Wie das Wirbeln auf Rollschuhen die Wirbel belastet

Rollschuhakrobatik im Labor: Untermann Maja Neubert wirbelt unter Testbedingungen, während Prof. Dr. Thomas L. Milani (r.), Inhaber der Professur Bewegungswissenschaft an der TU Chemnitz, und Prof. Dr. Hartmut Riehle (2.v.r.), emeritierter Professor für Sportwissenschaften und Biomechanik an der Universität Konstanz, die Messungen kontrollieren. Foto: TU Chemnitz/Uwe Meinhold<br>

Sie ist eine artistische Höchstleistung: die Rollschuhschleuder. Ein größerer Rollschuhfahrer – der Untermann – wirbelt einen kleineren – den Obermann – um zwei Achsen. Verbunden sind die beiden Sportler dabei über eine Wirbellonge, die der größere um den Hals trägt.

Sie besteht aus zwei kopfgroßen Schlaufen, die verdrehbar aneinander befestigt sind. Während der Untermann sich auf den Rollschuhen im Kreis dreht, wirbelt der Obermann um die Achse des Untermannes durch die Luft. Parallel dazu wird er um seine eigene Achse gedreht. Dabei sind sowohl die Halswirbelsäule als auch die Füße des Untermannes besonderen Belastungen ausgesetzt. Wie groß die wirkenden Kräfte sind und welche Konsequenzen sich für das Training der Rollschuhartisten daraus ergeben, war Thema einer Messreihe an der Professur Bewegungswissenschaft der Technischen Universität Chemnitz.

Die zwei Probandenpaare kamen vom Sportensemble Chemnitz des TSV Einheit Süd. Dort trainieren rund 30 Sportlerinnen einmal pro Woche in der Abteilung Rollschuhschleuder-Artistik. Eine von ihnen ist Maja Neubert, die seit 2007 an der TU Chemnitz Sports Engineering studiert und sich derzeit in ihrer Bachelorarbeit mit den bewegungswissenschaftlichen Grundlagen der Rollschuhschleuder beschäftigt. Unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas L. Milani (Inhaber der Professur Bewegungswissenschaft der TU Chemnitz), Prof. Dr. Hartmut Riehle (emeritierter Professor für Sportwissenschaft und Biomechanik der Universität Konstanz) sowie Kerstin Korb (Leiterin der Gruppe Rollschuhschleuder-Artistik beim Sportensemble Chemnitz) fanden in den Labors der Chemnitzer Professur mehrere Messungen statt. Die hierbei gewonnenen Daten dienen als Grundlage für Neuberts Abschlussarbeit.

Die Belastungen der Halswirbelsäule haben die Sportwissenschaftler durch einen Kraftaufnehmer gemessen, der im Verbindungsstück der Wirbellonge – dem so genannten Swivel – angebracht war. „Die Ergebnisse der Kraftmessungen zeigen, dass auf die Wirbelsäule des Untermannes sehr hohe Lasten wirken, die im Schnitt dreieinhalbfach so groß sind wie das Gewicht des Obermannes“, sagt Dr. Günther Schlee vom Institut für Sportwissenschaft der TU Chemnitz, der die Bachelorarbeit betreut. Der Obermann wiegt in der Regel rund 30 Kilogramm – die Last, die bei der Schleuderbewegung auf die Halswirbelsäule einwirkt, liegt also bei mehr als 100 Kilogramm. Das Gewicht eines leichten Kindes fühlt sich somit an, wie das eines schweren erwachsenen Mannes. „Diese Daten zeigen, dass die Belastung des Nackens weiter analysiert werden muss und daraus Schlüsse fürs Techniktraining und die Bewegungsabläufe gezogen werden sollten, um langfristig Verletzungen zu vermeiden“, so Schlee.

Außerdem statteten die Wissenschaftler die Rollschuhe des Untermannes mit Einlegesohlen aus, die über Sensoren die Verteilung des Druckes an der Sohle beim Bodenkontakt aufzeichneten. Diese Messungen haben gezeigt, dass die Füße beim Schleudern aufgrund der Drehrichtung unterschiedlich belastet werden. „Der linke Fuß ist für den Antrieb bei der Drehbewegung zuständig, der rechte für die Stabilität. Am weitaus stärksten belastet wird der linke Vorfuß“, sagt Schlee und ergänzt: „Erst das optimale Zusammenspiel beider Füße ermöglicht eine stabile Drehung, trotz der hohen Drehgeschwindigkeiten.“

Die Messung der Drehgeschwindigkeiten erfolgte bei den Tests der Chemnitzer Sportwissenschaftler über Hochgeschwindigkeitskameras. Außerdem untersuchten die Forscher mit Hilfe einer Kraftmessplatte die Bodenreaktionskräfte beim Drehen und über ein Kamerasystem, das bestimmte markierte Körperpunkte des Paares verfolgt, die Bewegungshaltung der Sportler. Die dabei gewonnenen Daten werden zurzeit noch ausgewertet. „Dieses Pilotprojekt gibt einen ersten Einblick in die komplexe Bewegungstechnik sowie die körperlichen Belastungen, die bei dieser außergewöhnlichen Sportart auftreten“, so Schlee. Ziel der Bachelorarbeit von Rollschuhartistin Maja Neubert ist es nun, weitere Ausgangsdaten über die Belastung beim Rollschuhfahren zu gewinnen. Diese können dann auch Grundlage sein für die Entwicklung und Optimierung von sportartbezogenen Geräten, beispielsweise der Wirbellonge.

Weitere Informationen erteilt Dr. Günther Schlee, Telefon 0371 531-34539, E-Mail guenther.schlee@hsw.tu-chemnitz.de

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Katharina Thehos Technische Universität Chemnitz

Weitere Informationen:

http://www.tu-chemnitz.de/

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