Minimalinvasive Eingriffe: Mit dem Laser nähen

Das neue mininmalinvasive Nähinstrument vereinfacht und beschleunigt Operationen. (© Fraunhofer IPT)<br>

Ein neues, minimalinvasives Nähinstrument vereinfacht den Vorgang. Die Fäden werden künftig nicht mehr verknotet, sondern per Laser verschweißt. Das Gerät ist auf der Messe MEDTEC Europe 2011 in Stuttgart zu sehen.

Operationen im Bauchraum werden immer häufiger minimalinvasiv durchgeführt. Ein kleiner Schnitt in die Bauchdecke genügt, damit Chirurgen die Instrumente einführen und die Organe mit einem Endoskop sichtbar machen können. Diese Methode ist schonender und strapaziert den Körper weniger als konventionelle OPs. Allerdings fordern die minimalinvasiven Eingriffe Ärzte besonders heraus. Vor allem das Nähen – also das Verbinden von Gewebe mithilfe von Nadel und Faden – verlangt großes Geschick und Fingerspitzengefühl. Das Durchstechen des Gewebes und das Knüpfen von Knoten gestaltet sich oftmals schwierig – schließlich müssen die Ärzte auf engstem Raum mit sehr eingeschränkter Bewegungsfreiheit operieren. Anders als beim Nähen von Textilien muss nach jedem Stich ein Knoten gesetzt werden – ein aufwändiger Vorgang, der den Patienten belastet und bei dem eine Reihe von Komplikationen auftreten können. Ist die Naht zu stark gespannt, besteht die Gefahr einer Minderdurchblutung. Zudem können die Fäden ins Gewebe einschneiden und Gefäße abschnüren. Schlimmstenfalls stirbt das Gewebe sogar ab. Ist die Naht hingegen zu locker gespannt, kann es zu Blutungen an den Wundrändern kommen.

Bislang hängt das korrekte Einstellen der Nahtspannung von der Erfahrung des Operateurs ab. Den optimalen Wert muss er subjektiv einschätzen – bei jeder Operation aufs Neue. Auf eine reproduzierbare, standardisierte Einstellung kann er nicht zurückgreifen. Künftig soll ein minimalinvasives Nähinstrument das Nähen vereinfachen. Die Forscher des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT in Aachen haben es im InnoNet-Projekt »Die Naht« (siehe unten) entwickelt. In einem neuen, halbautomatisierten Verfahren ermöglicht das Nähinstrument dem Chirurgen, die Fäden mit vorher definierter Fadenspannung zu verbinden. Das verkürzt nicht nur den Nähprozess, sondern beschleunigt auch die Wundheilung. Der Patient kann schneller genesen. »Mit unserem neuen Gerät lassen sich die Geweberänder schnell und sicher verbinden, da es automatisch für die optimale Nahtspannung sorgt. Der Chirurg muss sich nicht mehr darum kümmern. Künftig entfällt auch das mühselige Verknoten der Fadenenden, diese werden einfach per Laser verschweißt«, erklärt Dipl.-Ing. Adrian Schütte, Wissenschaftler am IPT.

Die Verfahrensidee basiert auf dem Prozess des Laserschweißens von Kunststoffen. Dabei werden zwei thermoplastische Fügepartner per Laserenergie aufgeschmolzen und miteinander verbunden. »In unserem Fall ist der Faden einer der beiden Fügepartner, der andere ist die Hülse. Sie befindet sich in der Spitze des neuen Nähinstruments, das einen Durchmesser von zehn Millimetern hat«, so Adrian Schütte.

Doch wie funktioniert das neue Verfahren? Zunächst verschaffen sich die Chirurgen durch ein schmales Rohr – Experten nennen es Trokar – einen Zugang zum Bauchraum. Nachdem sie mit der Nadel das Gewebe durchstochen haben, ziehen sie die Fadenenden mit der Operationszange durch den Trokar heraus und legen sie in die Hülse ein. Durch Herabschieben der Hülse durch den Trokar und gleichzeitiges Spannen der Fäden lässt sich eine definierte Spannung in der Naht einstellen. Liegt der gewünschte Spannungszustand vor, werden die Fäden per Laser mit der Hülse verschweißt. Der Laser befindet sich am Ende des Nähinstruments, der Laserstrahl wird über die Lichtleitfaser durch das Instrument geschickt. Überschüssiges Nahtmaterial wird hinter der Hülse abgeschnitten. Abschließend ziehen die Chirurgen das Nähinstrument durch den Trokar heraus. Die Hülse verbleibt nach dem Verschweißen im Bauchraum. »Derzeit besteht die Hülse aus Polypropylen, in Zukunft wollen wir sie aber auch aus resorbierbarem Material fertigen«, sagt Schütte.

In Labortests konnten der Wissenschaftler und sein Team gemeinsam mit den InnoNet-Projektpartnern (siehe unten) den Nähvorgang bereits erfolgreich durchführen. »Die besten Ergebnisse haben wir bei einer Nahtspannung von null bis fünf Newton und einer Bestrahlungszeit von 0,1 Sekunden erzielt«, sagt der Experte. Im Laufe dieses Jahres sollen auch schon die präklinischen Untersuchungen am Universitätsklinikum Aachen starten. Zunächst wird das Nähinstrument für minimalinvasive Eingriffe im Bauchraum eingesetzt. Der Forscher ist davon überzeugt, dass es sich auch für Schlüssellochoperationen am Herz anpassen lässt. Einen Prototypen des minimalinvasiven Nähinstruments zeigen die IPT-Forscher vom 22. bis 24. März auf der Messe MEDTEC Europe in Stuttgart (Halle 11, Stand 6211).

InnoNet-Projekt: Die Naht
Mit der Förderung von innovativen Netzwerken – InnoNet – will das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der mittelständischen Unternehmen erhöhen.Ziel des Projektes »Die Naht – Mechatronische Instrumente für die komplexe Nahtführung in der minimalinvasiven Chirurgie« ist die Entwicklung einer automatisierten Nahthilfe für den minimalinvasiven Einsatz. Projektpartner aus den Bereichen Forschung (Fraunhofer IPT und Lehrstuhl für Angewandte Medizintechnik der RWTH Aachen) und Medizintechnikhersteller (Medi-Globe, Sopro-Comeg), Hersteller medizinischer Sensorik und Messtechnik (LEA), Spezialisten für medizinisches Nahtmaterial (FEG, Ethicon) sowie Endanwender (Universitätsklinikum Aachen) arbeiten gemeinsam an der Umsetzung der Ziele.

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