Kompetenznetze in der Medizin präsentieren sich im Rahmen der MEDICA 2002

Zwei Probleme sehen Forschungspolitiker in der medizinischen Versorgung in Deutschland: Zum einen dauert es zu lange, bis eine wissenschaftlich anerkannte neue Behandlungsmethode in der Klinik und von niedergelassenen Ärzten eingesetzt wird. Kranken Menschen kommen neue Erkenntnisse daher erst mit Verzögerung zugute. Zum anderen arbeiten die Forschungsinstitutionen zu wenig zusammen – mit der Folge, dass die deutsche Forschung im internationalen Vergleich hinterherhinkt.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) wollte Ende der 90er-Jahre beide Probleme auf einen Schlag lösen und rief – ganz zeitgemäß – die Vernetzung aller Grundlagenforscher, Kliniker und niedergelassenen Ärzte aus, die sich schwerpunktmäßig mit der Behandlung von Patienten mit jeweils einer einzigen Krankheit befassten. Es gab eine Ausschreibung für die Bildung so genannter Kompetenznetze, bei der es um Forschungsgelder in Höhe von 2,5 Millionen Euro für fünf Jahre je Netz ging. Eines der neun auserwählten Netze war das Kompetenznetz Rheuma.

Im Rahmen der weltweit größten Medizinmesse MEDICA in Düsseldorf präsentieren sich die Kompetenznetze innerhalb des neu eingerichteten Bereiches MEDICA VISION (20. bis 23.11.2002). MEDICA VISION in Messehalle 3 hat zum Ziel, die Beteiligungen der vielen Hochschulen und Forschungsinstitute an der MEDICA transparent zu gestalten und die entsprechenden Angebot zu bündeln. Innovationen der Zukunft und Gedankenspiele für die medizinische Versorgung im 21. Jahrhundert sind hier auf engstem Raum zusammengefasst. Die Kompetenznetzwerke sind zudem mit einem Stand im CCD.Süd (Congress Centre) zu finden.

Was bedeutet Kompetenznetzwerk?

Unter Vernetzung kann man viele Dinge verstehen: Menschen unterschiedlicher Institutionen arbeiten eng miteinander zusammen und erreichen dadurch mehr, als sie alleine erreichen würden. Außerdem lässt sich eine Vernetzung auch EDV-technisch verstehen: Daten werden elektronisch ausgetauscht, zusammengefasst und verarbeitet. Das Kompetenznetz Rheuma startete zunächst damit, dass die Leiter der sechs Rheuma-Institute in Universitätskliniken in Deutschland sich zusammensetzten und überlegten, wie die Forschung in der Rheumatologie und die Versorgung von Rheuma-Patienten durch eine Vernetzung verbessert werden könnte. Sie erarbeiteten ein Konzept, bewarben sich bei der Ausschreibung und gewannen.

Drei Jahre nach der Ausschreibung hat das Konzept Gestalt angenommen. Viele Rheuma-Spezialisten in Deutschland arbeitet heute zusammen, vom Spitzenforscher bis hin zum niedergelassenen Rheumatologen. Daten von rund 38 Prozent der Patienten mit rheumatischen Erkrankungen – in absoluten Zahlen sind das mehr als 30000 – werden in den regionalen Rheumazentren gesammelt, pseudonymisiert und zentral am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum in Berlin ausgewertet. Von den Daten können nicht nur Epidemiologen profitieren, sie lassen auch Rückschlüsse zu über das Therapieverhalten von Ärzten sowie auf direkte und indirekte Kosten von rheumatischen Erkrankungen. Die Daten stehen damit auch Gesundheitspolitikern und den Kostenträgern im Gesundheitswesen für ihre Entscheidungen zur Verfügung. Auch die Patienten haben etwas davon. Sie werden mit Chipkarten ausgestattet, die den Zugang zu ihrer Krankengeschichte ermöglichen, so lange sie von Ärzten behandelt werden, die Teil des Kompetenznetzes sind.

EDV sorgt für reibungsloses Zusammenspiel!

Bisher erfassen die Rheuma-Ärzte die Patientendaten auf Papier und faxen die Formulare dann nach Berlin. Dort werden sie wieder von Hand erfasst und in der zentralen Datenbank gespeichert. Schon in naher Zukunft ist es geplant, die Daten aus den EDV-Systemen vor Ort über ein geschlossenes Intranet nach Berlin zu schicken, umso eine doppelte Erfassung zu vermeiden und dadurch auch die Fehlerquote zu senken.

Das Intranet des Kompetenznetzes heißt Rheumanet.org. Es hat sein Pendant im Internet-Auftritt des Netzes unter der Adresse www.rheumanet.org. „Das ist das Schaufenster des Kompetenznetzes“, sagt dessen Pressesprecherin, Julia Rautenstrauch. Auf der Internet-Plattform gibt es zum einen Informationen über die Einzelprojekte und Struktur des Kompetenznetzes. Zum anderen können aber auch Patienten, Angehörige und auch Hausärzte den Internet-Auftritt nutzen, um per E-Mail Fragen an Rheumatologen und Grundlagenforscher zu stellen. Zu wichtigen Themen gibt es zudem regelmäßig Chat-Termine. Patienten können dann Fragen stellen und erhalten die Antworten noch in der Chat-Sitzung.

Vernetzung, das heißt aber auch eine verstärkte Zusammenarbeit auf wissenschaftlicher Ebene. In jedem Teilgebiet haben jeweils die Forscher und Ärzte die Federführung, die dort am kompetentesten sind. Für neue Studien ist die erforderliche Zahl an Patienten meist schnell gefunden – dank der zentralen Datenbank. Zusätzlich wird der personelle Austausch gefördert. So genannte Rotationsstipendien ermöglichen einen intensiven persönlichen Kontakt der beteiligten Ärzte. So können Ärzte aus der Klinik auch einmal im Labor oder niedergelassene Mediziner auch einmal in der Universitätsklinik arbeiten. Dabei geht der Wissenstransfer nicht nur in eine Richtung. Für Forscher kann es sehr lehrreich sein, wenn sie erfahren, unter welchen Bedingungen niedergelassene Ärzte und Patienten im Alltag arbeiten. Leitlinien zu Diagnose und Therapie der verschiedenen rheumatischen Erkrankungen werden auch vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen gemeinsam erstellt.

Netze werden gefördert…

Das Kompetenznetz Rheuma ist eines von mittlerweile 14 etablierten Netzen. Jedes dieser Netze deckt eine Indikation ab, die vom Bundesforschungsministerium als gesundheitspolitisch von Bedeutung eingeschätzt worden ist. Die Förderung in Höhe von jeweils maximal 2,5 Millionen Euro pro Jahr für fünf Jahre als Anschubfinanzierung soll möglichst vielen Patienten zugute kommen und letztlich auch helfen, die Versorgung in wichtigen Bereichen effizienter zu gestalten. Nach den fünf Jahren sollen die Netze wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen, zum Beispiel können die vorhandenen anonymisierten Patientendaten genutzt werden, die geschaffenen Strukturen könnten aber auch Auftragsstudien für die Industrie übernehmen. Die Zwischenbilanz der Kompetenznetze nach zweieinhalb Jahren erscheint positiv. Die engere Zusammenarbeit zwischen Forschung, Klinik und Praxis trägt erste Früchte. Und auch bei der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Forscher haben sich nach Meinung von Experten dank der Vernetzung erste Fortschritte ergeben.

Im Rahmen der MEDICA werden sich die Kompetenznetze am Samstag, 23. November, bei einer eigenen Veranstaltung in Halle 3 vorstellen. Dabei werden Vertreter der Kompetenznetze Rheuma, Depression/ Suizidalität, Schizophrenie und Demenz ausgewählten Projekten sprechen. Außerdem wird Prof. Matthias Schneider von der Universität Düsseldorf die Möglichkeiten der Website www.rheumanet.org erläutern hinsichtlich des Zusammenspiels von Ärzten und Patienten in einem Kompetenznetzwerk.

Media Contact

Martin-Ulf Koch idw

Weitere Informationen:

http://www.medica.de

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