Sehende Maschinen verbessern die Produktion

Absolute Genauigkeit ist oberstes Gebot für viele Bereiche der industriellen Fertigung. Egal ob es darum geht, Werkzeuge mit hoher Präzision herzustellen, Aufdrucke von Verpackungen zu optimieren oder etwa Fremdpartikel in weißem Pulver aufzufinden. Auf der Control in Sinsheim (Halle 3, 3308 und 3408) präsentiert die Fraunhofer-Allianz Vision zahlreiche Innovationen der optischen Messtechnik.

Parallelkinematische Werkzeugmaschinen sind seit kurzem dabei, sich auf dem Markt zu etablieren. Ihr Vorteil gegenüber herkömmlichen Maschinen: Sie können sich sehr schnell in jede beliebige Richtung neigen oder drehen. Der Trick bei diesen Maschinen ist, dass sie dank einer Konstruktion mit Teleskopbeinen, die sich einzeln verkürzen oder verlängern, frei beweglich sind. Das Ende der Beine ist über ein weiteres Gelenk mit einer beweglichen Plattform verbunden, die wiederum ein Werkzeug wie etwa eine Frässpindel oder einen Laser trägt. Dank dieses Aufbaus kann jede Stelle eines Werkstücks schnell und präzise bearbeitet werden. Das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen- und Umformtechnik IWU in Chemnitz verbesserte nun die automatische Positionierung der Frässpindel mit Hilfe optischer Vermessung.

»Die Startposition der Spindel ist ein wesentlicher Parameter für die vollautomatische Bearbeitung des Werkstücks«, erläutert Dr. Stefan Mann vom IWU. »Denn die Positionsdaten werden direkt mit der Maschinensteuerung gekoppelt.« Zusammen mit der Firma METROM mechatronische Werkzeugmaschinen GmbH haben die IWU-Wissenschaftler, ein Mess-System entwickelt, das imstande ist, in nur wenigen Schritten präzise Aussagen über die räumliche Lage und Position der Spindel, unabhängig von deren Stellung zu liefern. »Nach einem Nothalt oder anderen unvorhergesehenen Stopps kann die Maschine die Arbeit am Werkstück direkt wieder aufnehmen – ohne umständliches Ein- oder Anpassen«, so Dr. Mann weiter.

Der Vorteil des neuen Mess-Systems: Es erfasst x-, y- und z-Position sowie Neige- und Kippwinkel der Spindel extern und berührungslos. Dazu werden mindestens zwei kommerziell verfügbare CCD-Kameras im Arbeitsraum installiert. »Unser Mess-System basiert auf dem Triangulationsverfahren« erklärt Dr. Stefan Mann. »Das heißt, die zwei Kameras werden bezüglich der Maschinenkoordinaten skaliert und kalibriert. Auf diese Weise erhalten wir alle Informationen, die für die Bestimmung der räumlichen Position der Spindel nötig sind.« Die Datenauswertung erfolgt mithilfe spezieller, bildauswertender Algorithmen. Die Ergebnisse werden automatisch an die Steuerung weitergegeben. Gerade in der metallverarbeitenden Industrie kann die paralellkinematische Werkzeugmaschine mit ihrer automatischen optischen Vermessung die Fertigung beschleunigen und präziser machen.

Nicht nur für Werkstücke aus Metall haben die Fraunhofer-Forscher Lösungen parat. Das Fraunhofer-Institut für Informations- und Datenverarbeitung IITB in Karlsruhe stellt gleich zwei neue optische Prüfsysteme vor: für die Qualitätskontrolle von bedruckten Verpackungen und von weißem Pulver.

Bunte Verpackungen – die verführerischen Hüllen vieler Produkte – sie sollen Blicke auf sich ziehen aber zugleich Informationen liefern für den Kunden wie für den Hersteller und Lieferanten. »Die Anforderungen an die Qualität von Aufdrucken sind enorm hoch«, sagt Dipl.-Ing. Günter Struck vom IITB. »Sie müssen strapazierbar und sehr gut zu lesen sein. Außerdem sollen sie bis in Nuancen bei Schrift und Farbe mit dem jeweiligen Firmendesign übereinstimmen.« Besonders heikel wird es dort, wo der Hersteller verpflichtet ist, über das Produkt und seine Anwendung zu informieren, etwa bei Arzneimitteln oder dem Haltbarkeitsdatum verderblicher Waren.

»Das menschliche Auge reicht für derartige Prüfungen nicht mehr aus«, kommentiert Struck. »Wir haben ein maschinelles Bildauswertesystem entwickelt, das auf diese Aufgabe spezialisiert ist. Es erreicht eine Prüfgeschwindigkeit von über 80 Mio. Bildpunkten pro Sekunde.« Herzstück ist eine hochauflösenden Zeilenkamera. Bildpunkt für Bildpunkt vergleicht sie den Aufdruck aus der laufenden Produktion mit einem vorher eingelernten Gutmuster. Neben den relevanten Zeichen wie Firmenlogo, Produkt- und Herstellername, Chargennummern, Herstellungsdatum oder etwaigen individuellen Nummerierungen werden die unbedruckten Flächen gleichzeitig auf Farbspritzer oder großflächige Verunreinigungen untersucht. »Wir prüfen Drucke auf so ziemlich jedem Material – Alufolie, Papier, Plastik, Karton oder Holz. Hauptsache der Kontrast ist gegeben. Dann werden Fehler ab 50 µm erkannt.«, kommentiert Dipl.-Ing. Struck die möglichen Anwendungsfelder.

Ein anderer Prüfautomat sichtet den Inhalt von Produkten. Er erkennt und bewertet Fremdkörper in weißem Pulver, das als Zuschlagstoff in der Pharmaindustrie weit verbreitet ist. »PowVis ist für die Wareneingangskontrolle geeignet«, beschreibt Dipl.-Ing. Struck das Einsatzgebiet. »Der Automat beurteilt die Reinheit von Stichproben. Fünf Kilo werden pro Stunde untersucht. Verunreinigungen bis zu einer Größe von 50 Mikrometern werden detektiert.« Zunächst wird das zu prüfenden Pulver in einen Vorratsbehälter geschüttet. Das Prüfsystem verteilt das Material über eine Rüttelrinne und lässt es als breiten Materialstrom vor einer schnellen, hochauflösenden Zeilenkamera herunterfallen. Eine spezielle Beleuchtung sorgt dafür, dass für die Zeilenkamera nur Verunreinigungen als dunklere Objekte sichtbar sind. Während des freien Falls werden die Fremdpartikel vermessen und ihre größte Ausdehnung festgestellt; dabei wird jeder Fremdpartikel einer Größenklasse zugeteilt. Als Ergebnis der Prüfung steht die Anzahl von Fremdkörpern in jeder Größenklasse fest.

Weitere Themen der Fraunhofer-Allianz Vision auf der Control sind: Thermografieprüfung, 3-D-Analyse strukturierter Materialien, Inspektion texturierter Oberflächen, Inspektion von Bohrungen und Rohren sowie die berührungslose 3-D-Geometrievermessung.

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