Wie entwickeln sich Aneurysmen in Hirnarterien – Altersbestimmung liefert neue Erkenntnisse

Wenn Aneurysmen der Hirnarterien platzen, führt dies zu einer potenziell lebensbedrohlichen Gehirnblutung, an der mehr als ein Drittel der betroffenen Patienten sterben können. Leider ist bis heute nicht eindeutig geklärt, über welchen Zeitraum und was mögliche Risikofaktoren sind, welche diese Entwicklung beschleunigen.

Eine Forschergruppe, geleitet von Wissenschaftlern der Neurochirurgischen Klinik des Universitätsklinikums Düsseldorf und des St. Michael’s Hospital der Universität von Toronto, Kanada, hat in der Fachzeitschrift „Stroke“ dazu einen Beitrag veröffentlicht, der über eine Altersbestimmung von Gewebe aus Aneurysmen zeigen konnte, dass der Hauptbestandteil von Aneurysmen-Kollagen deutlich jünger ist als bisher angenommen und sich Aneurysmen unter Einfluss von Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Nikotinkonsum vermutlich deutlich schneller entwickeln als bisher angenommen.

Durch den gesteigerten Bindegewebsumbau in Aneurysmen aufgrund dieser Risikofaktoren würde auch erklärt werden, warum diese die strukturelle Instabilität und somit das Risiko einer Ruptur, d.h. eines Risses in der Aneurysmawand erhöhen.

Einige Theorien besagen, dass zerebrale Aneurysmen sich bilden und dann mit einer konstanten Rate wachsen, während mathematische Simulationen nahelegen, dass sich bei Aneurysmen Episoden von Wachstumsstillstand mit struktureller Stabilität und Wachstum abwechseln.

In solchen Wachstumsphasen könnten Aneurysmen dann eine strukturelle Instabilität aufweisen, die eine Ruptur begünstigen würden. Die Wände dieser Aneurysmen entsprechen nicht dem Aufbau einer Gefäßwand sondern enthalten in erster Linie bindegewebige Bestandteile, vor allem die sogenannten Kollagenfasern.

Um der Frage der chronologischen Entwicklung von zerebralen Aneurysmen nachzugehen, haben die Wissenschaftler, geleitet von PD Dr. Nima Etminan, Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Düsseldorf, die Radiocarbondatierungs-Methode* zur Altersbestimmung des Hautbestandteiles von zerebralen Aneurysmen, des Kollagen Typ I und V genutzt. Es wurden insgesamt 46 Proben aus 36 rupturierten sowie aus zehn zufällig entdeckten, nicht rupturierten zerebralen Aneurysmen nach chirurgischer Behandlung mittels Radiocarbondatierung analysiert.

Interessanterweise zeigte sich, dass Kollagen in nahezu allen Aneurysmaproben jünger als fünf Jahre war. Das Alter des aneurysmatischen Kollagens war weder durch das Lebensalter der Patienten noch durch die Größe des Aneurysmas bestimmt. Der hohe Anteil von relativ jungem Kollagen in zerebralen Aneurysmen weißt darauf hin, dass Kollagen hier regelmäßig neu gebildet wird, d.h. einem dynamischen, strukturellem Umbau unterliegt. Dieser Umbau wird unter den Risikofaktoren Bluthochdruck und Nikotinkonsum deutlich erhöht.

Es zeigte sich ein statistisch signifikanter Unterschied hinsichtlich des Alters von aneurysmatischem Kollagen bei Patienten, die zum Zeitpunkt der Behandlung unter Bluthochdruck litten oder regelmäßigen rauchten. Sowohl Bluthochdruck, als auch Nikotinkonsum sind als Risikofaktoren für die Ruptur zerebraler Aneurysmen seit längerem bekannt, ein Zusammenhang mit der zeitlichen Entwicklung war jedoch bis dato nicht belegt. Die negative Wirkung dieser Risikofaktoren auf die strukturelle Stabilität von Aneurysmen wurde unter anderem bereits in einer früheren Arbeit der gleichen Arbeitsgruppe dargestellt.

Durch diese neuen Erkenntnisse wird erstmalig die langjährig geltende Vorstellung von der über Jahrzehnten andauernden Existenz von zerebralen Aneurysmen in deren Trägern und nur sporadisch vorkommenden Episoden von struktureller Veränderung in Aneurysmen hinterfragt.

Diese Ergebnisse liefern wichtige Erkenntnisse für das aktuelle Verständnis hinsichtlich der Entstehung von zerebralen Aneurysmen sowie der schädigenden Rolle von beeinflussbaren Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Nikotinkonsum in diesem Prozess.

Hintergrund: Radiocarbondatierung
Eine Methode um das Alter von menschlichen Zellen bzw. Gewebe zu erforschen basiert auf der Radiocarbondatierung. Man macht sich zu Nutze, dass die überirdischen Atombombentests zwischen den Jahren 1955 und 1963 zu einem steilen Anstieg der atmosphärischen Konzentration des radioaktiven Isotyps 14CO2 (genannt Radiocarbon) geführt haben.

Nach dem Verbot der überirdischen Atomtests im Jahre 1963 kam es zu einem exponentiellen Abfall des 14CO2 aufgrund von Diffusion und Umverteilung in die großen Ozeane und die Biosphäre. Alle Organismen nehmen das Isotop 14CO2 über die Nahrungskette auf und bauen dieses in ihre Zellen und Gewebe ein. Da die Konzentration des Isotops in einer menschlichen Zelle oder einem Gewebe sich parallel zu der atmosphärischen Konzentration des Isotops verhält, lässt sich dieses Verhältnis als Zeitstempel für die Entwicklung einer Zelle bzw. eines Gewebes nutzen.

Original-Publikation: Stroke. 2014; 45: 1757-1763 Published online before print April 29, 2014, doi: 10.1161/STROKEAHA.114.005461

Kontakt: PD Dr. Nima Etminan, Neurochirurgische Klinik, Universitätsklinikum Düsseldorf, E-mail: etminan@med.uni-duesseldorf.de

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Susanne Dopheide idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

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