Wirkstoff weckt Hoffnung auf Heilung von Hepatitis E

Die Erstautoren Nora Möller und Daniel Todt. © RUB, Marquard

Mahagonigewächse bilden Wirkstoff

Silvestrol wird von rund 400 verschiedenen Arten von Mahagonipflanzen gebildet und lässt sich aus deren Blättern extrahieren. In der Vergangenheit wurde Silvestrol schon als möglicher Wirkstoff gegen bestimmte Tumore und gegen Ebola beschrieben, ist aber bisher nicht im klinischen Einsatz.

Beim Screening möglicher Wirkstoffe gegen Hepatitis E untersuchten die Forscher – zunächst noch am Twincore, Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung, in Hannover, dann an der RUB – die Wirkung von Silvestrol auf das Virus. „Wir haben dazu zuerst sogenannte Reporterviren in Zellkulturen mit Silvestrol behandelt und festgestellt, dass sie sich weniger stark vermehrten als ohne die Behandlung“, erklärt Daniel Todt.

RNA verrät die Menge neuer Viren

Im nächsten Schritt nutzten die Forscher Stammzellen, die sie zu Leberzellen ausdifferenziert hatten. Sie infizierten sie mit Hepatitis-E-Viren – sowohl solchen, die sie zuvor im Labor produziert hatten, als auch solchen, die aus Patienten stammten und aufgereinigt worden waren. Die Forscher beobachteten den Infektionsverlauf mit und ohne Silvestrol mehrere Tage lang.

„Mit Hilfe von spezifischen, gegen das Virus gerichteten Antikörpern konnten wir messen, wie häufig sich die Viren in den infizierten Zellen repliziert hatten“, erklärt Daniel Todt.

Ergebnis: Nach der Behandlung mit Silvestrol sanken die Vermehrungsrate und die Zahl der infizierten Zellen stark ab. „Die Wirkung von Silvestrol war stärker als die von Ribavirin, dem bisher einzigen Wirkstoff, der gegen Hepatitis E eingesetzt wird“, erklärt der Forscher. Das zeigte sich bei Infektionen mit allen bekannten vier genetisch unterschiedlichen Typen des Virus, die Menschen krank machen können.

Um zu untersuchen, ob der Wirkstoff die Virusvermehrung auch in lebenden Organismen hemmt, testeten sie seine Wirkung bei Mäusen, denen menschliche Leberzellen eingepflanzt und mit Hepatitis E infiziert wurden. Auch bei ihnen führte die Behandlung mit Silvestrol dazu, dass sich die Viren weniger häufig replizierten. Schädliche Nebenwirkungen blieben in geringer Dosierung aus.

Erste Adresse für die Erforschung von Hepatitis E

Diese Ergebnisse wecken die Hoffnung, dass Silvestrol ein wirksames Mittel gegen Hepatitis E sein könnte. „Das klinische Potenzial muss in weiteren Studien ausgelotet werden“, so Eike Steinmann. „Unsere Untersuchungen legen dafür den Grundstein.“

Die Bochumer Forscher sind die ersten, die ein umfassendes Testsystem für Wirkstoffe gegen das Hepatitis-E-Virus von der Zellkultur über Stammzellen bis hin zum Tiermodell aufgebaut haben.

Hepatitis E

Das Hepatitis-E-Virus (HEV) ist der Hauptverursacher akuter Virus-Leberentzündungen. Nach dem ersten dokumentierten epidemischen Ausbruch 1955 bis 1956 vergingen mehr als 50 Jahre, bis Forscher sich intensiv des Themas annahmen. Akute Infektionen heilen bei Patienten mit intaktem Immunsystem normalerweise von selbst aus. Bei Patienten mit reduziertem oder unterdrücktem Immunsystem wie Organtransplantatempfängern oder HIV-infizierten Patienten kann HEV chronisch werden. Auch für schwangere Frauen ist HEV besonders bedrohlich. Ribavirin ist der einzige bisher im Einsatz befindliche Wirkstoff, der aber nicht in allen Fällen wirkt.

Förderung

Die Arbeiten wurden gefördert durch das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, das Bundesministerium für Bildung und Forschung (German Indonesian Anti-Infectives Cooperation Grant 16GW0105), die Boehringer-Ingelheim-Stiftung, die Forschungsstiftung Flandern, das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung sowie die Rockefeller University.

Dr. Daniel Todt
Abteilung für Medizinische und Molekulare Virologie
Medizinische Fakultät
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 26465
E-Mail: daniel.todt@rub.de

Daniel Todt, Nora Moeller et al.: The natural compound silvestrol inhibits hepatitis E virus (HEV) replication in vitro and in vivo, in: Antiviral Research, 2018, DOI: 10.1016/j.antiviral.2018.07.010, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0166354217308550

Media Contact

Meike Drießen idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.ruhr-uni-bochum.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit

Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.

Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Nanofasern befreien Wasser von gefährlichen Farbstoffen

Farbstoffe, wie sie zum Beispiel in der Textilindustrie verwendet werden, sind ein großes Umweltproblem. An der TU Wien entwickelte man nun effiziente Filter dafür – mit Hilfe von Zellulose-Abfällen. Abfall…

Entscheidender Durchbruch für die Batterieproduktion

Energie speichern und nutzen mit innovativen Schwefelkathoden. HU-Forschungsteam entwickelt Grundlagen für nachhaltige Batterietechnologie. Elektromobilität und portable elektronische Geräte wie Laptop und Handy sind ohne die Verwendung von Lithium-Ionen-Batterien undenkbar. Das…

Wenn Immunzellen den Körper bewegungsunfähig machen

Weltweit erste Therapie der systemischen Sklerose mit einer onkologischen Immuntherapie am LMU Klinikum München. Es ist ein durchaus spektakulärer Fall: Nach einem mehrwöchigen Behandlungszyklus mit einem immuntherapeutischen Krebsmedikament hat ein…

Partner & Förderer