Wie das Gehirn Fettgewebe kontrolliert

Prof. Dr. Alexander Pfeifer ist Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie des Universitätsklinikums Bonn. (c) Foto: Frank Luerweg/Uni Bonn

Ein internationales Forscherteam hat unter Leitung der Universitäten Turin und Bonn nun den Signalweg entschlüsselt: Werden die Enzyme PI3Kbeta und PI3Kgamma gehemmt, wandeln sich energiespeichernde weiße Fettzellen in energieverzehrende braune Fettzellen um.

Insgesamt wird dadurch lästiges Körperfett verbrannt. Die Forscher sehen darin einen interessanten Ansatzpunkt zur Behandlung der Fettleibigkeit. Ihre Ergebnisse stellen sie nun im renommierten Fachjournal „Science Signaling“ vor.

Wie viel Energie wir verbrauchen, hängt wesentlich vom Sympathikus ab, der die Stressreaktion ankurbelt. Diese Struktur des vegetativen Nervensystems bewirkt eine Aktivierung vieler Organe. Wird der Sympathikus erregt, kommen unter anderem Herztätigkeit, Durchblutung und Stoffwechsel in Schwung, der Energieverbrauch steigt.

Das ist ein wichtiger Ansatzpunkt für die Behandlung der Fettleibigkeit: „Wenn wir den Energieverbrauch steigern können, reduziert sich bei gleichbleibender Nahrungszufuhr das Körpergewicht automatisch“, sagt Prof. Dr. Alexander Pfeifer vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie des Universitätsklinikums Bonn.

Seit mehreren Jahren erforscht der Pharmakologe, wie der Körper überflüssiges Fett am besten selbstständig verbrennt. Prof. Pfeifers Ansatzpunkt ist die Umwandlung von unerwünschten weißen Fettzellen in braune: Aus weißen Fettzellen bestehen die lästigen „Speckröllchen“, die ein Zuviel an Nahrungsenergie speichern. Die braunen Fettzellen wandeln hingegen überflüssige Pfunde in Wärmeenergie um. Wenn also mehr braune Fettzellen vorhanden sind, wird insgesamt die Fettverbrennung des Körpers angeregt.

Ein zentraler Regler beeinflusst Appetit und Energieverbrauch

Ein Team unter Federführung von Wissenschaftlern aus Turin und Bonn hat nun unter Beteiligung von Forschern aus Rom und Padua herausgefunden, wie der Sympathikus den Energiehaushalt reguliert und für mehr Fettverbrennung sorgt.

Eine wichtige Rolle spielt der Melanocortin 4-Rezeptor im zentralen Nervensystem, der als zentraler Regler sowohl den Appetit als auch den Energieverbrauch beeinflusst. „Ist die Signalkette des Melanocortin 4-Rezeptors gestört, kommt es sowohl bei Menschen als auch bei Mäusen zu starkem Übergewicht“, berichtet Prof. Pfeifer.

Der Melanocortin 4-Rezeptor-Signalweg steuert auch die Umwandlung der weißen in braune Fettzellen. So reagiert der Sympathikus zum Beispiel auf Kältestress: Droht der Körper über eine längere Zeit auszukühlen, werden Stresshormone freigesetzt.

„Sie setzen wiederum eine Signalkette in Gang, die dafür sorgt, dass mehr braune Fettzellen gebildet werden. Diese Heizaggregate stabilisieren wiederum die Körpertemperatur“, nennt der Pharmakologe des Bonner Universitätsklinikums ein Beispiel.

Mäuse verloren in wenigen Tagen zehn Prozent ihrer Fettmasse

Das internationale Forscherteam konnte nun zeigen, dass die Enzyme PI3Kbeta und PI3Kgamma ganz wesentlich an der Steuerung durch den Melanocortin 4-Rezeptor beteiligt sind. In Mäusen schalteten die Wissenschaftler die Gene für diese beiden Enzyme stumm.

In der Folge kam es zu einer Überaktivierung des Sympathikus. Dasselbe passierte, wenn PI3Kbeta und PI3Kgamma mit Wirkstoffen gehemmt wurden. Eine höhere Fettverbrennung war die Folge, weil viele weiße Fettzellen in energiezehrende braune umgewandelt wurden. Die Mäuse verloren binnen zehn Tagen rund zehn Prozent ihrer Fettmasse.

„Diese Ergebnisse legen nahe, dass die Hemmung von PI3Kbeta und PI3Kgamma ein interessanter Ansatzpunkt für die Behandlung der Fettleibigkeit sein kann“, folgert Prof. Pfeifer. Diese Ergebnisse seien bislang jedoch ausschließlich im Tiermodell bestätigt. Von einer Anwendung beim Menschen sei man noch weit entfernt.

Publikation: Combined inhibition of PI3Kbeta and PI3Kgamma reduces fat mass by enhancing alpha-MSH-dependent sympathetic drive, Fachjournal „Science Signaling“, DOI: 10.1126/scisignal.2005485

Kontakt für die Medien:

Prof. Dr. Alexander Pfeifer
Institut für Pharmakologie und Toxikologie
des Universitätsklinikums Bonn
Tel. 0228/28751300
E-Mail: alexander.pfeifer@uni-bonn.de

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