Der medizinische Arbeitsplatz der Zukunft

Blick in das Innere des Patienten: Das transparente AR (Augmented Reality)-Display

Fraunhofer IGD zeigt auf der MEDICA neue Verfahren für sichere Diagnostik und medizinische Eingriffe

Neuartige bildgebende Systeme auf Basis von Virtueller und Erweiterter Realität (VR/AR) liefern dem Arzt bei der Operation hilfreiche Informationen und sind für den Patienten unter Umständen lebenswichtige Assistenz. Das Blickfeld des Operateurs wird durch 3D-Patientendaten erweitert und er kann präzise die chirurgischen Instrumente im Körper navigieren. An neue Sensorsysteme gekoppelt, helfen visualisierte Datensätze, um z. B. bei einer komplizierten Herzoperation einzelne Gewebeteile sicher zu lokalisieren und damit gefährliche Schädigungen zu vermeiden. Auf der diesjährigen MEDICA, vom 19. – 22. November in Düsseldorf, zeigt das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung aktuelle High-Tech Systeme zur Unterstützung von Diagnostikverfahren und Therapie.

„Magisches Fenster“ in den Patienten

Durch ein sogenanntes Augmented Reality-Fenster in das Innere des Patienten blicken, dies ermöglicht das System MEDARPA (Medical Augmented Reality for Patients). Der Operateur kann damit künftig während des Eingriffs auf dreidimensional visualisierte Patientendaten wie Ultraschall oder Computertomographie zugreifen. Kernstück des innovativen Ausgabemediums ist ein transparentes, flexibel schwenkbares Display (AR-Fenster), das dem Arzt die operationsrelevanten Daten direkt in sein Sichtfeld einspielt. „So kann der behandelnde Arzt tief liegende Strukturen identifizieren und z.B. eine präzise und schonende Schnittführung der Instrumente planen“ beschreibt Prof. Georgios Sakas, Leiter der Abteilung „Cognitive Computing und Medical Image“ am Fraunhofer IGD, die Vorteile der innovativen Ausgabetechnik. Mit Hilfe präziser Positionsbestimmung, dem sog. Tracking, wird eine nahezu perfekte Überlagerung der virtuellen Daten und der realen Sicht erreicht.

Das bedeutet, die Blickrichtung des Arztes, die Körperposition des Patienten und die Lage des AR-Fensters und der genutzten Instrumente werden ständig bestimmt und in Echtzeit neu berechnet. In der Folge dauern die Eingriffe weniger lang und umliegendes Gewebe kann besser geschont werden. Die ausgereifte Anwendung könnte damit nicht nur den Operationssaal erobern, sondern auch die Aus- und Weiterbildung sowie das Training der Mediziner verbessern. Ferner sollen die Systeme in MEDARPA künftig auch auf natürliche Interaktionstechniken wie z.B. Sprache reagieren, damit sich der Chirurg uneingeschränkt auf das Operationsfeld konzentrieren kann.

Unter der Führung des Zentrums für Graphische Datenverarbeitung (ZGDV) in Darmstadt forschen im MEDARPA-Projekt Partner wie das Fraunhofer IGD, die MedCom GmbH, die GfM GmbH, die Städtischen Kliniken Offenbach, die Universitätsklinik Frankfurt und das Klinikum Nürnberg Nord. Sie entwickeln neue Lösungen für die Bereiche Herzchirurgie, Pulmologie und Radioonkologie.

Kopfbewegungen im Kernspintomographen bald ohne Folgen

Häufig sind Kinder oder unruhige Patienten betroffen: Bei der bildgebenden Erfassung des menschlichen Gehirns via Kernspintomograph können unkontrollierte Bewegungen zu diagnostischen Fehlinterpretationen führen. Denn vor allem die funktionelle Bildgebung des Kopfes reagiert sehr empfindlich auf Bewegungen. Um solche Fehler künftig zu vermeiden, erfasst das stereotaktische Trackingsystem im Projekt MRI-MARCB (System Development Correcting Motion Artifacts for Cardiac and Brain Diagnostic Applications) kleinste Bewegungen des Kopfes während der Datenakquisition. Die sensiblen Tracking-Daten können nun mit den Koordinaten des MRI Scanners exakt abgeglichen werden. Somit werden aus der Bewegung resultierende Bildstörungen beseitigt, indem das MR Koordinatensystem anhand der Kopfbewegung nachgeführt wird. Die neue Technik hat den entscheidenden Vorteil, dass auf die Fixierung des Kopfes während der Magnet Resonanz-Aufnahme verzichtet werden kann. Untersuchungen sind damit für den Patienten deutlich angenehmer sowie für den Arzt wesentlich aufschlussreicher und zeitsparender durchzuführen. Renommierte Partner des von der Europäischen Union geförderten Projektes MRI-MARCB sind neben dem Fraunhofer IGD unter anderem Philips, die Universität Hamburg-Eppendorf, die Strahlenklinik Offenbach, das Lawson Health Research Institute in Kanada sowie die Universität Toronto.

Ein weiteres Forschungsvorhaben zur medizinischen Bildregistrierung, präsentiert moderne Methoden zur Optimierung des sogenannten Matching-Prozesses (Bildabgleich) in 3D und bietet damit z. B. für den Arzt die Chance, verschiedenste Daten wie etwa CT, MR oder PET exakt und zuverlässig zu fusionieren. Das innovative Projekt wurde am Fraunhofer IGD durchgeführt und bereits in dem Visualisierungssystem „InViVo“ eingesetzt, das – in die telemedizinische Arbeitsstation „TeleInViVo“ integriert – mit dem renommierten IST-Preis von der EU ausgezeichnet wurde.

Fraunhofer IGD, Halle 10, Stand F05, Prof. Dr. Georgios Sakas, e-mail: georgios.sakas@igd.fraunhofer.de

Roboter assistieren bei Bypass-Operation

Hochsensible Roboter ermöglichen dem Chirurgen, komplexe Operationen mit hoher Präzision durchzuführen und kleinere Schnitte zu setzen. Das bedeutet für den Patienten mehr Sicherheit und weniger belastende Eingriffe. Bislang werden jedoch die Roboter- oder Navigationssysteme nur vereinzelt eingesetzt. Denn für die optimale Verbindung von manueller und robotergestützten Techniken fehlt es häufig an einer integrierten medizinische Operationsumgebung, die den Ärzten intuitives Arbeiten ermöglicht.
Diese Lücke schließen sollen die Systeme, die ein interdisziplinäres Forscherteam im Projekt ERIAS entwickelt und in Kliniken evaluiert. ERIAS ( Extended Reality Integration in Robot-Assisted Endoscopic) verbindet voroperative Planung, Überwachung des Eingriffs und den gezielten Einsatz von Robotern während der Operation. Die Forscher des Fraunhofer IGD, IPA und FIT arbeiten gemeinsam mit dem Herzzentrum Bonn an einem prototypischen Gesamtsystem zur robotergestützten Endoskopie. Es integriert drei Komponenten: ein zertifiziertes Manipulatorsystem und eine intuitiv nutzbare Simulationsumgebung, welche die Patientendaten aus der präoperativen Planung mit den aktuellen Daten der Operation verbindet. Die dritte Komponente besteht aus einem sogenannten Trackingsystem zur Positionsbestimmung. Auf der MEDICA wird u. a. demonstriert, wie neueste intraoperative Registrierungstechniken kombiniert werden, um eine optimale und schonende Schnittführung z. B. für eine Bypass-Operation zu erlangen. „Mit Hilfe multimodaler Sensoren an den Instrumenten lassen sich Lage und Bewegung von Organen bis hin zu anatomischen Strukturen wie einzelne Gefäße differenzierter erkennen, somit wird die aktuelle Situation während der Operation exakt erfasst. Nur so lassen sich simulierte und reale Umgebung präzise überlagern,“ betont Ulrich Bockholt, am Fraunhofer IGD für das Projekt verantwortlich. Aktualität, Genauigkeit und Informationstiefe der Patientendaten können damit optimal genutzt werden. Das Gesamtsystem ERIAS wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Fraunhofer IGD in Halle 3, BMBF-Stand E 92, Ulrich Bockholt, e-mail: ulrich.bockholt@igd.fraunhofer.de

Kurzprofil INI-GraphicsNet:
Das internationale Netzwerk der Graphischen Datenverarbeitung (INI-GraphicsNet) besteht aus dem Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD, dem Zentrum für Graphische Datenverarbeitung (ZGDV) e.V., beide in Darmstadt und Rostock, und dem Fachgebiet Graphisch-Interaktive Systeme (GRIS) der Technischen Universität Darmstadt. Weitere Institutionen des Netzwerkes sind das Fraunhofer-Anwendungszentrum für Computergraphik in Chemie und Pharmazie (AGC) in Frankfurt, das Fraunhofer Center for Research in Computer Graphics (CRCG) und imedia – The ICPNM Academy, beide in Providence, Rhode Island (USA), das Centre for Advanced Media Technology (CAMTech) und das Centre for Graphics and Media Technology (CGMT), beide in Singapur, das Centro de Computaç“o Gráfica (CCG) in Guimar“es (Portugal), das Centre for Visual Interaction and Communication Technologies (VICOMTech) in San Sebastian (Spanien), das Institute for New Media Technology (NEMETech) in Seoul (Süd-Korea) und das Center for Advanced Computer Graphics Technologies (GRAPHITech) in Trento (Italien).

Innerhalb des Netzverbundes sind an den neun Standorten über 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie rund 560 wissenschaftliche Hilfskräfte beschäftigt. Bei einem Haushalt von über 42 Millionen Euro bildet das INI-GraphicsNet weltweit den größten Forschungsverbund auf dem Gebiet der Graphischen Datenverarbeitung.

Media Contact

Bernad Lukacin idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Messenachrichten

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer