Aktiv gegen Schwingungen

Bauteilverkleidungen von laufenden Maschinen und Fahrzeugen schwingen störend, in der Fertigung vibrieren Werkzeuge: Technischer Fortschritt, Leichtbau, Vibrationen und auch Lärm gehören eng zusammen. Abhilfe versprechen adaptronische, aktive Bauteile: Sie können dafür sorgen, dass Maschinen- oder Fahrzeugvibrationen – und damit auch der Lärm – geringer werden. Auf der Hannover Messe (11. – 15. April in Hannover) zeigen Forscher am Fraunhofer-Stand E30 in Halle 2 neueste adaptronische Komponenten für Automobil- und Werkzeugbau.

Haltestelle Busbahnhof. Der Fahrer liest gemütlich seine Morgenzeitung. Nach einem Blick auf die Uhr startet er den Motor. Zu dem monotonen Brummen des Motors entstehen starke Vibrationen. Vor allem die Seitenverkleidungen schwingen und dröhnen laut. „Das Beispiel Bus verdeutlicht eindrucksvoll, wie eng Schwingungen und Lärm miteinander verbunden sind“, erklärt Dr.-Ing. Tobias Melz vom Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF in Darmstadt. Der Forscher ist fest davon überzeugt, dass schon bald Produkte des Automobil- und Werkzeugmaschinenbaus mittels Adaptronik optimiert werden. Im Projekt FASPAS (Funktionsverdichtete adaptive Strukturen durch Kombination von Piezotechnik und Softwaretechnologie autonomer Systeme) erarbeiten derzeit Wissenschaftler aus fünf Fraunhofer-Instituten Lösungen aus einer Hand für adaptronische Werkzeuge und Fahrzeugbauteile. Dabei decken sie das gesamte Spektrum von der Materialwissenschaft bis zur Systemzuverlässigkeit ab. Auf der Hannover Messe stellen die FASPAS-Wissenschaftler neben einem adaptiven multiaxialen Interface, das zunächst für den Kfz-Einsatz entwickelt wird, auch eine adaptive torsions- und biegesteife Strebe und eine Gewindelagerung für den Einsatz in Werkzeugmaschinen vor.

Intelligente adaptronische Bauteile erkennen Schwingungen und arbeiten ihnen kontrolliert entgegen, etwa durch eine Gegenschwingung oder eine aktive Dämpfung. Möglich wird dies dadurch, dass aktive Materialien wie piezoelektrische oder magnetostriktive Werkstoffe in die Bauteile integriert werden. Diese besitzen sensorische Eigenschaften und melden Schwingung an eine Rechnereinheit, dem Regler. Nachdem die Störung entdeckt und bewertet wurde, leitet er ein frequenz-, amplituden- und phasenangepasstes Signal an das aktive Material, das zugleich aktorische Eigenschaften besitzt. Das Aktorsignal wirkt in der Struktur der Störung gezielt entgegen und verhindert, dass die Störung sich weiter ausbreitet. Das aktive System bewirkt eine Bedämpfung oder Entkopplung der Quelle bzw. das Auslöschen der Vibrationen. An einer Stimmgabel lässt sich die Funktionsweise gut erklären: Schlägt man eine Stimmgabel an, wird eine Schwingung erzeugt. Beklebt man die Stimmgabel mit aktiven Materialien, so ermittelt der Regler den Schwingungen entgegenwirkendes Signal, das aktive System reagiert beim Anschlagen sofort mit einer Gegenschwingung, die Stimmgabel verstummt. Nach diesem Prinzip lassen sich eine Vielzahl von technischen Systemen optimieren. Die Forscher erwarten, dass die Adaptronik neben der Automobiltechnik und dem Werkzeugmaschinenbau in viele Branchen – Optik, Schiffbau, Anlagenbau, Luft- und Raumfahrt, Verteidigung – einziehen wird.

In FASPAS sind neben dem LBF das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU, das Fraunhofer-Institut für Autonome intelligente Systeme AIS, das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Sinterwerkstoffe IKTS und das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC beteiligt. Die FASPAS-Wissenschaftler entwickeln Prototypen und Demonstratoren für den Praxistest. So werden in einem Teststand störende Schwingungen erzeugt, die sich über die Federbeine auf die Fahrzeugkarosserie verteilen – ähnlich wie bei der Fahrt über Bodenwellen, Einwirkung von Fahrbahnrauhigkeiten und Motorvibrationen. Ein Wasserglas oben auf der Vorrichtung zeigt die sich in der Karosserie ausbreitenden Vibrationen an. Wird das aktive Interface zugeschaltet, bleibt der Wasserspiegel glatt. Damit wirken sich Störungen, die über das Federbein geleitet werden, nicht mehr negativ auf Lenkkomfort aus. Das Fahrzeug fährt ruhiger.

Ein weiteres Exponat ist eine aktive Strebe der Experimentalplattform 3POD. „Die Strebe beinhaltet Sensoren und Aktoren und reduziert Torsions- und Biegeschwingungen. So werden gleichzeitig Steifigkeits- und Leichtbaueigenschaften verbessert“, erklärt Melz. „Durch den Einsatz aktiver Komponenten werden deutlich bessere Fertigungsqualitäten in Werkzeugmaschinen erreicht werden.“

Media Contact

Dr.Ing. Tobias Melz Fraunhofer-Institut

Weitere Informationen:

http://www.lbf.fraunhofer.de

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