Hannover Messe: Wie man die Temperatur von Raumkapseln beim Eintritt in die Atmosphäre misst

Jenaer Wissenschaftler entwickeln hochgenaues berührungsloses Temperaturmessgerät

 Wissenschaftler des Technischen Instituts der Physikalischen Fakultät der Uni Jena um Dr.-Ing. habil. Wolfgang Fried und Dipl.-Ing. Torsten Henning haben ein Messgerätesystem entwickelt, mit dem sich hohe Temperaturen berührungslos und sehr genau erfassen lassen. Das Gerät wird auf der Hannover-Messe vom 15. bis 20. April erstmals einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Es ist besonders anpassungsfähig und im Vergleich zu seiner Leistung auch besonders preiswert.

Beim Schweißen, beim Schmelzen von Metallen oder bei vielen chemischen Prozessen entstehen hohe Temperaturen. Häufig möchte man diese Temperaturen möglichst schnell und genau messen, da sie Rückschlüsse auf den Ablauf des Prozesses und auf die Qualität der Produkte zulassen. Dadurch wird es möglich, bei eventuellen Störungen schnell einzugreifen.

Wie alle berührungslosen Temperaturmessgeräte funktioniert das Jenaer Gerät nach dem Pyrometerprinzip. Pyrometer messen die abgestrahlte Wärme und eignen sich deshalb auch für bewegte Objekte und große Entfernungen. Das neuartige Jenaer Pyrometer kann aber noch mehr: Durch seinen mehrkanaligen Aufbau lassen sich problemlos zusätzliche Messfühler anschließen. Dadurch ist es möglich, die Temperatur mehrerer Wärmequellen gleichzeitig und ohne Zeitverzögerung hochgenau zu messen oder die Wärmeverteilung zwischen mehreren Messpunkten zu ermitteln. Der Messbereich liegt zwischen 650 und 3000 Grad Celsius, die Abweichung von der tatsächlichen Temperatur bei weit unter einem Prozent. Die Messdaten werden an einen Computer weitergeleitet und dort ausgewertet. Dieser Computer dient auch dazu, den jeweiligen Prozess zu steuern. Das Pyrometer kann aus der Ferne gewartet und geeicht (Fachwort: kalibriert) werden und ist mit einer Fehlerkorrektur ausgestattet. Sogar weltraumtauglich ist das neue Gerät: Es wurde bereits eingesetzt, um die Hitzeentwicklung von Raumkapseln beim Eintritt in die Atmosphäre zu messen – dabei entstehen immerhin Oberflächentemperaturen bis zu 2400 Grad Celsius. Zum Schutz vor derart hohen Temperaturen sind die Raumkapseln mit Keramikkacheln beklebt. Deren Temperatur wird fortlaufend an verschiedenen Stellen gemessen, damit die Besatzung notfalls den Eintrittswinkel ändern kann. Dazu waren bisher eine ganze Reihe von Pyrometern nötig, die Platz und Gewicht wegnahmen. Das Jenaer Instrument mit seinen zahlreichen Messkanälen macht es nun erstmals möglich, die Oberflächentemperatur mit einem einzigen Gerät zu messen. Die Wissenschaftler arbeiten bereits an einer Weiterentwicklung: In naher Zukunft wollen sie das Gerät mit weiteren Sensoren ausstatten, um auch Entfernungen, Strömungsgeschwindigkeiten, die Konzentration von Stoffen oder deren Dichte zu messen.

Inzwischen hat Torsten Henning gemeinsam mit dem Diplom-Wirtschaftsinformatiker Volker Heinrich die Firma VirtualFab Technologie gegründet. Beim 4. Thüringer Businessplan-Wettbewerb gewann die Ausgründung der Uni Jena den 1. Preis in der Kategorie „Dienstleistungen“. Einschließlich der beiden Chefs zählt die High-Tech-Firma zurzeit fünf Mitarbeiter. Die Unternehmensgründer wollen aber nicht nur ihr Pyrometer vermarkten: Sie verstehen sich auch als Spezialisten für wissenschaftliche Analysesoftware und Datenbanksysteme und entwickeln als Dienstleister Anwendungsprogramme für die Messtechnik. Ein weiterer Schwerpunkt der jungen Firma ist die „Virtuelle Fabrik“. Dabei schließen sich selbständige Unternehmen für die Dauer eines Projekts zeitweilig zu einem Verbund zusammen. Ein solches Netzwerk bauen die Virtual-Fab-Leute gerade für das Optonet Jena auf, einen eingetragenen Verein, in dem sich mehr als 40 Firmen der optischen Industrie, dazu mehrere Forschungsinstitute, Hochschulen, Banken und Kommunen, zusammengeschlossen haben. Mit dabei sind so prominente Namen wie Carl Zeiss Jena, Jenoptik, Analytik Jena, Asclepion Meditec und Docter Optics, aber auch zahlreiche kleine und mittelständische Spezialfirmen.

Weitere Informationen: VirtualFab – Gesellschaft für Technologieentwicklung mbH, Wildenbruchstraße 15, 07745 Jena, Dipl.-Ing. Torsten Henning, Tel: 0 36 41 / 67 51 90, Fax: 0 36 41 / 67 51 99, E-Mail: t.henning@virtualfab.de oder vom 5. bis 20. April 2002 auf der Hannover Messe, Halle 18, 1. Obergeschoss, auf dem Stand O 15, „Forschungsland Thüringen“. Die Firma ist eine Ausgründung der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

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Hubert J. Gieß idw

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