Industrie 4.0 erlaubt Blick in die Präzisionsblankpresse

Das Potenzial von Industrie 4.0 wird für die optische Industrie erschlossen. Foto: Fraunhofer IPT

Der Glasrohling, den Holger Kreilkamp vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT in die Präzisionspresse einsetzt, ist nicht größer als ein zwanzig-Cent-Stück. Ein Knopfdruck, und schon schließt sich die Prozesskammer, eine Vakuumpumpe surrt, im Inneren der Maschine hat der Umformprozess begonnen.

Diesen kann man jetzt erstmals auf einem Tablet-PC mitverfolgen: Eine Simulation zeigt in Echtzeit, wie sich der Rohling der Form der Werkzeuge, die ihn pressen, anpasst und die Linse dann langsam auskühlt. Gleichzeitig geben Diagramme Auskunft darüber, wo welche Kräfte wirken und wie sich die Temperatur verändert. Ein echtes Novum: »Die Presse war bisher eine Black-Box – niemand konnte hineinsehen«, erklärt der Maschinenbauingenieur.

Der Blick in die Black-Box ist nur ein Baustein des neuen Konzepts, mit dem die Fraunhofer-Forscher derzeit die Massenproduktion von optischen Linsen optimieren. »Das Potenzial von Industrie 4.0, welche unter anderem die Digitalisierung des gesamten Produktionsprozesses zum Ziel hat, wurde von der optischen Industrie bisher noch kaum erschlossen«, erläutert Laura Niendorf, Spezialistin für Produkteffizienz am IPT.

»Unsere Untersuchungen zeigen, wie sich Daten einsetzen lassen, um den gesamten Fertigungsprozess zu optimieren – von der Simulation des Prozesses über den Formenbau, die Beschichtung der Werkzeuge, die Umformung bis hin zur Qualitätsprüfung der fertigen Optiken.«

Alle Daten im Blick

»Eines der größten Probleme war bisher, dass die Daten, die bei den einzelnen Prozessschritten anfallen, nicht systematisch erfasst und entsprechend auch nicht genutzt wurden«, ergänzt Niendorf. Simulationen beispielsweise wurden in einem anderen Dateiformat abgelegt als die Dokumentation des Umformprozesses, des Werkzeugverschleißes oder die Qualitätsprüfung.

Um von den digitalen Informationen aus allen Prozessschritten profitieren zu können, haben die Fraunhofer-Forscher eine unabhängige, web-basierte Software entwickelt. Diese lässt sich auf handelsüblichen Endgeräten, egal ob Laptop, Smartphone oder Smart Glasses, ohne Installation verwenden.

Alle Nutzer – vom Entwickler bis zum Qualitätsprüfer – haben Zugriff auf eine gemeinsame Prozess-Datenbank. Zusammenhänge, beispielsweise zwischen den Prozessparametern und der Qualität, lassen sich so schnell erkennen.

Des Geheimnis der Selektion

»Die eigentliche Herausforderung dieses neuen Ansatzes liegt darin, aus der riesigen Datenmenge genau die Informationen herauszuziehen, die einen Mehrwert bieten«, erläutert Niendorf. Mit Hilfe von Zeitreihen- und Korrelationsanalysen analysiert sie, wie beispielsweise die Glasqualität, das Alter der Werkzeuge, ihre Beschichtung und der Sauerstoffpartialdruck in der Maschine die Qualität der fertigen Linse beeinflussen.

Das erste Etappenziel ist jetzt erreicht: Der Blick in die Black-Box der Präzisionsblankpresse , den die Experten auf der Optatec Halle 3.0, Stand D50 zeigen, beweist, dass ein effektives Monitoring möglich ist. Im nächsten Schritt wollen die Fraunhofer-Forscher durch Echtzeit-Analyse der Prozessdaten sicherstellen, dass die gewünschte Qualität erreicht wird und, falls Abweichungen auftauchen, ein automatisches Alarmsystem einrichten. »Mittel- bis langfristig lassen sich so die Entwicklungs- und Produktionszeiten in der Optik-Industrie enorm verkürzen«, resümiert Kreilkamp.

Weitere Informationen:

http://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2016/Juni/industrie40-erl…

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