Professur Medieninformatik der TU Chemnitz, das bis Ende März 2012 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Programms „Unternehmen Region“ mit knapp drei Millionen Euro gefördert wird.

Weitere Informationen erteilen Prof. Dr. Maximilian Eibl, Inhaber der Professur Medieninformatik, Telefon 0371 531-25780, und Jens Kürsten, Telefon 0371 531-36764, E-Mail sachsmedia@tu-chemnitz.de.

Media Contact

Mario Steinebach Technische Universität Chemnitz

Weitere Informationen:

http://www.tu-chemnitz.de/tu/presse/

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