Flugzeugbau im Roboter-Takt

Dieser modulare carbonfaserverstärkte Leichtbaugreifer kann Flugzeugbauteile flexibel aufnehmen und handhaben – eine Entwicklung der Fraunhofer-Projektgruppe Fügen und Montieren FFM.<br>© Fraunhofer IFAM<br>

Fraunhofer-Forscher haben daher eine flexible Montagestraße konzipiert, in der Roboter wie in der Automobilproduktion ans Werk gehen. Die Entwickler stellen ihr neues Produktionskonzept auf der Composites Europe in Stuttgart in Halle 4, Stand D03 vor. Gezeigt wird außerdem eine erste Komponente der künftigen Fertigungsstraße: ein leistungsfähiger Bauteilgreifer aus leichtem Carbon.

Flugzeugbauteile sind gewaltig groß. Bereits einzelne Rumpfsegmente erreichen eine Länge von zehn Metern und mehr. Dennoch müssen sie hochpräzise im Jet verbaut werden: Bei der Montage tolerieren die Flugzeugbauer Abweichungen von maximal 0,2 Millimetern – und das bei Komponenten, die mehrere Tonnen wiegen. Um die gewichtigen Bauteile genau in Position zu bringen, setzen die Produzenten deshalb auf massige Fabrikationsanlagen, Montagezellen genannt. Das sind große Bögen, die wie Containerbrücken auf Stahlschienen und schweren Betonfundamenten über den Rumpf hinweg gleiten und beispielsweise Aluminiumteile nieten. Das Errichten solcher Montagezellen ist aufwändig und teuer. Zudem müssen sie für den nächsten Flugzeugtyp neu angefertigt werden, was die Bau- und Produktionskosten erhöht.

Gefragt sind daher Automatisierungskonzepte und -anlagen, die die Flugzeugmontage, insbesondere das hochpräzise Bohren und Fräsen sowie das Kleben, künftig flexibler, einfacher und wirtschaftlicher machen. Genau daran arbeiten Entwickler der im Großforschungszentrum »CFK Nord« in Stade tätigen Projektgruppe »Fügen und Montieren FFM« des Bremer Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM. Ihnen schwebt eine völlig neue Montagephilosophie vor: Flugzeuge sollen künftig wie in der Automobilindustrie von einem Ensemble aus vielen kleinen Industrierobotern mechanisch bearbeitet und zunehmend auch geklebt werden. Statt wuchtiger Montagezellen haben die Entwickler um den Projektgruppenleiter Dr. Dirk Niermann eine entsprechende Anlage konzipiert: Die Rumpfsegmente und Seitenleitwerke oder Tragflächen gleiten dabei ähnlich wie in der Automobilproduktion auf einer Art Fließbandschlitten an den einarmigen Robotern vorbei, die nacheinander an verschiedenen Stationen kleben, bohren und fräsen. Natürlich muss auch eine solche Anlage auf einen neuen Flugzeugtyp abgestimmt werden. Der Installationsaufwand ist aber deutlich geringer.

Vom 27. bis 29. September werden die Wissenschaftler aus Stade auf der Composites Europe 2011 (Halle 4, Stand D03) in Stuttgart eine erste wichtige Komponente ihrer neuen Montagelinie vorstellen: einen Greifer, der flexibel Flugzeugbauteile mit verschiedenen Geometrien aufnehmen kann. »In einem Flugzeug werden Schalen mit unterschiedlichen Krümmungen verbaut, ein Greifsystem muss sich daran anpassen können«, sagt Niermann. Das wird durch beweglich angeordnete Saugnäpfe erreicht, die auf robusten Gelenken sitzen. Die Saugnäpfe ruhen auf einer Rahmenstruktur aus carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK), der stabil und deutlich leichter als Metall ist. Dank der geringen Masse können die Industrieroboter den Greifer und die Bauteile besonders genau positionieren.

Das Greiferprinzip erscheint zunächst simpel. Die Handhabung der Bauteile aber ist tatsächlich eine Herausforderung. Denn die Maße der großen Flugzeugbauteile weichen bis zu mehreren Millimetern vom Soll ab, wenn sie im Rumpf verbaut werden. Bisher passen erfahrene Techniker diese Elemente in der Montagezelle mit hohem zeitlichen Aufwand in den Rumpf ein. Zum Teil werden die Bauteile sogar minimal gestaucht oder leicht gebogen, damit am Ende das 0,2-Millimeter-Limit eingehalten wird. Die Roboter und der Greifer sollen das künftig ganz allein erledigen. »Wir entwickeln deshalb ein präzises Erkennungssystem, das die Bauteile während der Montage exakt vermisst«, sagt Niermann. Hinzu kommt eine leistungsstarke Software, die in Sekundenbruchteilen die Koordinaten ermittelt, nach denen der Roboter das Werkstück ausrichten muss, damit am Ende alles passt. Und noch eine Herausforderung gibt es. Der klassische Flugzeugwerkstoff Aluminium wird mehr und mehr durch CFK ersetzt. CFK-Bauteile aber geben beim Einbau – anders als ein Alu-Blech – nicht nach. Sie müssen daher teils unter Spannung montiert werden. Techniker haben ein Gefühl dafür entwickelt, wie groß diese Spannung sein darf. Sie können die CFK-Komponenten entsprechend manuell montieren. Der Roboter hingegen muss auch das noch lernen.

Niermann und seine Kollegen aber sind sich sicher, dass eine erste Demonstrationsanlage in etwa drei Jahren zur Verfügung stehen wird. Der Greifer ist bereits während der Composites Europe zu sehen. Die Fraunhofer-Projektgruppe FFM stellt außerdem ihr neues Gesamtkonzept der Roboterfertigung für den Flugzeugbau vor.

Media Contact

Sarah Ernst Fraunhofer-Gesellschaft

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